hin, dass der peloponnesische Krieg den Geist des gesamm- ten Griechenlands in seinen innersten Tiefen umgewandelt hatte. Die mit Mässigung gepaarte energische Thatkraft war überall einer leidenschaftlichen Erregtheit oder deren Gegentheil, der Passivität oder Erschlaffung gewichen. Das Leben der Seele, des Gefühls, oder gar die blosse Sinn- lichkeit hatten die Herrschaft über den Geist errungen. So begann man naturgemäss auch in der Kunst die Aufmerk- samkeit immer mehr von dem inneren, gleichmässig dauern- den Wesen der Dinge ab und auf die mannigfach wech- selnden Aeusserungen desselben, auf die Stimmungen und Leidenschaften hinzulenken; namentlich aber musste in der Malerei, welche noch weit mehr als die Bildhauerei durch den Schein zu wirken angewiesen ist, sich diese neue Rich- tung der Zeit schnell bemerklich machen. Daher ist sie denn schon bei Zeuxis und Parrhasios zu voller Herrschaft gelangt; und was die auf sie folgende Periode bietet, ist nur die weitere und umfassendere Entwickelung der neu gewon- nenen Grundlage. So war durch Parrhasios der Blick für das Psychologische geschärft, und es war dadurch möglich geworden, auch die flüchtigsten und vorübergehendsten Stim- mungen im Kunstwerke festzuhalten. Es erschloss sich da- durch in der Darstellung des Gefühls- und Seelenlebens ein neues und weites Gebiet; und unter der Hand des Aristides schien die Kunst sogar wieder zu grosser Innerlichkeit und Tiefe zurückkehren zu wollen. Allein das Wesen seiner Persönlichkeit liess sich nicht nach Belieben auf Andere übertragen, und die Zeit drängte im Gegentheil zu einem mehr sinnlich fassbaren Ausdruck menschlicher Kraft und Leidenschaft. So schlägt die Richtung des Aristides plötz- lich in den Realismus des Euphranor um, der sofort einen weit verbreiteten Einfluss gewinnt. Dies geschieht zunächst innerhalb der Schule, wo uns die Leistungen des Nikias nur die weitere und bewusstere Entwickelung der von Eu- phranor zuerst befolgten Grundsätze zeigen; aber auch in den Werken des Antiphilos, des Theon lässt sich ein ähn- licher Geist nicht verkennen. Denn den effeetvollen Compo- sitionen des Letzteren lag offenbar keine andere Absicht zu Grunde, als die, auf diesem Wege die durch die Kunst dar- zustellende Handlung in so lebendiger Schilderung dem Be-
Brunn, Geschichte der griech. Künstler. II. 18
hin, dass der peloponnesische Krieg den Geist des gesamm- ten Griechenlands in seinen innersten Tiefen umgewandelt hatte. Die mit Mässigung gepaarte energische Thatkraft war überall einer leidenschaftlichen Erregtheit oder deren Gegentheil, der Passivität oder Erschlaffung gewichen. Das Leben der Seele, des Gefühls, oder gar die blosse Sinn- lichkeit hatten die Herrschaft über den Geist errungen. So begann man naturgemäss auch in der Kunst die Aufmerk- samkeit immer mehr von dem inneren, gleichmässig dauern- den Wesen der Dinge ab und auf die mannigfach wech- selnden Aeusserungen desselben, auf die Stimmungen und Leidenschaften hinzulenken; namentlich aber musste in der Malerei, welche noch weit mehr als die Bildhauerei durch den Schein zu wirken angewiesen ist, sich diese neue Rich- tung der Zeit schnell bemerklích machen. Daher ist sie denn schon bei Zeuxis und Parrhasios zu voller Herrschaft gelangt; und was die auf sie folgende Periode bietet, ist nur die weitere und umfassendere Entwickelung der neu gewon- nenen Grundlage. So war durch Parrhasios der Blick für das Psychologische geschärft, und es war dadurch möglich geworden, auch die flüchtigsten und vorübergehendsten Stim- mungen im Kunstwerke festzuhalten. Es erschloss sich da- durch in der Darstellung des Gefühls- und Seelenlebens ein neues und weites Gebiet; und unter der Hand des Aristides schien die Kunst sogar wieder zu grosser Innerlichkeit und Tiefe zurückkehren zu wollen. Allein das Wesen seiner Persönlichkeit liess sich nicht nach Belieben auf Andere übertragen, und die Zeit drängte im Gegentheil zu einem mehr sinnlich fassbaren Ausdruck menschlicher Kraft und Leidenschaft. So schlägt die Richtung des Aristides plötz- lich in den Realismus des Euphranor um, der sofort einen weit verbreiteten Einfluss gewinnt. Dies geschieht zunächst innerhalb der Schule, wo uns die Leistungen des Nikias nur die weitere und bewusstere Entwickelung der von Eu- phranor zuerst befolgten Grundsätze zeigen; aber auch in den Werken des Antiphilos, des Theon lässt sich ein ähn- licher Geist nicht verkennen. Denn den effeetvollen Compo- sitionen des Letzteren lag offenbar keine andere Absicht zu Grunde, als die, auf diesem Wege die durch die Kunst dar- zustellende Handlung in so lebendiger Schilderung dem Be-
Brunn, Geschichte der griech. Künstler. II. 18
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hin, dass der peloponnesische Krieg den Geist des gesamm-
ten Griechenlands in seinen innersten Tiefen umgewandelt
hatte. Die mit Mässigung gepaarte energische Thatkraft
war überall einer leidenschaftlichen Erregtheit oder deren
Gegentheil, der Passivität oder Erschlaffung gewichen. Das
Leben der Seele, des Gefühls, oder gar die blosse Sinn-
lichkeit hatten die Herrschaft über den Geist errungen. So
begann man naturgemäss auch in der Kunst die Aufmerk-
samkeit immer mehr von dem inneren, gleichmässig dauern-
den Wesen der Dinge ab und auf die mannigfach wech-
selnden Aeusserungen desselben, auf die Stimmungen und
Leidenschaften hinzulenken; namentlich aber musste in der
Malerei, welche noch weit mehr als die Bildhauerei durch
den Schein zu wirken angewiesen ist, sich diese neue Rich-
tung der Zeit schnell bemerklích machen. Daher ist sie
denn schon bei Zeuxis und Parrhasios zu voller Herrschaft
gelangt; und was die auf sie folgende Periode bietet, ist nur
die weitere und umfassendere Entwickelung der neu gewon-
nenen Grundlage. So war durch Parrhasios der Blick für
das Psychologische geschärft, und es war dadurch möglich
geworden, auch die flüchtigsten und vorübergehendsten Stim-
mungen im Kunstwerke festzuhalten. Es erschloss sich da-
durch in der Darstellung des Gefühls- und Seelenlebens ein
neues und weites Gebiet; und unter der Hand des Aristides
schien die Kunst sogar wieder zu grosser Innerlichkeit und
Tiefe zurückkehren zu wollen. Allein das Wesen seiner
Persönlichkeit liess sich nicht nach Belieben auf Andere
übertragen, und die Zeit drängte im Gegentheil zu einem
mehr sinnlich fassbaren Ausdruck menschlicher Kraft und
Leidenschaft. So schlägt die Richtung des Aristides plötz-
lich in den Realismus des Euphranor um, der sofort einen
weit verbreiteten Einfluss gewinnt. Dies geschieht zunächst
innerhalb der Schule, wo uns die Leistungen des Nikias
nur die weitere und bewusstere Entwickelung der von Eu-
phranor zuerst befolgten Grundsätze zeigen; aber auch in
den Werken des Antiphilos, des Theon lässt sich ein ähn-
licher Geist nicht verkennen. Denn den effeetvollen Compo-
sitionen des Letzteren lag offenbar keine andere Absicht zu
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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/281>, abgerufen am 24.11.2024.
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