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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856.

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auch zuvor auf die Steinigung des Aias angetragen hatte."
Eben so heben sich schon durch den örtlichen Gegensatz die
Charaktere des Neoptolemos und Nestor "des jüngsten und
des ältesten der Heroen, des Helden neuen Anwuchses und
des Greises aus früheren Geschlechtern: Neoptolemos der
einzige, der in der Stadt noch mordet, und Nestor der ein-
zige von den Heroen, der auf der andern Seite der Akropo-
lis jenem gegenüber, der Rache schon müde, schon gerüstet
zur Abreise erscheint" (Welcker S. 15.).

Wo in der Anlage und Anordnung Alles so bedeutsam
ist, da dürfen wir füglich voraussetzen, dass nun auch in der
Ausführung der geistige Ausdruck der Tiefe des Gedankens
entsprochen habe. Und in der That fehlt es in den Beschrei-
bungen des Pausanias nicht an Belegen für diese Vorausset-
zung. Er erwähnt den Ausdruck der Klage in den Bildern
der kriegsgefangenen Troerinnen, den Ausdruck der Trauer,
der sich über die ganze Familie des Antenor verbreitete.
Briseis, Diomede, Iphis stehen da in bewundernder Betrach-
tung der Schönheit Helena's, Demophon in nachdenkender
Erwartung, ob Helena die Freilassung der Aethra gewähren
wird. Elasos schien eben seine Seele aushauchen zu wol-
len. Medusa umfasst voll Entsetzen ein Weihbecken, ein
kleiner Knabe den Altar; ein Kind im Schosse eines Eunu-
chen bedeckt sich die Augen, Astyanax ergreift die Brust
der Mutter. Während aber hier der Ausdruck durch die
Handlung oder durch die besondere Lage der Person bedingt
erscheint, finden wir nicht minder andere Gestalten, in denen
diese Handlungen und Zustände nur als die äussere Darstel-
lung des innersten geistigen Wesens zu betrachten sind. So
sagt Pausanias von Helenos, er sitze ganz besonders nieder-
geschlagen da, und man würde ihn auch ohne die Ueberschrift
des Namens erkannt haben. Offenbar war also hier der Cha-
rakter des Sehers vortrefflich ausgedrückt, der das Unglück
seines Vaterlandes schon längst vorausgesehen, und wider
seinen Willen selbst es noch beschleunigen musste. Aehnli-
ches sprach auch vielleicht aus dem Antlitz der Kassandra,
an welcher Lucian 1) die hohe Würde der Augenbrauen
hervorhebt. So tritt uns in dem Bilde der Unterwelt in

1) Imagg. 7.

auch zuvor auf die Steinigung des Aias angetragen hatte.“
Eben so heben sich schon durch den örtlichen Gegensatz die
Charaktere des Neoptolemos und Nestor „des jüngsten und
des ältesten der Heroen, des Helden neuen Anwuchses und
des Greises aus früheren Geschlechtern: Neoptolemos der
einzige, der in der Stadt noch mordet, und Nestor der ein-
zige von den Heroen, der auf der andern Seite der Akropo-
lis jenem gegenüber, der Rache schon müde, schon gerüstet
zur Abreise erscheint“ (Welcker S. 15.).

Wo in der Anlage und Anordnung Alles so bedeutsam
ist, da dürfen wir füglich voraussetzen, dass nun auch in der
Ausführung der geistige Ausdruck der Tiefe des Gedankens
entsprochen habe. Und in der That fehlt es in den Beschrei-
bungen des Pausanias nicht an Belegen für diese Vorausset-
zung. Er erwähnt den Ausdruck der Klage in den Bildern
der kriegsgefangenen Troerinnen, den Ausdruck der Trauer,
der sich über die ganze Familie des Antenor verbreitete.
Brisëis, Diomede, Iphis stehen da in bewundernder Betrach-
tung der Schönheit Helena’s, Demophon in nachdenkender
Erwartung, ob Helena die Freilassung der Aethra gewähren
wird. Elasos schien eben seine Seele aushauchen zu wol-
len. Medusa umfasst voll Entsetzen ein Weihbecken, ein
kleiner Knabe den Altar; ein Kind im Schosse eines Eunu-
chen bedeckt sich die Augen, Astyanax ergreift die Brust
der Mutter. Während aber hier der Ausdruck durch die
Handlung oder durch die besondere Lage der Person bedingt
erscheint, finden wir nicht minder andere Gestalten, in denen
diese Handlungen und Zustände nur als die äussere Darstel-
lung des innersten geistigen Wesens zu betrachten sind. So
sagt Pausanias von Helenos, er sitze ganz besonders nieder-
geschlagen da, und man würde ihn auch ohne die Ueberschrift
des Namens erkannt haben. Offenbar war also hier der Cha-
rakter des Sehers vortrefflich ausgedrückt, der das Unglück
seines Vaterlandes schon längst vorausgesehen, und wider
seinen Willen selbst es noch beschleunigen musste. Aehnli-
ches sprach auch vielleicht aus dem Antlitz der Kassandra,
an welcher Lucian 1) die hohe Würde der Augenbrauen
hervorhebt. So tritt uns in dem Bilde der Unterwelt in

1) Imagg. 7.
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[40/0048] auch zuvor auf die Steinigung des Aias angetragen hatte.“ Eben so heben sich schon durch den örtlichen Gegensatz die Charaktere des Neoptolemos und Nestor „des jüngsten und des ältesten der Heroen, des Helden neuen Anwuchses und des Greises aus früheren Geschlechtern: Neoptolemos der einzige, der in der Stadt noch mordet, und Nestor der ein- zige von den Heroen, der auf der andern Seite der Akropo- lis jenem gegenüber, der Rache schon müde, schon gerüstet zur Abreise erscheint“ (Welcker S. 15.). Wo in der Anlage und Anordnung Alles so bedeutsam ist, da dürfen wir füglich voraussetzen, dass nun auch in der Ausführung der geistige Ausdruck der Tiefe des Gedankens entsprochen habe. Und in der That fehlt es in den Beschrei- bungen des Pausanias nicht an Belegen für diese Vorausset- zung. Er erwähnt den Ausdruck der Klage in den Bildern der kriegsgefangenen Troerinnen, den Ausdruck der Trauer, der sich über die ganze Familie des Antenor verbreitete. Brisëis, Diomede, Iphis stehen da in bewundernder Betrach- tung der Schönheit Helena’s, Demophon in nachdenkender Erwartung, ob Helena die Freilassung der Aethra gewähren wird. Elasos schien eben seine Seele aushauchen zu wol- len. Medusa umfasst voll Entsetzen ein Weihbecken, ein kleiner Knabe den Altar; ein Kind im Schosse eines Eunu- chen bedeckt sich die Augen, Astyanax ergreift die Brust der Mutter. Während aber hier der Ausdruck durch die Handlung oder durch die besondere Lage der Person bedingt erscheint, finden wir nicht minder andere Gestalten, in denen diese Handlungen und Zustände nur als die äussere Darstel- lung des innersten geistigen Wesens zu betrachten sind. So sagt Pausanias von Helenos, er sitze ganz besonders nieder- geschlagen da, und man würde ihn auch ohne die Ueberschrift des Namens erkannt haben. Offenbar war also hier der Cha- rakter des Sehers vortrefflich ausgedrückt, der das Unglück seines Vaterlandes schon längst vorausgesehen, und wider seinen Willen selbst es noch beschleunigen musste. Aehnli- ches sprach auch vielleicht aus dem Antlitz der Kassandra, an welcher Lucian 1) die hohe Würde der Augenbrauen hervorhebt. So tritt uns in dem Bilde der Unterwelt in 1) Imagg. 7.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/48>, abgerufen am 21.11.2024.