auf einem von dem ihrigen verschiedenen Wege gefunden sind.
Wir lassen die historische Uebersicht dem alphabetischen Verzeichnisse vorangehen. Ihr Inhalt stellt sich uns dadurch als eine Reihe von Sätzen dar, welche sodann durch die folgenden einzelnen Erörterungen ihre weitere Begründung finden.
Historischer Ueberblick.
Die Neigung der Griechen zur Sagenbildung verleugnet sich auch auf dem Gebiete der Architektur nicht, sondern sucht den Mangel historischer Ueberlieferung in den ältesten Zeiten auf verschiedenen Wegen zu ergänzen. Man wünscht überall einen bestimmten Anfang jedes Dinges zu kennen, und so entstehen die Angaben über Erfindungen und Erfin- der, von denen uns z. B. Plinius (VII, c. 57) eine reiche Auswahl darbietet: "Ziegeleien und Hausbau führten zuerst zwei Brüder, Euryalos und Hyperbios, zu Athen ein; früher dienten Höhlen statt der Häuser. Gellius nimmt Toxius, des Caelus Sohn, als Erfinder des Hausbaues aus Lehm an, nach dem Vorbilde der Schwalbennester (§. 194) ... Dach- ziegel erfand Kinyras, des Agriopas Sohn ... Thrason die Mauern, die Thürme nach Aristoteles die Kyklopen, nach Theophrast die Tirynthier (§. 195) ..." Was zur Zimmer- werkstatt gehört, wird (§. 198) dem Dädalos als Erfinder beigelegt. Im Ganzen haben diese Angaben selbst für die mythologische Forschung nur geringen Werth, indem sie, wenigstens in solcher Zusammenstellung wie bei Plinius, einer ziemlich späten theoretisirenden Zeit angehören: jene Listen von Erfindern gehen schwerlich über den Beginn der alexandrinischen Epoche zurück. Vielfach -- und das ist noch der günstigste Fall -- sind sie einfach aus einer andern älteren Klasse mythologischer Ueberlieferungen abgezogen: solchen, welche sich an einzelne wirklich vorhandene Werke anknüpf- ten. Die Mauern von Tirynth sind schon bei Homer be- rühmt; als kyklopisch werden die ältesten polygonen Mauer- bauten vielfach bezeichnet; die Namen des Agrolas und Hy- perbios setzt Pausanias (I, 28, 3) mit dem Bau eines Theils der Mauern der Akropolis von Athen in Verbindung u. s. w. Diesem Kreise von Sagen gehören denn auch manche andere
auf einem von dem ihrigen verschiedenen Wege gefunden sind.
Wir lassen die historische Uebersicht dem alphabetischen Verzeichnisse vorangehen. Ihr Inhalt stellt sich uns dadurch als eine Reihe von Sätzen dar, welche sodann durch die folgenden einzelnen Erörterungen ihre weitere Begründung finden.
Historischer Ueberblick.
Die Neigung der Griechen zur Sagenbildung verleugnet sich auch auf dem Gebiete der Architektur nicht, sondern sucht den Mangel historischer Ueberlieferung in den ältesten Zeiten auf verschiedenen Wegen zu ergänzen. Man wünscht überall einen bestimmten Anfang jedes Dinges zu kennen, und so entstehen die Angaben über Erfindungen und Erfin- der, von denen uns z. B. Plinius (VII, c. 57) eine reiche Auswahl darbietet: „Ziegeleien und Hausbau führten zuerst zwei Brüder, Euryalos und Hyperbios, zu Athen ein; früher dienten Höhlen statt der Häuser. Gellius nimmt Toxius, des Caelus Sohn, als Erfinder des Hausbaues aus Lehm an, nach dem Vorbilde der Schwalbennester (§. 194) … Dach- ziegel erfand Kinyras, des Agriopas Sohn … Thrason die Mauern, die Thürme nach Aristoteles die Kyklopen, nach Theophrast die Tirynthier (§. 195) …“ Was zur Zimmer- werkstatt gehört, wird (§. 198) dem Dädalos als Erfinder beigelegt. Im Ganzen haben diese Angaben selbst für die mythologische Forschung nur geringen Werth, indem sie, wenigstens in solcher Zusammenstellung wie bei Plinius, einer ziemlich späten theoretisirenden Zeit angehören: jene Listen von Erfindern gehen schwerlich über den Beginn der alexandrinischen Epoche zurück. Vielfach — und das ist noch der günstigste Fall — sind sie einfach aus einer andern älteren Klasse mythologischer Ueberlieferungen abgezogen: solchen, welche sich an einzelne wirklich vorhandene Werke anknüpf- ten. Die Mauern von Tirynth sind schon bei Homer be- rühmt; als kyklopisch werden die ältesten polygonen Mauer- bauten vielfach bezeichnet; die Namen des Agrolas und Hy- perbios setzt Pausanias (I, 28, 3) mit dem Bau eines Theils der Mauern der Akropolis von Athen in Verbindung u. s. w. Diesem Kreise von Sagen gehören denn auch manche andere
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auf einem von dem ihrigen verschiedenen Wege gefunden
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Wir lassen die historische Uebersicht dem alphabetischen
Verzeichnisse vorangehen. Ihr Inhalt stellt sich uns dadurch
als eine Reihe von Sätzen dar, welche sodann durch die
folgenden einzelnen Erörterungen ihre weitere Begründung
finden.
Historischer Ueberblick.
Die Neigung der Griechen zur Sagenbildung verleugnet
sich auch auf dem Gebiete der Architektur nicht, sondern
sucht den Mangel historischer Ueberlieferung in den ältesten
Zeiten auf verschiedenen Wegen zu ergänzen. Man wünscht
überall einen bestimmten Anfang jedes Dinges zu kennen,
und so entstehen die Angaben über Erfindungen und Erfin-
der, von denen uns z. B. Plinius (VII, c. 57) eine reiche
Auswahl darbietet: „Ziegeleien und Hausbau führten zuerst
zwei Brüder, Euryalos und Hyperbios, zu Athen ein; früher
dienten Höhlen statt der Häuser. Gellius nimmt Toxius, des
Caelus Sohn, als Erfinder des Hausbaues aus Lehm an,
nach dem Vorbilde der Schwalbennester (§. 194) … Dach-
ziegel erfand Kinyras, des Agriopas Sohn … Thrason die
Mauern, die Thürme nach Aristoteles die Kyklopen, nach
Theophrast die Tirynthier (§. 195) …“ Was zur Zimmer-
werkstatt gehört, wird (§. 198) dem Dädalos als Erfinder
beigelegt. Im Ganzen haben diese Angaben selbst für die
mythologische Forschung nur geringen Werth, indem sie,
wenigstens in solcher Zusammenstellung wie bei Plinius,
einer ziemlich späten theoretisirenden Zeit angehören: jene
Listen von Erfindern gehen schwerlich über den Beginn der
alexandrinischen Epoche zurück. Vielfach — und das ist noch
der günstigste Fall — sind sie einfach aus einer andern älteren
Klasse mythologischer Ueberlieferungen abgezogen: solchen,
welche sich an einzelne wirklich vorhandene Werke anknüpf-
ten. Die Mauern von Tirynth sind schon bei Homer be-
rühmt; als kyklopisch werden die ältesten polygonen Mauer-
bauten vielfach bezeichnet; die Namen des Agrolas und Hy-
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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/330>, abgerufen am 27.11.2024.
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