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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856.

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sie keinen Stoff; ja ausser Plutarch und Pausanias, welche
das Bild des Aristratos, den Eros und die Methe des Pausias
erwähnen, ist es ausschliesslich Plinius, welcher einzelne
Werke von ihnen namhaft macht; und auch das sind ver-
hältnissmässig doch nur wenige. Auch nicht eine einsei-
tige Bevorzugung der Farbe oder der Form, wie sie mehr
oder weniger bei Zeuxis und Parrhasios sich findet, tritt
uns bei den Sikyoniern entgegen. Aber wenn sie freilich
auch nicht durch Zauber und Schmelz der Farbe, durch
Leichtigkeit und Feinheit in der Behandlung der Form die
Bewunderung der Menge hervorrufen wie jene Maler, so ist
bei ihnen dafür den beiden häufig in einem gewissen Gegen-
satzes tehenden Seiten der tekhne eine gleichmässige Berücksich-
tigung zu Theil geworden, und vermöge dieser umsichtigen,
ihres Zieles sich stets bewussten Durchbildung ist es ihnen
gelungen, auch die schwierigsten Probleme mit sicherem
Erfolge zu lösen. Schlagend also bezeichnet Plutarch 1) das
Wesen dieser Schule durch den Ausdruck: khrestographia: die
Solidität und Tüchtigkeit der Durchführung ist es, welche ih-
ren Werken den Beifall weniger des grossen Haufens, um so
mehr aber der eigentlichen Kenner sicherte. Gerade der-
selben Erscheinung begegnen wir in der Schule des Poly-
klet; und wir dürfen uns daher um so weniger wundern,
wenn auch die Stellung der sikyonischen Maler zu der ge-
sammten übrigen Entwickelung ihrer Kunst eine durchaus
analoge ist. Wir erkannten eins der wesentlichsten Ver-
dienste des Polyklet in der bewahrenden Kraft, welche seiner
Lehre inne wohnte; ja wir schrieben es hauptsächlich sei-
nem Einflusse zu, dass sich die griechische Kunst so lange
von Willkür und Ausschweifungen rein erhielt. 2) Aehnlich
war es auch in der Malerei die Schule von Sikyon, welche
allein, wie Plutarch sagt, das Schöne unverdorben bewahrte,
und, wie uns das Beispiel des Apelles lehrt, ihren Einfluss
auch weit über die Grenzen von Sikyon hinaus verbreitete,
ja bis auf die gesammten Bildungsverhältnisse erstreckte, in-
dem sie zeigte, dass bei der allgemeinen Erziehung des Gei-
stes auch der Kunst eine selbstständige Stelle gebühre.

Wie aber Polyklet und seine Schule durch die genannten Ei-

1) Arat. 12.
2) vgl. I, S. 232 u. 308.

sie keinen Stoff; ja ausser Plutarch und Pausanias, welche
das Bild des Aristratos, den Eros und die Methe des Pausias
erwähnen, ist es ausschliesslich Plinius, welcher einzelne
Werke von ihnen namhaft macht; und auch das sind ver-
hältnissmässig doch nur wenige. Auch nicht eine einsei-
tige Bevorzugung der Farbe oder der Form, wie sie mehr
oder weniger bei Zeuxis und Parrhasios sich findet, tritt
uns bei den Sikyoniern entgegen. Aber wenn sie freilich
auch nicht durch Zauber und Schmelz der Farbe, durch
Leichtigkeit und Feinheit in der Behandlung der Form die
Bewunderung der Menge hervorrufen wie jene Maler, so ist
bei ihnen dafür den beiden häufig in einem gewissen Gegen-
satzes tehenden Seiten der τέχνη eine gleichmässige Berücksich-
tigung zu Theil geworden, und vermöge dieser umsichtigen,
ihres Zieles sich stets bewussten Durchbildung ist es ihnen
gelungen, auch die schwierigsten Probleme mit sicherem
Erfolge zu lösen. Schlagend also bezeichnet Plutarch 1) das
Wesen dieser Schule durch den Ausdruck: χϱηστογϱαφία: die
Solidität und Tüchtigkeit der Durchführung ist es, welche ih-
ren Werken den Beifall weniger des grossen Haufens, um so
mehr aber der eigentlichen Kenner sicherte. Gerade der-
selben Erscheinung begegnen wir in der Schule des Poly-
klet; und wir dürfen uns daher um so weniger wundern,
wenn auch die Stellung der sikyonischen Maler zu der ge-
sammten übrigen Entwickelung ihrer Kunst eine durchaus
analoge ist. Wir erkannten eins der wesentlichsten Ver-
dienste des Polyklet in der bewahrenden Kraft, welche seiner
Lehre inne wohnte; ja wir schrieben es hauptsächlich sei-
nem Einflusse zu, dass sich die griechische Kunst so lange
von Willkür und Ausschweifungen rein erhielt. 2) Aehnlich
war es auch in der Malerei die Schule von Sikyon, welche
allein, wie Plutarch sagt, das Schöne unverdorben bewahrte,
und, wie uns das Beispiel des Apelles lehrt, ihren Einfluss
auch weit über die Grenzen von Sikyon hinaus verbreitete,
ja bis auf die gesammten Bildungsverhältnisse erstreckte, in-
dem sie zeigte, dass bei der allgemeinen Erziehung des Gei-
stes auch der Kunst eine selbstständige Stelle gebühre.

Wie aber Polyklet und seine Schule durch die genannten Ei-

1) Arat. 12.
2) vgl. I, S. 232 u. 308.
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[264/0272] sie keinen Stoff; ja ausser Plutarch und Pausanias, welche das Bild des Aristratos, den Eros und die Methe des Pausias erwähnen, ist es ausschliesslich Plinius, welcher einzelne Werke von ihnen namhaft macht; und auch das sind ver- hältnissmässig doch nur wenige. Auch nicht eine einsei- tige Bevorzugung der Farbe oder der Form, wie sie mehr oder weniger bei Zeuxis und Parrhasios sich findet, tritt uns bei den Sikyoniern entgegen. Aber wenn sie freilich auch nicht durch Zauber und Schmelz der Farbe, durch Leichtigkeit und Feinheit in der Behandlung der Form die Bewunderung der Menge hervorrufen wie jene Maler, so ist bei ihnen dafür den beiden häufig in einem gewissen Gegen- satzes tehenden Seiten der τέχνη eine gleichmässige Berücksich- tigung zu Theil geworden, und vermöge dieser umsichtigen, ihres Zieles sich stets bewussten Durchbildung ist es ihnen gelungen, auch die schwierigsten Probleme mit sicherem Erfolge zu lösen. Schlagend also bezeichnet Plutarch 1) das Wesen dieser Schule durch den Ausdruck: χϱηστογϱαφία: die Solidität und Tüchtigkeit der Durchführung ist es, welche ih- ren Werken den Beifall weniger des grossen Haufens, um so mehr aber der eigentlichen Kenner sicherte. Gerade der- selben Erscheinung begegnen wir in der Schule des Poly- klet; und wir dürfen uns daher um so weniger wundern, wenn auch die Stellung der sikyonischen Maler zu der ge- sammten übrigen Entwickelung ihrer Kunst eine durchaus analoge ist. Wir erkannten eins der wesentlichsten Ver- dienste des Polyklet in der bewahrenden Kraft, welche seiner Lehre inne wohnte; ja wir schrieben es hauptsächlich sei- nem Einflusse zu, dass sich die griechische Kunst so lange von Willkür und Ausschweifungen rein erhielt. 2) Aehnlich war es auch in der Malerei die Schule von Sikyon, welche allein, wie Plutarch sagt, das Schöne unverdorben bewahrte, und, wie uns das Beispiel des Apelles lehrt, ihren Einfluss auch weit über die Grenzen von Sikyon hinaus verbreitete, ja bis auf die gesammten Bildungsverhältnisse erstreckte, in- dem sie zeigte, dass bei der allgemeinen Erziehung des Gei- stes auch der Kunst eine selbstständige Stelle gebühre. Wie aber Polyklet und seine Schule durch die genannten Ei- 1) Arat. 12. 2) vgl. I, S. 232 u. 308.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/272>, abgerufen am 24.11.2024.