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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856.

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welche es versteht, die Kennzeichen einer Person oder eines
Dinges, in welchen sich vorzugsweise deren Charakter aus-
spricht, klar und bestimmt aufzufassen und eben so durch
die technischen Mittel der Kunst wiederzugeben. Erinnern
wir uns nun wieder an die früheren Bemerkungen über die
Uebungen des Apelles im Zeichnen, so werden sie uns nicht
unternommen scheinen, um mit blosser Virtuosität zu prun-
ken, sondern sie sind nur das Mittel zur sichern Erreichung
eines höheren Zweckes, nemlich einer scharfen und feinen
Charakteristik.

Von der Zeichnung wenden wir uns zur Farbe und be-
merken zunächst, dass Apelles bei Plinius seine Stelle unter
den Temperamalern gefunden hat. Wenn nun auch daneben
bei Statius 1) von Apelleae cerae die Rede ist, so dürfen wir
doch darin nichts als einen poetischen Ausdruck sehen, in-
dem sonst seine Thätigkeit als Enkaust durch kein sicheres
Zeugniss bestätigt wird. -- Hinsichtlich der Farbenstoffe
begegnen wir wiederum der Angabe des Plinius, 2) dass die
berühmtesten Maler, wie Apelles, Aetion, Melanthios, Niko-
machos, ihre Werke mit nur vier Farben gemalt hätten, Me-
linum für das Weiss, Attischem Oker für das Gelb, Sino-
pi'scher Erde für das Roth, Atramentum für Schwarz; und
an die vier Farben erinnert er nochmals bei Gelegenheit des
blitztragenden Alexander. Cicero 3) dagegen beschränkt
den Gebrauch der vier Farben auf die ältere Epoche des
Zeuxis, Polygnot und Timanthes, während er die spätere
des Aetion, Nikomachos, Protogenes, Apelles schon voll-
kommen durchgebildet nennt. Es leuchtet zunächst ein, dass
nicht von einer Behandlung dieser Farben ohne Licht und
Schatten die Rede sein kann. Aber auch nach dieser Be-
schränkung kann die Angabe des Plinius nicht wörtlich ver-
standen werden, indem er bei mehreren Gelegenheiten noch
andere Farben namhaft macht, welche von Malern, die älter
als Apelles waren, angewendet wurden. Offenbar soll nur
von einfachen, natürlichen Farbstoffen die Rede sein, im
Gegensatz zu den materiell kostbaren und gekünstelten. Pli-
nius vergleicht die Einfachheit der älteren Maler bei der
höchsten Kunst mit dem Verfall seiner Zeit, trotzdem dass

1) Plin. l. l.
2) silv. 1, 100.
3) Brut. 18.
Brunn, Geschichte der griech. Künstler. II. 15

welche es versteht, die Kennzeichen einer Person oder eines
Dinges, in welchen sich vorzugsweise deren Charakter aus-
spricht, klar und bestimmt aufzufassen und eben so durch
die technischen Mittel der Kunst wiederzugeben. Erinnern
wir uns nun wieder an die früheren Bemerkungen über die
Uebungen des Apelles im Zeichnen, so werden sie uns nicht
unternommen scheinen, um mit blosser Virtuosität zu prun-
ken, sondern sie sind nur das Mittel zur sichern Erreichung
eines höheren Zweckes, nemlich einer scharfen und feinen
Charakteristik.

Von der Zeichnung wenden wir uns zur Farbe und be-
merken zunächst, dass Apelles bei Plinius seine Stelle unter
den Temperamalern gefunden hat. Wenn nun auch daneben
bei Statius 1) von Apelleae cerae die Rede ist, so dürfen wir
doch darin nichts als einen poetischen Ausdruck sehen, in-
dem sonst seine Thätigkeit als Enkaust durch kein sicheres
Zeugniss bestätigt wird. — Hinsichtlich der Farbenstoffe
begegnen wir wiederum der Angabe des Plinius, 2) dass die
berühmtesten Maler, wie Apelles, Aëtion, Melanthios, Niko-
machos, ihre Werke mit nur vier Farben gemalt hätten, Me-
linum für das Weiss, Attischem Oker für das Gelb, Sino-
pi’scher Erde für das Roth, Atramentum für Schwarz; und
an die vier Farben erinnert er nochmals bei Gelegenheit des
blitztragenden Alexander. Cicero 3) dagegen beschränkt
den Gebrauch der vier Farben auf die ältere Epoche des
Zeuxis, Polygnot und Timanthes, während er die spätere
des Aëtion, Nikomachos, Protogenes, Apelles schon voll-
kommen durchgebildet nennt. Es leuchtet zunächst ein, dass
nicht von einer Behandlung dieser Farben ohne Licht und
Schatten die Rede sein kann. Aber auch nach dieser Be-
schränkung kann die Angabe des Plinius nicht wörtlich ver-
standen werden, indem er bei mehreren Gelegenheiten noch
andere Farben namhaft macht, welche von Malern, die älter
als Apelles waren, angewendet wurden. Offenbar soll nur
von einfachen, natürlichen Farbstoffen die Rede sein, im
Gegensatz zu den materiell kostbaren und gekünstelten. Pli-
nius vergleicht die Einfachheit der älteren Maler bei der
höchsten Kunst mit dem Verfall seiner Zeit, trotzdem dass

1) Plin. l. l.
2) silv. 1, 100.
3) Brut. 18.
Brunn, Geschichte der griech. Künstler. II. 15
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[225/0233] welche es versteht, die Kennzeichen einer Person oder eines Dinges, in welchen sich vorzugsweise deren Charakter aus- spricht, klar und bestimmt aufzufassen und eben so durch die technischen Mittel der Kunst wiederzugeben. Erinnern wir uns nun wieder an die früheren Bemerkungen über die Uebungen des Apelles im Zeichnen, so werden sie uns nicht unternommen scheinen, um mit blosser Virtuosität zu prun- ken, sondern sie sind nur das Mittel zur sichern Erreichung eines höheren Zweckes, nemlich einer scharfen und feinen Charakteristik. Von der Zeichnung wenden wir uns zur Farbe und be- merken zunächst, dass Apelles bei Plinius seine Stelle unter den Temperamalern gefunden hat. Wenn nun auch daneben bei Statius 1) von Apelleae cerae die Rede ist, so dürfen wir doch darin nichts als einen poetischen Ausdruck sehen, in- dem sonst seine Thätigkeit als Enkaust durch kein sicheres Zeugniss bestätigt wird. — Hinsichtlich der Farbenstoffe begegnen wir wiederum der Angabe des Plinius, 2) dass die berühmtesten Maler, wie Apelles, Aëtion, Melanthios, Niko- machos, ihre Werke mit nur vier Farben gemalt hätten, Me- linum für das Weiss, Attischem Oker für das Gelb, Sino- pi’scher Erde für das Roth, Atramentum für Schwarz; und an die vier Farben erinnert er nochmals bei Gelegenheit des blitztragenden Alexander. Cicero 3) dagegen beschränkt den Gebrauch der vier Farben auf die ältere Epoche des Zeuxis, Polygnot und Timanthes, während er die spätere des Aëtion, Nikomachos, Protogenes, Apelles schon voll- kommen durchgebildet nennt. Es leuchtet zunächst ein, dass nicht von einer Behandlung dieser Farben ohne Licht und Schatten die Rede sein kann. Aber auch nach dieser Be- schränkung kann die Angabe des Plinius nicht wörtlich ver- standen werden, indem er bei mehreren Gelegenheiten noch andere Farben namhaft macht, welche von Malern, die älter als Apelles waren, angewendet wurden. Offenbar soll nur von einfachen, natürlichen Farbstoffen die Rede sein, im Gegensatz zu den materiell kostbaren und gekünstelten. Pli- nius vergleicht die Einfachheit der älteren Maler bei der höchsten Kunst mit dem Verfall seiner Zeit, trotzdem dass 1) Plin. l. l. 2) silv. 1, 100. 3) Brut. 18. Brunn, Geschichte der griech. Künstler. II. 15

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/233>, abgerufen am 21.11.2024.