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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856.

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zunächst nur darauf hingewiesen, dass trotz so hoher Vor-
trefflichkeit sich doch nirgends bis an das Ende der vorlie-
genden Periode eine eigentliche Schule der Historienmalerei
findet. Was die Sikyonier zu ihrer Förderung beitrugen,
ward bei Gelegenheit des Pausias erwähnt; sonst darf man
ihrer ganzen Geistesrichtung nach die Attiker für noch mehr
befähigt halten, darin Grosses zu leisten; und dass sie wenig-
stens nicht zurückblieben, zeigt der Ruhm des Schlachtbildes
von Euphranor. Wenn sie sich nicht noch mehr und nicht aus-
schliesslicher auf diesem Gebiete bewegten, so hat das seinen
Grund offenbar darin, dass Athen als Staat nicht mehr geneigt
und nicht fähig war, die Pflege dieses Kunstzweiges zu über-
nehmen. Dies hätte man nun wohl von Alexander erwarten sol-
len. Aber ist es ein blosser Zufall, dass nirgends erzählt wird,
Alexander habe von einem namhaften Künstler die bildliche
Darstellung einer seiner Schlachten verlangt, während doch
z. B. Philoxenos eine solche für Kassander malte, und Ly-
sipp und Leochares eine Jagd des Alexander für Krateros aus-
führten, und während doch sonst der grosse König nicht aus-
ser Beziehung zur Kunst und zu den Künstlern dasteht? Mir
scheint diese auffallende Thatsache einen tieferen Grund zu
haben. Es war die Idee der Weltherrschaft, welche Alexan-
ders ganzes Wesen erfüllte; und einzelne Thaten und
Schlachten, wenn sie auch genügten, eine jede für sich
ihm unsterblichen Ruhm zu erwerben, hatten für ihn doch
nur in so weit Werth, als sie zur Verwirklichung dieser Idee
beitrugen. Daher konnte es ihm auch in der Kunst nicht
sowohl auf die Vergegenwärtigung seiner Thaten, als auf
die Darstellung dessen ankommen, was er durch dieselben
geworden war. Selbst in einem Ehrendenkmal, wie das
war, welches er den am Granikos gefallenen Reitern stiftete,
ist die Beziehung auf die einzelne Schlacht zurückgedrängt:
es sind die Helden, in deren Mitte Alexander seines end-
lichen Sieges gewiss sein konnte, welche er dem Lysipp vor-
zuführen auftrug. Daraus erklärt sich auch, weshalb gerade
Apelles in so hervorragender Weise die Gunst Alexanders
zu gewinnen vermochte. Denn die künstlerischen Anschau-
ungen des Apelles, der überall in seinen Gestalten einen be-
stimmten Gedanken zu verkörpern bestrebt war, kamen den
Wünschen des Königs auf das Wunderbarste entgegen; und

zunächst nur darauf hingewiesen, dass trotz so hoher Vor-
trefflichkeit sich doch nirgends bis an das Ende der vorlie-
genden Periode eine eigentliche Schule der Historienmalerei
findet. Was die Sikyonier zu ihrer Förderung beitrugen,
ward bei Gelegenheit des Pausias erwähnt; sonst darf man
ihrer ganzen Geistesrichtung nach die Attiker für noch mehr
befähigt halten, darin Grosses zu leisten; und dass sie wenig-
stens nicht zurückblieben, zeigt der Ruhm des Schlachtbildes
von Euphranor. Wenn sie sich nicht noch mehr und nicht aus-
schliesslicher auf diesem Gebiete bewegten, so hat das seinen
Grund offenbar darin, dass Athen als Staat nicht mehr geneigt
und nicht fähig war, die Pflege dieses Kunstzweiges zu über-
nehmen. Dies hätte man nun wohl von Alexander erwarten sol-
len. Aber ist es ein blosser Zufall, dass nirgends erzählt wird,
Alexander habe von einem namhaften Künstler die bildliche
Darstellung einer seiner Schlachten verlangt, während doch
z. B. Philoxenos eine solche für Kassander malte, und Ly-
sipp und Leochares eine Jagd des Alexander für Krateros aus-
führten, und während doch sonst der grosse König nicht aus-
ser Beziehung zur Kunst und zu den Künstlern dasteht? Mir
scheint diese auffallende Thatsache einen tieferen Grund zu
haben. Es war die Idee der Weltherrschaft, welche Alexan-
ders ganzes Wesen erfüllte; und einzelne Thaten und
Schlachten, wenn sie auch genügten, eine jede für sich
ihm unsterblichen Ruhm zu erwerben, hatten für ihn doch
nur in so weit Werth, als sie zur Verwirklichung dieser Idee
beitrugen. Daher konnte es ihm auch in der Kunst nicht
sowohl auf die Vergegenwärtigung seiner Thaten, als auf
die Darstellung dessen ankommen, was er durch dieselben
geworden war. Selbst in einem Ehrendenkmal, wie das
war, welches er den am Granikos gefallenen Reitern stiftete,
ist die Beziehung auf die einzelne Schlacht zurückgedrängt:
es sind die Helden, in deren Mitte Alexander seines end-
lichen Sieges gewiss sein konnte, welche er dem Lysipp vor-
zuführen auftrug. Daraus erklärt sich auch, weshalb gerade
Apelles in so hervorragender Weise die Gunst Alexanders
zu gewinnen vermochte. Denn die künstlerischen Anschau-
ungen des Apelles, der überall in seinen Gestalten einen be-
stimmten Gedanken zu verkörpern bestrebt war, kamen den
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[270/0278] zunächst nur darauf hingewiesen, dass trotz so hoher Vor- trefflichkeit sich doch nirgends bis an das Ende der vorlie- genden Periode eine eigentliche Schule der Historienmalerei findet. Was die Sikyonier zu ihrer Förderung beitrugen, ward bei Gelegenheit des Pausias erwähnt; sonst darf man ihrer ganzen Geistesrichtung nach die Attiker für noch mehr befähigt halten, darin Grosses zu leisten; und dass sie wenig- stens nicht zurückblieben, zeigt der Ruhm des Schlachtbildes von Euphranor. Wenn sie sich nicht noch mehr und nicht aus- schliesslicher auf diesem Gebiete bewegten, so hat das seinen Grund offenbar darin, dass Athen als Staat nicht mehr geneigt und nicht fähig war, die Pflege dieses Kunstzweiges zu über- nehmen. Dies hätte man nun wohl von Alexander erwarten sol- len. Aber ist es ein blosser Zufall, dass nirgends erzählt wird, Alexander habe von einem namhaften Künstler die bildliche Darstellung einer seiner Schlachten verlangt, während doch z. B. Philoxenos eine solche für Kassander malte, und Ly- sipp und Leochares eine Jagd des Alexander für Krateros aus- führten, und während doch sonst der grosse König nicht aus- ser Beziehung zur Kunst und zu den Künstlern dasteht? Mir scheint diese auffallende Thatsache einen tieferen Grund zu haben. Es war die Idee der Weltherrschaft, welche Alexan- ders ganzes Wesen erfüllte; und einzelne Thaten und Schlachten, wenn sie auch genügten, eine jede für sich ihm unsterblichen Ruhm zu erwerben, hatten für ihn doch nur in so weit Werth, als sie zur Verwirklichung dieser Idee beitrugen. Daher konnte es ihm auch in der Kunst nicht sowohl auf die Vergegenwärtigung seiner Thaten, als auf die Darstellung dessen ankommen, was er durch dieselben geworden war. Selbst in einem Ehrendenkmal, wie das war, welches er den am Granikos gefallenen Reitern stiftete, ist die Beziehung auf die einzelne Schlacht zurückgedrängt: es sind die Helden, in deren Mitte Alexander seines end- lichen Sieges gewiss sein konnte, welche er dem Lysipp vor- zuführen auftrug. Daraus erklärt sich auch, weshalb gerade Apelles in so hervorragender Weise die Gunst Alexanders zu gewinnen vermochte. Denn die künstlerischen Anschau- ungen des Apelles, der überall in seinen Gestalten einen be- stimmten Gedanken zu verkörpern bestrebt war, kamen den Wünschen des Königs auf das Wunderbarste entgegen; und

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/278>, abgerufen am 24.11.2024.