der Mauern aufzuhalten, antwortete er: er wisse, dass der König mit den Rhodiern Krieg führe, nicht mit den Künsten. Zu seinem Schutze stellte der König Wachen auf, erfreut, die Hände zu erhalten, deren er geschont hatte; und um ihn nicht öfter wegzurufen, kam er, der Feind, freiwillig zu ihm, und sah, ohne seiner Siegeswünsche zu gedenken, während des Waffenlärmes und des Mauernsturmes dem Künstler zu. An dem in seiner Zeit gemalten Bilde haftet noch der Ruf, dass es Protogenes "unter dem Schwerte" gemalt habe. Es ist ein Satyr, anapauomenos, der ruhende genannt, und damit die Hinweisung auf die sichere Ruhe jener Zeit nicht fehle, hält er die Flöten. Er malte auch die Kydippe und Tlepolemos, und Philiskos, den Tragödienschreiber im Nachsinnen, einen Athleten, den König Antigonos und die Mutter des Philosophen Aristoteles, welcher ihm rieth, die Thaten Alexanders des Grossen zu malen wegen des unvergäng- lichen Ruhmes derselben. Aber sein geistiger Drang und eine gewisse Begierde nach Kunst (d. h. nach der höchsten kunst- mässigen Durchbildung) trieb ihn vielmehr zu den genannten Dingen. Zuletzt malte er Alexander und Pan; er machte auch Bildwerke aus Erz (nemlich Krieger, Bewaffnete, Jäger und Opfernde), wie wir 1) gesagt haben."
Hierzu gesellt sich bei Plinius noch, was schon früher über das Verhältniss des Protogenes zu Apelles mitgetheilt worden ist, das Urtheil des Letzteren über seine Kunst und namentlich über den Jalysos; die Geschichte von den drei Linien, und die Sage, dass Apelles Bilder des Protogenes habe kaufen wollen, angeblich um sie als eigene Werke wieder zu verkaufen.
Kaunos wird als Vaterstadt des Protogenes auch von Pausanias 2) und Plutarch 3) angegeben. Suidas 4) und Con- stantinus Porphyrogenitus 5) nennen Xanthos in Lykien. Beide Städte liegen nicht sehr weit von einander entfernt und Rho- dos gegenüber; der Widerspruch dieser Angaben ist also sachlich unwesentlich. Sein Wohnsitz war Rhodos; doch arbeitete er die in Athen befindlichen Werke vielleicht an Ort und Stelle. Dort konnte er auch die Bekanntschaft des
1) 34, 91.
2) I, 3, 4.
3) Demetr. 22.
4) s. v. Protogenes.
5) de themat. c. 14.
der Mauern aufzuhalten, antwortete er: er wisse, dass der König mit den Rhodiern Krieg führe, nicht mit den Künsten. Zu seinem Schutze stellte der König Wachen auf, erfreut, die Hände zu erhalten, deren er geschont hatte; und um ihn nicht öfter wegzurufen, kam er, der Feind, freiwillig zu ihm, und sah, ohne seiner Siegeswünsche zu gedenken, während des Waffenlärmes und des Mauernsturmes dem Künstler zu. An dem in seiner Zeit gemalten Bilde haftet noch der Ruf, dass es Protogenes „unter dem Schwerte“ gemalt habe. Es ist ein Satyr, anapauomenos, der ruhende genannt, und damit die Hinweisung auf die sichere Ruhe jener Zeit nicht fehle, hält er die Flöten. Er malte auch die Kydippe und Tlepolemos, und Philiskos, den Tragödienschreiber im Nachsinnen, einen Athleten, den König Antigonos und die Mutter des Philosophen Aristoteles, welcher ihm rieth, die Thaten Alexanders des Grossen zu malen wegen des unvergäng- lichen Ruhmes derselben. Aber sein geistiger Drang und eine gewisse Begierde nach Kunst (d. h. nach der höchsten kunst- mässigen Durchbildung) trieb ihn vielmehr zu den genannten Dingen. Zuletzt malte er Alexander und Pan; er machte auch Bildwerke aus Erz (nemlich Krieger, Bewaffnete, Jäger und Opfernde), wie wir 1) gesagt haben.“
Hierzu gesellt sich bei Plinius noch, was schon früher über das Verhältniss des Protogenes zu Apelles mitgetheilt worden ist, das Urtheil des Letzteren über seine Kunst und namentlich über den Jalysos; die Geschichte von den drei Linien, und die Sage, dass Apelles Bilder des Protogenes habe kaufen wollen, angeblich um sie als eigene Werke wieder zu verkaufen.
Kaunos wird als Vaterstadt des Protogenes auch von Pausanias 2) und Plutarch 3) angegeben. Suidas 4) und Con- stantinus Porphyrogenitus 5) nennen Xanthos in Lykien. Beide Städte liegen nicht sehr weit von einander entfernt und Rho- dos gegenüber; der Widerspruch dieser Angaben ist also sachlich unwesentlich. Sein Wohnsitz war Rhodos; doch arbeitete er die in Athen befindlichen Werke vielleicht an Ort und Stelle. Dort konnte er auch die Bekanntschaft des
1) 34, 91.
2) I, 3, 4.
3) Demetr. 22.
4) s. v. Πϱωτογένης.
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der Mauern aufzuhalten, antwortete er: er wisse, dass der
König mit den Rhodiern Krieg führe, nicht mit den Künsten.
Zu seinem Schutze stellte der König Wachen auf, erfreut,
die Hände zu erhalten, deren er geschont hatte; und um ihn
nicht öfter wegzurufen, kam er, der Feind, freiwillig zu ihm,
und sah, ohne seiner Siegeswünsche zu gedenken, während
des Waffenlärmes und des Mauernsturmes dem Künstler zu.
An dem in seiner Zeit gemalten Bilde haftet noch der Ruf,
dass es Protogenes „unter dem Schwerte“ gemalt habe.
Es ist ein Satyr, anapauomenos, der ruhende genannt, und
damit die Hinweisung auf die sichere Ruhe jener Zeit nicht
fehle, hält er die Flöten. Er malte auch die Kydippe und
Tlepolemos, und Philiskos, den Tragödienschreiber im
Nachsinnen, einen Athleten, den König Antigonos und die
Mutter des Philosophen Aristoteles, welcher ihm rieth, die
Thaten Alexanders des Grossen zu malen wegen des unvergäng-
lichen Ruhmes derselben. Aber sein geistiger Drang und eine
gewisse Begierde nach Kunst (d. h. nach der höchsten kunst-
mässigen Durchbildung) trieb ihn vielmehr zu den genannten
Dingen. Zuletzt malte er Alexander und Pan; er machte
auch Bildwerke aus Erz (nemlich Krieger, Bewaffnete,
Jäger und Opfernde), wie wir 1) gesagt haben.“
Hierzu gesellt sich bei Plinius noch, was schon früher
über das Verhältniss des Protogenes zu Apelles mitgetheilt
worden ist, das Urtheil des Letzteren über seine Kunst und
namentlich über den Jalysos; die Geschichte von den drei Linien,
und die Sage, dass Apelles Bilder des Protogenes habe
kaufen wollen, angeblich um sie als eigene Werke wieder
zu verkaufen.
Kaunos wird als Vaterstadt des Protogenes auch von
Pausanias 2) und Plutarch 3) angegeben. Suidas 4) und Con-
stantinus Porphyrogenitus 5) nennen Xanthos in Lykien. Beide
Städte liegen nicht sehr weit von einander entfernt und Rho-
dos gegenüber; der Widerspruch dieser Angaben ist also
sachlich unwesentlich. Sein Wohnsitz war Rhodos; doch
arbeitete er die in Athen befindlichen Werke vielleicht an
Ort und Stelle. Dort konnte er auch die Bekanntschaft des
1) 34, 91.
2) I, 3, 4.
3) Demetr. 22.
4) s. v. Πϱωτογένης.
5) de themat. c. 14.
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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/243>, abgerufen am 21.11.2024.
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