opus dicitur argumentorsum. Denn trotz der geringen Zahl der Personen bietet ihre Zusammenstellung eine unerwartete Fülle von künstlerischen Motiven, den Trug des Odysseus, die Leichtgläubigkeit des Priamos, die Verstellung der He- lena, Motive, welche ein tiefes Verständniss des psycholo- gischen Ausdruckes voraussetzen. Ein ähnliches psychologi- sches Interesse, welches auch dem Bilde des Ankaeos nicht fremd sein mochte, wird nun Aristophon auch einem dritten Werke verliehen haben: dem Bilde des Philoktetes: Plut. de aud. poet. p. 18 C; quaest. conv. V, 1, p. 674 A. Man könnte versucht sein, eine Beschreibung des jüngeren Philostratus (18) auf dieses Gemälde zu beziehen, wenn nicht Parrhasios denselben Gegenstand behandelt hätte und zwar, wie es scheint, in einer jener Beschreibung durchaus entsprechenden Weise. -- Aus- serdem bleiben noch jene beiden Gemälde zu erwähnen, welche Satyrus bei Athenaeus (XII, 534 D) dem Aglaophon zuschreibt, während Plutarch (Alcib. 16) wenigstens eines derselben als Werk des Aristophon anführt: Alkibiades von Olympias und Pythias gekrönt; und Alkibiades, schöner von Gesicht als die Frauen, auf den Knien der Nemea sitzend und in ihren Armen ruhend. -- Blicken wir namentlich auf die drei ersten Gemälde, so mögen wir einen Einfluss des Polygnot auf seinen Bruder gern darin zugeben, dass auch dieser noch vorzugsweise sein Augenmerk auf eine bedeu- tungsvolle geistige Charakteristik lenkte. Aber ein höchst wesentlicher Unterschied zeigt sich schon äusserlich in dem Umfange der Werke beider Brüder. Bei Aristophon er- scheint als selbstständiges Bild, was bei Polygnot meist nur den Werth einer Episode gehabt haben würde. Die Werke des Aristophon sind Staffeleibilder, wie sie erst im Anfange der nächsten Periode eine überwiegende Geltung gewinnen. Dass aber die ganze Behandlung solcher Gemälde wesentlich ver- schieden sein musste von der jener grossen und umfangrei- chen, zum Schmucke von Tempeln und Hallen bestimmten Schöpfungen, leuchtet theils an sich ein, theils wird es durch spätere Erörterungen in ein noch helleres Licht ge- setzt werden.
Ein Landsmann des Aristophon war:
Neseus, der Lehrer des Zeuxis, wie ein Theil der For- scher des Alterthums glaubte: Plin. 35, 61. Auf die Zeit
opus dicitur argumentorsum. Denn trotz der geringen Zahl der Personen bietet ihre Zusammenstellung eine unerwartete Fülle von künstlerischen Motiven, den Trug des Odysseus, die Leichtgläubigkeit des Priamos, die Verstellung der He- lena, Motive, welche ein tiefes Verständniss des psycholo- gischen Ausdruckes voraussetzen. Ein ähnliches psychologi- sches Interesse, welches auch dem Bilde des Ankaeos nicht fremd sein mochte, wird nun Aristophon auch einem dritten Werke verliehen haben: dem Bilde des Philoktetes: Plut. de aud. poet. p. 18 C; quaest. conv. V, 1, p. 674 A. Man könnte versucht sein, eine Beschreibung des jüngeren Philostratus (18) auf dieses Gemälde zu beziehen, wenn nicht Parrhasios denselben Gegenstand behandelt hätte und zwar, wie es scheint, in einer jener Beschreibung durchaus entsprechenden Weise. — Aus- serdem bleiben noch jene beiden Gemälde zu erwähnen, welche Satyrus bei Athenaeus (XII, 534 D) dem Aglaophon zuschreibt, während Plutarch (Alcib. 16) wenigstens eines derselben als Werk des Aristophon anführt: Alkibiades von Olympias und Pythias gekrönt; und Alkibiades, schöner von Gesicht als die Frauen, auf den Knien der Nemea sitzend und in ihren Armen ruhend. — Blicken wir namentlich auf die drei ersten Gemälde, so mögen wir einen Einfluss des Polygnot auf seinen Bruder gern darin zugeben, dass auch dieser noch vorzugsweise sein Augenmerk auf eine bedeu- tungsvolle geistige Charakteristik lenkte. Aber ein höchst wesentlicher Unterschied zeigt sich schon äusserlich in dem Umfange der Werke beider Brüder. Bei Aristophon er- scheint als selbstständiges Bild, was bei Polygnot meist nur den Werth einer Episode gehabt haben würde. Die Werke des Aristophon sind Staffeleibilder, wie sie erst im Anfange der nächsten Periode eine überwiegende Geltung gewinnen. Dass aber die ganze Behandlung solcher Gemälde wesentlich ver- schieden sein musste von der jener grossen und umfangrei- chen, zum Schmucke von Tempeln und Hallen bestimmten Schöpfungen, leuchtet theils an sich ein, theils wird es durch spätere Erörterungen in ein noch helleres Licht ge- setzt werden.
Ein Landsmann des Aristophon war:
Neseus, der Lehrer des Zeuxis, wie ein Theil der For- scher des Alterthums glaubte: Plin. 35, 61. Auf die Zeit
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opus dicitur argumentorsum. Denn trotz der geringen Zahl
der Personen bietet ihre Zusammenstellung eine unerwartete
Fülle von künstlerischen Motiven, den Trug des Odysseus,
die Leichtgläubigkeit des Priamos, die Verstellung der He-
lena, Motive, welche ein tiefes Verständniss des psycholo-
gischen Ausdruckes voraussetzen. Ein ähnliches psychologi-
sches Interesse, welches auch dem Bilde des Ankaeos nicht
fremd sein mochte, wird nun Aristophon auch einem dritten
Werke verliehen haben: dem Bilde des Philoktetes: Plut. de aud.
poet. p. 18 C; quaest. conv. V, 1, p. 674 A. Man könnte versucht
sein, eine Beschreibung des jüngeren Philostratus (18) auf
dieses Gemälde zu beziehen, wenn nicht Parrhasios denselben
Gegenstand behandelt hätte und zwar, wie es scheint, in einer
jener Beschreibung durchaus entsprechenden Weise. — Aus-
serdem bleiben noch jene beiden Gemälde zu erwähnen,
welche Satyrus bei Athenaeus (XII, 534 D) dem Aglaophon
zuschreibt, während Plutarch (Alcib. 16) wenigstens eines
derselben als Werk des Aristophon anführt: Alkibiades von
Olympias und Pythias gekrönt; und Alkibiades, schöner von
Gesicht als die Frauen, auf den Knien der Nemea sitzend
und in ihren Armen ruhend. — Blicken wir namentlich auf
die drei ersten Gemälde, so mögen wir einen Einfluss des
Polygnot auf seinen Bruder gern darin zugeben, dass auch
dieser noch vorzugsweise sein Augenmerk auf eine bedeu-
tungsvolle geistige Charakteristik lenkte. Aber ein höchst
wesentlicher Unterschied zeigt sich schon äusserlich in dem
Umfange der Werke beider Brüder. Bei Aristophon er-
scheint als selbstständiges Bild, was bei Polygnot meist nur
den Werth einer Episode gehabt haben würde. Die Werke des
Aristophon sind Staffeleibilder, wie sie erst im Anfange der
nächsten Periode eine überwiegende Geltung gewinnen. Dass
aber die ganze Behandlung solcher Gemälde wesentlich ver-
schieden sein musste von der jener grossen und umfangrei-
chen, zum Schmucke von Tempeln und Hallen bestimmten
Schöpfungen, leuchtet theils an sich ein, theils wird es
durch spätere Erörterungen in ein noch helleres Licht ge-
setzt werden.
Ein Landsmann des Aristophon war:
Neseus, der Lehrer des Zeuxis, wie ein Theil der For-
scher des Alterthums glaubte: Plin. 35, 61. Auf die Zeit
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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/62>, abgerufen am 23.11.2024.
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