dung bei diesem Meister nicht zu einer Vernachlässigung der rein künstlerischen Forderungen führten, sondern dass die ratio auch in dieser Beziehung sich als bewährte Führerin offenbarte.
Ganz besonders gross muss aber sein Verdienst in der Anordnung (dispositio) gewesen sein, da hierin selbst Apelles von ihm übertroffen zu werden bekannte. 1) Auch dieses Lob steht mit allem, was wir über die Bildung des Melan- thios wie seines Lehrers wissen, im besten Einklange. Die Vorzüge der Farbe bei Zeuxis, die Feinheiten des Parrhasios, ja selbst die Grazie des Apelles setzen das Verdienst einer kunstmässigen Anordnung noch nicht mit Nothwendigkeit voraus; ja die Erfahrung lehrt, dass sie unter ähnlichen Verhältnissen öfters gemangelt hat. Sie beruht in ihren ersten und hauptsächlichsten Gliederungen auf den Principien des Gleichgewichts; und indem sie deshalb einen ausgebil- deten Sinn für die Verhältnisse räumlicher Grössen voraus- setzt, werden wir uns nicht wundern dürfen, sie gerade bei einem Künstler derjenigen Schule in höchster Vollendung zu finden, welche auf eine mathematische Bildung den nach- drücklichsten Werth legte.
Die nahe Verwandtschaft des Schülers mit dem Lehrer scheint sich endlich noch durch die Stellung des ersteren im Zusammenhange der Schule auszusprechen, wie sie in einer Nachricht des Plutarch2) erscheint. Denn während bei Plinius Apelles ein Schüler des Pamphilos genannt wird, ist dort zuerst von beiden Repräsentanten dieser Schule, Pam- philos und Melanthios, die Rede; und gleich darauf heisst es von einem Gemälde: es sei von Melanthios und seinen Schülern (upo panton ton peri ton Melanthon) gemalt worden und auch Apelles habe daran Hand angelegt. Alle diese Angaben vereinigen sich auf das Beste durch die Annahme, dass Melanthios zuerst Schüler, dann Genosse und schliess- lich der Nachfolger des Pamphilos gewesen sei.
Von seinen Werken, deren mehrere durch Arat in den Besitz der Ptolemaeer gelangten, 3) kennen wir nur ein ein- ziges, das eben erwähnte Schulbild: Aristratos, Tyrann von
1) Plin. 35, 80. Dass der Name des Melanthios mit Recht an die Stelle des unbekannten Amphion gesetzt ist, steht jetzt durch den Cod. Bamb. fest.
2) Arat. 13.
3) Plut. Arat. 12.
dung bei diesem Meister nicht zu einer Vernachlässigung der rein künstlerischen Forderungen führten, sondern dass die ratio auch in dieser Beziehung sich als bewährte Führerin offenbarte.
Ganz besonders gross muss aber sein Verdienst in der Anordnung (dispositio) gewesen sein, da hierin selbst Apelles von ihm übertroffen zu werden bekannte. 1) Auch dieses Lob steht mit allem, was wir über die Bildung des Melan- thios wie seines Lehrers wissen, im besten Einklange. Die Vorzüge der Farbe bei Zeuxis, die Feinheiten des Parrhasios, ja selbst die Grazie des Apelles setzen das Verdienst einer kunstmässigen Anordnung noch nicht mit Nothwendigkeit voraus; ja die Erfahrung lehrt, dass sie unter ähnlichen Verhältnissen öfters gemangelt hat. Sie beruht in ihren ersten und hauptsächlichsten Gliederungen auf den Principien des Gleichgewichts; und indem sie deshalb einen ausgebil- deten Sinn für die Verhältnisse räumlicher Grössen voraus- setzt, werden wir uns nicht wundern dürfen, sie gerade bei einem Künstler derjenigen Schule in höchster Vollendung zu finden, welche auf eine mathematische Bildung den nach- drücklichsten Werth legte.
Die nahe Verwandtschaft des Schülers mit dem Lehrer scheint sich endlich noch durch die Stellung des ersteren im Zusammenhange der Schule auszusprechen, wie sie in einer Nachricht des Plutarch2) erscheint. Denn während bei Plinius Apelles ein Schüler des Pamphilos genannt wird, ist dort zuerst von beiden Repräsentanten dieser Schule, Pam- philos und Melanthios, die Rede; und gleich darauf heisst es von einem Gemälde: es sei von Melanthios und seinen Schülern (ὑπὸ πάντων τῶν πεϱὶ τὸν Μέλανϑον) gemalt worden und auch Apelles habe daran Hand angelegt. Alle diese Angaben vereinigen sich auf das Beste durch die Annahme, dass Melanthios zuerst Schüler, dann Genosse und schliess- lich der Nachfolger des Pamphilos gewesen sei.
Von seinen Werken, deren mehrere durch Arat in den Besitz der Ptolemaeer gelangten, 3) kennen wir nur ein ein- ziges, das eben erwähnte Schulbild: Aristratos, Tyrann von
1) Plin. 35, 80. Dass der Name des Melanthios mit Recht an die Stelle des unbekannten Amphion gesetzt ist, steht jetzt durch den Cod. Bamb. fest.
2) Arat. 13.
3) Plut. Arat. 12.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0151"n="143"/>
dung bei diesem Meister nicht zu einer Vernachlässigung der<lb/>
rein künstlerischen Forderungen führten, sondern dass die ratio<lb/>
auch in dieser Beziehung sich als bewährte Führerin offenbarte.</p><lb/><p>Ganz besonders gross muss aber sein Verdienst in der<lb/>
Anordnung (dispositio) gewesen sein, da hierin selbst Apelles<lb/>
von ihm übertroffen zu werden bekannte. <noteplace="foot"n="1)">Plin. 35, 80. Dass der Name des Melanthios mit Recht an die Stelle<lb/>
des unbekannten Amphion gesetzt ist, steht jetzt durch den Cod. Bamb. fest.</note> Auch dieses<lb/>
Lob steht mit allem, was wir über die Bildung des Melan-<lb/>
thios wie seines Lehrers wissen, im besten Einklange. Die<lb/>
Vorzüge der Farbe bei Zeuxis, die Feinheiten des Parrhasios,<lb/>
ja selbst die Grazie des Apelles setzen das Verdienst einer<lb/>
kunstmässigen Anordnung noch nicht mit Nothwendigkeit<lb/>
voraus; ja die Erfahrung lehrt, dass sie unter ähnlichen<lb/>
Verhältnissen öfters gemangelt hat. Sie beruht in ihren<lb/>
ersten und hauptsächlichsten Gliederungen auf den Principien<lb/>
des Gleichgewichts; und indem sie deshalb einen ausgebil-<lb/>
deten Sinn für die Verhältnisse räumlicher Grössen voraus-<lb/>
setzt, werden wir uns nicht wundern dürfen, sie gerade bei<lb/>
einem Künstler derjenigen Schule in höchster Vollendung zu<lb/>
finden, welche auf eine mathematische Bildung den nach-<lb/>
drücklichsten Werth legte.</p><lb/><p>Die nahe Verwandtschaft des Schülers mit dem Lehrer<lb/>
scheint sich endlich noch durch die Stellung des ersteren<lb/>
im Zusammenhange der Schule auszusprechen, wie sie in<lb/>
einer Nachricht des Plutarch<noteplace="foot"n="2)">Arat. 13.</note> erscheint. Denn während bei<lb/>
Plinius Apelles ein Schüler des Pamphilos genannt wird, ist<lb/>
dort zuerst von beiden Repräsentanten dieser Schule, Pam-<lb/>
philos und Melanthios, die Rede; und gleich darauf heisst<lb/>
es von einem Gemälde: es sei von Melanthios und seinen<lb/>
Schülern (ὑπὸπάντωντῶνπεϱὶτὸνΜέλανϑον) gemalt worden<lb/>
und auch Apelles habe daran Hand angelegt. Alle diese<lb/>
Angaben vereinigen sich auf das Beste durch die Annahme,<lb/>
dass Melanthios zuerst Schüler, dann Genosse und schliess-<lb/>
lich der Nachfolger des Pamphilos gewesen sei.</p><lb/><p>Von seinen Werken, deren mehrere durch Arat in den<lb/>
Besitz der Ptolemaeer gelangten, <noteplace="foot"n="3)">Plut. Arat. 12.</note> kennen wir nur ein ein-<lb/>
ziges, das eben erwähnte Schulbild: Aristratos, Tyrann von<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[143/0151]
dung bei diesem Meister nicht zu einer Vernachlässigung der
rein künstlerischen Forderungen führten, sondern dass die ratio
auch in dieser Beziehung sich als bewährte Führerin offenbarte.
Ganz besonders gross muss aber sein Verdienst in der
Anordnung (dispositio) gewesen sein, da hierin selbst Apelles
von ihm übertroffen zu werden bekannte. 1) Auch dieses
Lob steht mit allem, was wir über die Bildung des Melan-
thios wie seines Lehrers wissen, im besten Einklange. Die
Vorzüge der Farbe bei Zeuxis, die Feinheiten des Parrhasios,
ja selbst die Grazie des Apelles setzen das Verdienst einer
kunstmässigen Anordnung noch nicht mit Nothwendigkeit
voraus; ja die Erfahrung lehrt, dass sie unter ähnlichen
Verhältnissen öfters gemangelt hat. Sie beruht in ihren
ersten und hauptsächlichsten Gliederungen auf den Principien
des Gleichgewichts; und indem sie deshalb einen ausgebil-
deten Sinn für die Verhältnisse räumlicher Grössen voraus-
setzt, werden wir uns nicht wundern dürfen, sie gerade bei
einem Künstler derjenigen Schule in höchster Vollendung zu
finden, welche auf eine mathematische Bildung den nach-
drücklichsten Werth legte.
Die nahe Verwandtschaft des Schülers mit dem Lehrer
scheint sich endlich noch durch die Stellung des ersteren
im Zusammenhange der Schule auszusprechen, wie sie in
einer Nachricht des Plutarch 2) erscheint. Denn während bei
Plinius Apelles ein Schüler des Pamphilos genannt wird, ist
dort zuerst von beiden Repräsentanten dieser Schule, Pam-
philos und Melanthios, die Rede; und gleich darauf heisst
es von einem Gemälde: es sei von Melanthios und seinen
Schülern (ὑπὸ πάντων τῶν πεϱὶ τὸν Μέλανϑον) gemalt worden
und auch Apelles habe daran Hand angelegt. Alle diese
Angaben vereinigen sich auf das Beste durch die Annahme,
dass Melanthios zuerst Schüler, dann Genosse und schliess-
lich der Nachfolger des Pamphilos gewesen sei.
Von seinen Werken, deren mehrere durch Arat in den
Besitz der Ptolemaeer gelangten, 3) kennen wir nur ein ein-
ziges, das eben erwähnte Schulbild: Aristratos, Tyrann von
1) Plin. 35, 80. Dass der Name des Melanthios mit Recht an die Stelle
des unbekannten Amphion gesetzt ist, steht jetzt durch den Cod. Bamb. fest.
2) Arat. 13.
3) Plut. Arat. 12.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/151>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.