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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856.

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Aufmerksamkeit, welche er dadurch der plastischen Darstel-
lungsweise zu widmen veranlasst ward, auch in der Malerei
wieder förderlich geworden sein; ja vielleicht beruht gerade
seine von Plinius hervorgehobene malerische Eigenthümlich-
keit auf dieser Wechselwirkung verschiedenartiger Thätigkeit.
So erscheint z. B. die Bemerkung des Fronto, 1) man solle
von Nikias nicht verlangen, dass er "obscura" male, am
leichtesten ihre Erklärung in dem Streben nach derjenigen
Klarheit und Durchsichtigkeit zu finden, welche selbst in
den Schatten noch die plastische Rundung aller Formen er-
kennen lässt. Ob und wie weit ihm dabei eine vor ihm
nicht angewendete Farbe, usta, ein röthlich gelbes Bleioxyd,
dessen Bedeutung für Schattengebung von Plinius besonders
hervorgehoben wird, 2) von wesentlichem Nutzen gewesen ist,
vermögen wir bei unserer lückenhaften Kenntniss der alten
Malertechnik freilich nicht zu bestimmen.

Wenden wir uns jetzt zur Betrachtung der Gegenstände,
deren Darstellung er seine Kunst widmete, so meldet uns Pli-
nius3) ausdrücklich, dass er mit besonderer Sorgfalt Frauen
malte; und die Titel mehrerer seiner Gemälde, Nemea, Danae,
Kalypso, Jo, Andromeda, können dieser Angabe als Bestäti-
gung dienen. Ausserdem ist uns aber noch eine specielle
Aeusserung des Nikias selbst über die Wahl malerischer
Stoffe durch Demetrius Phalereus 4) überliefert worden: "Ni-
kias sagte, auch das sei kein kleiner Theil der Malerkunst,
dass man sich einen bedeutenden Stoff zum Malen ersehe
und nicht seine Kunst an Kleinigkeiten zersplittere, wie an
Vögeln oder Blumen: vielmehr Reiter- und Seetreffen solle
man wählen, wo sich viele Stellungen von Pferden zeigen las-
sen, wie sie laufen, sich bäumen, niederhocken; wo Viele
Speere werfen, Viele auch von den Pferden herabfallen. Er
meinte nemlich, dass der Stoff selbst einen Theil der Maler-
kunst ausmache, wie bei den Dichtern die Mythen." Verglei-
chen wir nun diesen Ausspruch mit dem Verzeichniss der
uns bekannten Werke, so werden wir ein gewisses Befrem-
den nicht unterdrücken können. Denn kein Schlachtbild fin-
det sich unter ihnen, überhaupt kein Bild, auf welches die

1) epist. p. 170 ed. Rom.
2) 35, 38; vgl. Wiegmann Malerei d. A.
S. 218.
3) 35, 131.
4) elocut. 76.

Aufmerksamkeit, welche er dadurch der plastischen Darstel-
lungsweise zu widmen veranlasst ward, auch in der Malerei
wieder förderlich geworden sein; ja vielleicht beruht gerade
seine von Plinius hervorgehobene malerische Eigenthümlich-
keit auf dieser Wechselwirkung verschiedenartiger Thätigkeit.
So erscheint z. B. die Bemerkung des Fronto, 1) man solle
von Nikias nicht verlangen, dass er „obscura“ male, am
leichtesten ihre Erklärung in dem Streben nach derjenigen
Klarheit und Durchsichtigkeit zu finden, welche selbst in
den Schatten noch die plastische Rundung aller Formen er-
kennen lässt. Ob und wie weit ihm dabei eine vor ihm
nicht angewendete Farbe, usta, ein röthlich gelbes Bleioxyd,
dessen Bedeutung für Schattengebung von Plinius besonders
hervorgehoben wird, 2) von wesentlichem Nutzen gewesen ist,
vermögen wir bei unserer lückenhaften Kenntniss der alten
Malertechnik freilich nicht zu bestimmen.

Wenden wir uns jetzt zur Betrachtung der Gegenstände,
deren Darstellung er seine Kunst widmete, so meldet uns Pli-
nius3) ausdrücklich, dass er mit besonderer Sorgfalt Frauen
malte; und die Titel mehrerer seiner Gemälde, Nemea, Danae,
Kalypso, Jo, Andromeda, können dieser Angabe als Bestäti-
gung dienen. Ausserdem ist uns aber noch eine specielle
Aeusserung des Nikias selbst über die Wahl malerischer
Stoffe durch Demetrius Phalereus 4) überliefert worden: „Ni-
kias sagte, auch das sei kein kleiner Theil der Malerkunst,
dass man sich einen bedeutenden Stoff zum Malen ersehe
und nicht seine Kunst an Kleinigkeiten zersplittere, wie an
Vögeln oder Blumen: vielmehr Reiter- und Seetreffen solle
man wählen, wo sich viele Stellungen von Pferden zeigen las-
sen, wie sie laufen, sich bäumen, niederhocken; wo Viele
Speere werfen, Viele auch von den Pferden herabfallen. Er
meinte nemlich, dass der Stoff selbst einen Theil der Maler-
kunst ausmache, wie bei den Dichtern die Mythen.“ Verglei-
chen wir nun diesen Ausspruch mit dem Verzeichniss der
uns bekannten Werke, so werden wir ein gewisses Befrem-
den nicht unterdrücken können. Denn kein Schlachtbild fin-
det sich unter ihnen, überhaupt kein Bild, auf welches die

1) epist. p. 170 ed. Rom.
2) 35, 38; vgl. Wiegmann Malerei d. A.
S. 218.
3) 35, 131.
4) elocut. 76.
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[198/0206] Aufmerksamkeit, welche er dadurch der plastischen Darstel- lungsweise zu widmen veranlasst ward, auch in der Malerei wieder förderlich geworden sein; ja vielleicht beruht gerade seine von Plinius hervorgehobene malerische Eigenthümlich- keit auf dieser Wechselwirkung verschiedenartiger Thätigkeit. So erscheint z. B. die Bemerkung des Fronto, 1) man solle von Nikias nicht verlangen, dass er „obscura“ male, am leichtesten ihre Erklärung in dem Streben nach derjenigen Klarheit und Durchsichtigkeit zu finden, welche selbst in den Schatten noch die plastische Rundung aller Formen er- kennen lässt. Ob und wie weit ihm dabei eine vor ihm nicht angewendete Farbe, usta, ein röthlich gelbes Bleioxyd, dessen Bedeutung für Schattengebung von Plinius besonders hervorgehoben wird, 2) von wesentlichem Nutzen gewesen ist, vermögen wir bei unserer lückenhaften Kenntniss der alten Malertechnik freilich nicht zu bestimmen. Wenden wir uns jetzt zur Betrachtung der Gegenstände, deren Darstellung er seine Kunst widmete, so meldet uns Pli- nius 3) ausdrücklich, dass er mit besonderer Sorgfalt Frauen malte; und die Titel mehrerer seiner Gemälde, Nemea, Danae, Kalypso, Jo, Andromeda, können dieser Angabe als Bestäti- gung dienen. Ausserdem ist uns aber noch eine specielle Aeusserung des Nikias selbst über die Wahl malerischer Stoffe durch Demetrius Phalereus 4) überliefert worden: „Ni- kias sagte, auch das sei kein kleiner Theil der Malerkunst, dass man sich einen bedeutenden Stoff zum Malen ersehe und nicht seine Kunst an Kleinigkeiten zersplittere, wie an Vögeln oder Blumen: vielmehr Reiter- und Seetreffen solle man wählen, wo sich viele Stellungen von Pferden zeigen las- sen, wie sie laufen, sich bäumen, niederhocken; wo Viele Speere werfen, Viele auch von den Pferden herabfallen. Er meinte nemlich, dass der Stoff selbst einen Theil der Maler- kunst ausmache, wie bei den Dichtern die Mythen.“ Verglei- chen wir nun diesen Ausspruch mit dem Verzeichniss der uns bekannten Werke, so werden wir ein gewisses Befrem- den nicht unterdrücken können. Denn kein Schlachtbild fin- det sich unter ihnen, überhaupt kein Bild, auf welches die 1) epist. p. 170 ed. Rom. 2) 35, 38; vgl. Wiegmann Malerei d. A. S. 218. 3) 35, 131. 4) elocut. 76.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/206>, abgerufen am 21.11.2024.