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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853.

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Ol. 87, 2 wird Athen zuerst von der Pest heimgesucht. Auf
ihr Ende bezog man die Weihung einer Statue des He-
rakles Alexikakos im Demos Melite, welche ein Werk
des Ageladas war: Schol. Aristoph. ran. 504. Tzetzes
Chil. VIII, 191.

Nehmen wir dazu, dass Ageladas, um schon Ol. 65 thätig zu
sein, doch Ol. 60 geboren sein müsste, so könnten wir die
verschiedenen Angaben, wie sie wörtlich überliefert sind, un-
möglich auf eine und dieselbe Person beziehen, da sonst der
Künstler ein Alter von mehr als 110 Jahren erreicht haben
müsste. Das leichteste aber auch das gefährlichste Mittel,
ähnliche Schwierigkeiten zu beseitigen, ist immer, aus einem
einzigen zwei verschiedene Künstler zu machen, und auf diese
dann die widersprechenden Nachrichten zu vertheilen. Das
ist denn auch bei Ageladas von Sillig und Thiersch 1) versucht
worden, nur stimmen sie darin nicht überein, dass ersterer
seine beiden Ageladas für Argiver hält, Thiersch dagegen
von dem bekannteren Argiver einen Sikyonier unterscheiden
will. Wir prüfen zunächst die letztere Annahme. Sie beruht
auf einer lückenhaften Stelle des Pausanias 2), in der es von
einer Zeusstatue in Olympia heisst, sie sei: Askarou tekhne
Thebaiou didakhthentos para to Sikuonio ...... kai Thessalon
phasin einai, ote Phokeusin eis polemon outoi katestesan.
Dieser Krieg aber, meint Pausanias, sei nicht der sogenannte
heilige, sondern derjenige: on proteron eti epolemesan, prin
e Medous kai basilea epi ten Ellada diabenai. Für die
Ausfüllung der oben bezeichneten Lücken zieht Thiersch die
Uebersetzung des Amasaeus zu Rathe, welche den Namen
des Ageladas einfügt. Diese Ergänzung betrachtet er als aus
jetzt verlorenen Handschriften geflossen und nimmt darauf
hin einen Sikyonier Ageladas an, welchem die Werke nach
Ol. 80 beizulegen seien, während der Argiver in die Zeit vor
Ol. 70 gehöre. Da jedoch ein Schüler jenes nach Ol. 87 thätigen
Sikyoniers unmöglich schon vor dem Zuge des Xerxes in der
Kunst thätig gewesen sein könne, so dürfe man wohl anneh-
men, dass Pausanias bei der Zeitbestimmung jenes phocensisch-
thessalischen Krieges in einen Irrthum verfallen sei. Denn
gerade von der Zeit des Xerxes sei nach dem Zeugnisse

1) Ep. Not. S. 46 flgd.
2) V, 24, 1
Ol. 87, 2 wird Athen zuerst von der Pest heimgesucht. Auf
ihr Ende bezog man die Weihung einer Statue des He-
rakles Alexikakos im Demos Melite, welche ein Werk
des Ageladas war: Schol. Aristoph. ran. 504. Tzetzes
Chil. VIII, 191.

Nehmen wir dazu, dass Ageladas, um schon Ol. 65 thätig zu
sein, doch Ol. 60 geboren sein müsste, so könnten wir die
verschiedenen Angaben, wie sie wörtlich überliefert sind, un-
möglich auf eine und dieselbe Person beziehen, da sonst der
Künstler ein Alter von mehr als 110 Jahren erreicht haben
müsste. Das leichteste aber auch das gefährlichste Mittel,
ähnliche Schwierigkeiten zu beseitigen, ist immer, aus einem
einzigen zwei verschiedene Künstler zu machen, und auf diese
dann die widersprechenden Nachrichten zu vertheilen. Das
ist denn auch bei Ageladas von Sillig und Thiersch 1) versucht
worden, nur stimmen sie darin nicht überein, dass ersterer
seine beiden Ageladas für Argiver hält, Thiersch dagegen
von dem bekannteren Argiver einen Sikyonier unterscheiden
will. Wir prüfen zunächst die letztere Annahme. Sie beruht
auf einer lückenhaften Stelle des Pausanias 2), in der es von
einer Zeusstatue in Olympia heisst, sie sei: Ἀσκάρου τέχνη
Θηβαίου διδαχϑέντος παρὰ τῷ Σικυωνίῳ ...... καὶ Θεσσαλῶν
φασιν εἶναι, ὅτε Φωκεῦσιν εἰς πόλεμον οὗτοι κατέστησαν.
Dieser Krieg aber, meint Pausanias, sei nicht der sogenannte
heilige, sondern derjenige: ὃν πρότερον ἔτι ἐπολέμησαν, πρὶν
ἢ Μήδους καὶ βασιλέα ἐπὶ τὴν Ἑλλάδα διαβῆναι. Für die
Ausfüllung der oben bezeichneten Lücken zieht Thiersch die
Uebersetzung des Amasaeus zu Rathe, welche den Namen
des Ageladas einfügt. Diese Ergänzung betrachtet er als aus
jetzt verlorenen Handschriften geflossen und nimmt darauf
hin einen Sikyonier Ageladas an, welchem die Werke nach
Ol. 80 beizulegen seien, während der Argiver in die Zeit vor
Ol. 70 gehöre. Da jedoch ein Schüler jenes nach Ol. 87 thätigen
Sikyoniers unmöglich schon vor dem Zuge des Xerxes in der
Kunst thätig gewesen sein könne, so dürfe man wohl anneh-
men, dass Pausanias bei der Zeitbestimmung jenes phocensisch-
thessalischen Krieges in einen Irrthum verfallen sei. Denn
gerade von der Zeit des Xerxes sei nach dem Zeugnisse

1) Ep. Not. S. 46 flgd.
2) V, 24, 1
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[64/0077] Ol. 87, 2 wird Athen zuerst von der Pest heimgesucht. Auf ihr Ende bezog man die Weihung einer Statue des He- rakles Alexikakos im Demos Melite, welche ein Werk des Ageladas war: Schol. Aristoph. ran. 504. Tzetzes Chil. VIII, 191. Nehmen wir dazu, dass Ageladas, um schon Ol. 65 thätig zu sein, doch Ol. 60 geboren sein müsste, so könnten wir die verschiedenen Angaben, wie sie wörtlich überliefert sind, un- möglich auf eine und dieselbe Person beziehen, da sonst der Künstler ein Alter von mehr als 110 Jahren erreicht haben müsste. Das leichteste aber auch das gefährlichste Mittel, ähnliche Schwierigkeiten zu beseitigen, ist immer, aus einem einzigen zwei verschiedene Künstler zu machen, und auf diese dann die widersprechenden Nachrichten zu vertheilen. Das ist denn auch bei Ageladas von Sillig und Thiersch 1) versucht worden, nur stimmen sie darin nicht überein, dass ersterer seine beiden Ageladas für Argiver hält, Thiersch dagegen von dem bekannteren Argiver einen Sikyonier unterscheiden will. Wir prüfen zunächst die letztere Annahme. Sie beruht auf einer lückenhaften Stelle des Pausanias 2), in der es von einer Zeusstatue in Olympia heisst, sie sei: Ἀσκάρου τέχνη Θηβαίου διδαχϑέντος παρὰ τῷ Σικυωνίῳ ...... καὶ Θεσσαλῶν φασιν εἶναι, ὅτε Φωκεῦσιν εἰς πόλεμον οὗτοι κατέστησαν. Dieser Krieg aber, meint Pausanias, sei nicht der sogenannte heilige, sondern derjenige: ὃν πρότερον ἔτι ἐπολέμησαν, πρὶν ἢ Μήδους καὶ βασιλέα ἐπὶ τὴν Ἑλλάδα διαβῆναι. Für die Ausfüllung der oben bezeichneten Lücken zieht Thiersch die Uebersetzung des Amasaeus zu Rathe, welche den Namen des Ageladas einfügt. Diese Ergänzung betrachtet er als aus jetzt verlorenen Handschriften geflossen und nimmt darauf hin einen Sikyonier Ageladas an, welchem die Werke nach Ol. 80 beizulegen seien, während der Argiver in die Zeit vor Ol. 70 gehöre. Da jedoch ein Schüler jenes nach Ol. 87 thätigen Sikyoniers unmöglich schon vor dem Zuge des Xerxes in der Kunst thätig gewesen sein könne, so dürfe man wohl anneh- men, dass Pausanias bei der Zeitbestimmung jenes phocensisch- thessalischen Krieges in einen Irrthum verfallen sei. Denn gerade von der Zeit des Xerxes sei nach dem Zeugnisse 1) Ep. Not. S. 46 flgd. 2) V, 24, 1

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 1. Braunschweig: Schwetschke, 1853, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen01_1853/77>, abgerufen am 21.11.2024.