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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856.

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als vollendete Maler im Gegensatz zur älteren Schule; in
den Paradoxen wird ein Gemälde des Aetion als etwas so
vorzügliches, wie eine Statue des Polyklet gepriesen. Pli-
nius, der ihn zweimal mit dem sonst unbekannten Theri-
machos
als Maler und als Bildhauer anführt, verbindet ihn
an der dritten Stelle 1) mit Apelles, Melanthios, Nikomachos
in ganz ähnlichem Sinne, wie Cicero im Brutus. Lucian
endlich vereinigt 2) Apelles, Parrhasios, Aetion, Euphranor,
und eben so 3) Polygnot, Euphranor, Apelles, Aetion, und
zwar als Künstler einer längst vergangenen Zeit (ton palaion
tinas ekeinon teKhniton), wie sie "jetzt" nicht mehr zu finden
seien (epei de aporon nun eurein tina outos gennaion kai akribe
ten teKhnen). Demnach erscheint Aetion stets in der Gesell-
schaft der ausgezeichnetsten Künstler, namentlich neben
Apelles und seinen Zeitgenossen als Repräsentanten der
vollendetsten Entwicklung. Hiermit trifft vollkommen die
Zeitbestimmung des Plinius überein, der ihn mit Therimachos
in die 107te Olympiade setzt, womit schliesslich im besten
Einklange steht, dass er nach Lucian in der Aetion oder
Herodot betitelten Schrift die Hochzeit Alexanders mit der
Rhoxane malte, welche in den Anfang der 113ten Olympiade
fällt. Im Gegensatze gegen alle diese Zeugnisse nimmt aber
Müller 4) an einem einzelnen Ausdrucke des Lucian Anstoss
und will in Folge dessen den Künstler bis nahe an die Zeit
dieses Schriftstellers, d. h. in die Epoche Hadrians herab-
rücken. Der Zusammenhang ist folgender: "Herodot, heisst
es, hatte den glücklichen Gedanken, seine Werke in Olympia
vorzulesen, wodurch er schnell zu bedeutendem Ruhme ge-
langte. Ihm folgten darin Hippias, Prodikos, Anaximenes und
viele andere. Aber wozu ist es nöthig, auf alte Sophisten, Schrift-
steller und Geschichtsschreiber zurückzugehen, da ja "kai ta te-
leutaia tauta" auch Aetion, der Maler, sein Bild des Alexander
und der Rhoxane nach Olympia gebracht und in Folge dieser
Ausstellung die Tochter des Hellanodiken Proxenidas zur Frau
erhalten haben soll." Ich will hier von der historischen Schwie-
rigkeit einer hohen Blüthe der Malerei unter Hadrian ganz abse-
hen. Mit Recht aber bemerkt Stark, dass das Thatsächliche der
Erzählung, die Feier der Olympien als eines grossen hellenischen

1) 35, 50.
2) de merc. cond. 42.
3) imagg. 7.
4) Arch. §. 211.

als vollendete Maler im Gegensatz zur älteren Schule; in
den Paradoxen wird ein Gemälde des Aetion als etwas so
vorzügliches, wie eine Statue des Polyklet gepriesen. Pli-
nius, der ihn zweimal mit dem sonst unbekannten Theri-
machos
als Maler und als Bildhauer anführt, verbindet ihn
an der dritten Stelle 1) mit Apelles, Melanthios, Nikomachos
in ganz ähnlichem Sinne, wie Cicero im Brutus. Lucian
endlich vereinigt 2) Apelles, Parrhasios, Aetion, Euphranor,
und eben so 3) Polygnot, Euphranor, Apelles, Aetion, und
zwar als Künstler einer längst vergangenen Zeit (τῶν παλαιῶν
τινας ἐκείνων τεΧνιτῶν), wie sie „jetzt“ nicht mehr zu finden
seien (ἐπεὶ δὲ ἄποϱον νῦν εὑϱεῖν τινα οὕτως γενναῖον καὶ ἀκϱιβῆ
τὴν τέΧνην). Demnach erscheint Aetion stets in der Gesell-
schaft der ausgezeichnetsten Künstler, namentlich neben
Apelles und seinen Zeitgenossen als Repräsentanten der
vollendetsten Entwicklung. Hiermit trifft vollkommen die
Zeitbestimmung des Plinius überein, der ihn mit Therimachos
in die 107te Olympiade setzt, womit schliesslich im besten
Einklange steht, dass er nach Lucian in der Aetion oder
Herodot betitelten Schrift die Hochzeit Alexanders mit der
Rhoxane malte, welche in den Anfang der 113ten Olympiade
fällt. Im Gegensatze gegen alle diese Zeugnisse nimmt aber
Müller 4) an einem einzelnen Ausdrucke des Lucian Anstoss
und will in Folge dessen den Künstler bis nahe an die Zeit
dieses Schriftstellers, d. h. in die Epoche Hadrians herab-
rücken. Der Zusammenhang ist folgender: „Herodot, heisst
es, hatte den glücklichen Gedanken, seine Werke in Olympia
vorzulesen, wodurch er schnell zu bedeutendem Ruhme ge-
langte. Ihm folgten darin Hippias, Prodikos, Anaximenes und
viele andere. Aber wozu ist es nöthig, auf alte Sophisten, Schrift-
steller und Geschichtsschreiber zurückzugehen, da ja „καὶ τὰ τε-
λευταῖα ταῦτα“ auch Aetion, der Maler, sein Bild des Alexander
und der Rhoxane nach Olympia gebracht und in Folge dieser
Ausstellung die Tochter des Hellanodiken Proxenidas zur Frau
erhalten haben soll.“ Ich will hier von der historischen Schwie-
rigkeit einer hohen Blüthe der Malerei unter Hadrian ganz abse-
hen. Mit Recht aber bemerkt Stark, dass das Thatsächliche der
Erzählung, die Feier der Olympien als eines grossen hellenischen

1) 35, 50.
2) de merc. cond. 42.
3) imagg. 7.
4) Arch. §. 211.
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[244/0252] als vollendete Maler im Gegensatz zur älteren Schule; in den Paradoxen wird ein Gemälde des Aetion als etwas so vorzügliches, wie eine Statue des Polyklet gepriesen. Pli- nius, der ihn zweimal mit dem sonst unbekannten Theri- machos als Maler und als Bildhauer anführt, verbindet ihn an der dritten Stelle 1) mit Apelles, Melanthios, Nikomachos in ganz ähnlichem Sinne, wie Cicero im Brutus. Lucian endlich vereinigt 2) Apelles, Parrhasios, Aetion, Euphranor, und eben so 3) Polygnot, Euphranor, Apelles, Aetion, und zwar als Künstler einer längst vergangenen Zeit (τῶν παλαιῶν τινας ἐκείνων τεΧνιτῶν), wie sie „jetzt“ nicht mehr zu finden seien (ἐπεὶ δὲ ἄποϱον νῦν εὑϱεῖν τινα οὕτως γενναῖον καὶ ἀκϱιβῆ τὴν τέΧνην). Demnach erscheint Aetion stets in der Gesell- schaft der ausgezeichnetsten Künstler, namentlich neben Apelles und seinen Zeitgenossen als Repräsentanten der vollendetsten Entwicklung. Hiermit trifft vollkommen die Zeitbestimmung des Plinius überein, der ihn mit Therimachos in die 107te Olympiade setzt, womit schliesslich im besten Einklange steht, dass er nach Lucian in der Aetion oder Herodot betitelten Schrift die Hochzeit Alexanders mit der Rhoxane malte, welche in den Anfang der 113ten Olympiade fällt. Im Gegensatze gegen alle diese Zeugnisse nimmt aber Müller 4) an einem einzelnen Ausdrucke des Lucian Anstoss und will in Folge dessen den Künstler bis nahe an die Zeit dieses Schriftstellers, d. h. in die Epoche Hadrians herab- rücken. Der Zusammenhang ist folgender: „Herodot, heisst es, hatte den glücklichen Gedanken, seine Werke in Olympia vorzulesen, wodurch er schnell zu bedeutendem Ruhme ge- langte. Ihm folgten darin Hippias, Prodikos, Anaximenes und viele andere. Aber wozu ist es nöthig, auf alte Sophisten, Schrift- steller und Geschichtsschreiber zurückzugehen, da ja „καὶ τὰ τε- λευταῖα ταῦτα“ auch Aetion, der Maler, sein Bild des Alexander und der Rhoxane nach Olympia gebracht und in Folge dieser Ausstellung die Tochter des Hellanodiken Proxenidas zur Frau erhalten haben soll.“ Ich will hier von der historischen Schwie- rigkeit einer hohen Blüthe der Malerei unter Hadrian ganz abse- hen. Mit Recht aber bemerkt Stark, dass das Thatsächliche der Erzählung, die Feier der Olympien als eines grossen hellenischen 1) 35, 50. 2) de merc. cond. 42. 3) imagg. 7. 4) Arch. §. 211.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/252>, abgerufen am 22.11.2024.