Einer ganz anderen Richtung der Kunst muss der folgende Künstler angehört haben:
Coponius machte die Statuen von vierzehn Nationen, welche bei dem Theater des Pompejus aufgestellt waren, wie Plinius aus Varro berichtet (36, 41; vgl. Suct. Nero 46). Man hat bezweifeln wollen, dass diese Statuen für Pompejus ge- macht seien, da der Porticus ad nationes bei dessen Theater nach Servius (ad Aen. VIII, 721) erst von Augustus erbaut sei. Doch hat diese Nachricht ihren Grund wohl nur in der Re- stauration pompejanischer Bauten durch Augustus nach einer Feuersbrunst. Vierzehn Nationen aber sind es gerade, über welche Pompejus nach Plutarch (Pomp. 45) triumphirte; und wir begegnen also hier zuerst den Statuen besiegter Barbaren- völker, wie sie als eines der eigenthümlichsten Erzeugnisse echt römischer Kunst noch zu Trajans Zeit in hoher Vortreff- lichkeit gebildet wurden. Wir dürfen daher auch nicht über- sehen, dass es gerade ein Römer ist, welcher solche Barbaren- statuen arbeitet. Am meisten geeignet, uns von dem Geiste dieser pompejanischen Werke eine klare Vorstellung zu geben, ist vielleicht die von Göttling Thusnelda genannte Statue, welche natürlich durch diese Bemerkung nicht für ein Werk des Coponius erklärt werden soll.
Durch kolossale Bildwerke sind aus der römischen Epoche zwei Künstler bekannt:
Decius. "Auf dem Capitol werden zwei kolossale Köpfe (aus Erz) bewundert, welche der Consul P. Lentulus geweiht hatte: der eine ein Werk des Chares, der andere des Decius, welcher durch die Vergleichung in so weit besiegt wird, dass er als ein keineswegs vorzüglicher Künstler erscheint": Plin. 34, 44. Die letzten Worte stehen nach den Handschriften fest, und improbabilis "ein keineswegs unlobenswerther Künst- ler" zu lesen, wie man vorgeschlagen hat, ist kein Grund, da ein römischer Künstler, auch abgesehen vom Geiste der Dar- stellung, selbst in Hinsicht der Technik des Erzgusses schwer- lich mit einem Meister, wie Chares, wetteifern durfte. Be- wundert, wie es am Aufange heisst, konnte sein Werk trotz- dem werden, wenn auch nicht wegen der künstlerischen Vol- lendung, doch wegen seiner Kolossalität. Die Erwähnung des Lentulus macht eine Zeitbestimmung möglich: denn schwerlich ist ein anderer als P. Lentulus Spinther gemeint, welcher 697
Einer ganz anderen Richtung der Kunst muss der folgende Künstler angehört haben:
Coponius machte die Statuen von vierzehn Nationen, welche bei dem Theater des Pompejus aufgestellt waren, wie Plinius aus Varro berichtet (36, 41; vgl. Suct. Nero 46). Man hat bezweifeln wollen, dass diese Statuen für Pompejus ge- macht seien, da der Porticus ad nationes bei dessen Theater nach Servius (ad Aen. VIII, 721) erst von Augustus erbaut sei. Doch hat diese Nachricht ihren Grund wohl nur in der Re- stauration pompejanischer Bauten durch Augustus nach einer Feuersbrunst. Vierzehn Nationen aber sind es gerade, über welche Pompejus nach Plutarch (Pomp. 45) triumphirte; und wir begegnen also hier zuerst den Statuen besiegter Barbaren- völker, wie sie als eines der eigenthümlichsten Erzeugnisse echt römischer Kunst noch zu Trajans Zeit in hoher Vortreff- lichkeit gebildet wurden. Wir dürfen daher auch nicht über- sehen, dass es gerade ein Römer ist, welcher solche Barbaren- statuen arbeitet. Am meisten geeignet, uns von dem Geiste dieser pompejanischen Werke eine klare Vorstellung zu geben, ist vielleicht die von Göttling Thusnelda genannte Statue, welche natürlich durch diese Bemerkung nicht für ein Werk des Coponius erklärt werden soll.
Durch kolossale Bildwerke sind aus der römischen Epoche zwei Künstler bekannt:
Decius. „Auf dem Capitol werden zwei kolossale Köpfe (aus Erz) bewundert, welche der Consul P. Lentulus geweiht hatte: der eine ein Werk des Chares, der andere des Decius, welcher durch die Vergleichung in so weit besiegt wird, dass er als ein keineswegs vorzüglicher Künstler erscheint”: Plin. 34, 44. Die letzten Worte stehen nach den Handschriften fest, und improbabilis „ein keineswegs unlobenswerther Künst- ler” zu lesen, wie man vorgeschlagen hat, ist kein Grund, da ein römischer Künstler, auch abgesehen vom Geiste der Dar- stellung, selbst in Hinsicht der Technik des Erzgusses schwer- lich mit einem Meister, wie Chares, wetteifern durfte. Be- wundert, wie es am Aufange heisst, konnte sein Werk trotz- dem werden, wenn auch nicht wegen der künstlerischen Vol- lendung, doch wegen seiner Kolossalität. Die Erwähnung des Lentulus macht eine Zeitbestimmung möglich: denn schwerlich ist ein anderer als P. Lentulus Spinther gemeint, welcher 697
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Einer ganz anderen Richtung der Kunst muss der folgende
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Coponius machte die Statuen von vierzehn Nationen,
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Plinius aus Varro berichtet (36, 41; vgl. Suct. Nero 46). Man
hat bezweifeln wollen, dass diese Statuen für Pompejus ge-
macht seien, da der Porticus ad nationes bei dessen Theater
nach Servius (ad Aen. VIII, 721) erst von Augustus erbaut sei.
Doch hat diese Nachricht ihren Grund wohl nur in der Re-
stauration pompejanischer Bauten durch Augustus nach einer
Feuersbrunst. Vierzehn Nationen aber sind es gerade, über
welche Pompejus nach Plutarch (Pomp. 45) triumphirte; und
wir begegnen also hier zuerst den Statuen besiegter Barbaren-
völker, wie sie als eines der eigenthümlichsten Erzeugnisse
echt römischer Kunst noch zu Trajans Zeit in hoher Vortreff-
lichkeit gebildet wurden. Wir dürfen daher auch nicht über-
sehen, dass es gerade ein Römer ist, welcher solche Barbaren-
statuen arbeitet. Am meisten geeignet, uns von dem Geiste
dieser pompejanischen Werke eine klare Vorstellung zu geben,
ist vielleicht die von Göttling Thusnelda genannte Statue,
welche natürlich durch diese Bemerkung nicht für ein Werk
des Coponius erklärt werden soll.
Durch kolossale Bildwerke sind aus der römischen Epoche
zwei Künstler bekannt:
Decius. „Auf dem Capitol werden zwei kolossale Köpfe
(aus Erz) bewundert, welche der Consul P. Lentulus geweiht
hatte: der eine ein Werk des Chares, der andere des Decius,
welcher durch die Vergleichung in so weit besiegt wird, dass
er als ein keineswegs vorzüglicher Künstler erscheint”: Plin.
34, 44. Die letzten Worte stehen nach den Handschriften
fest, und improbabilis „ein keineswegs unlobenswerther Künst-
ler” zu lesen, wie man vorgeschlagen hat, ist kein Grund, da
ein römischer Künstler, auch abgesehen vom Geiste der Dar-
stellung, selbst in Hinsicht der Technik des Erzgusses schwer-
lich mit einem Meister, wie Chares, wetteifern durfte. Be-
wundert, wie es am Aufange heisst, konnte sein Werk trotz-
dem werden, wenn auch nicht wegen der künstlerischen Vol-
lendung, doch wegen seiner Kolossalität. Die Erwähnung des
Lentulus macht eine Zeitbestimmung möglich: denn schwerlich
ist ein anderer als P. Lentulus Spinther gemeint, welcher 697
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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 602. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/615>, abgerufen am 16.02.2025.
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