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Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856.

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darum vermissen wir hier eine rein malerische Nachbildung
der Wirklichkeit weit weniger, als in einem Tafelbilde, wel-
ches einen grossen Theil seines Werthes erst durch die
Durchführung im Einzelnen erhält.

Machen wir jetzt hiervon die Anwendung auf Polygnot
selbst, so haben wir schon bei Gelegenheit der delphischen
Gemälde auf die strenge, ich darf wohl sagen, architekto-
nische Gliederung der Composition hinweisen müssen. Ueber-
all sondern sich grosse, einander entsprechende Massen, in
denen sich das Auge des Beschauers leicht, wie in dem
Anblicke eines schöngegliederten Tempels, zurecht finden
musste. Ist nun schon diese Art der Composition vorzugs-
weise durch das Wesen der Wandmalerei bedingt, so führt
uns auf dieselbe nicht weniger die Beschränkung in den Mit-
teln eigentlich malerischer Darstellung, welche wir in den
Werken des Polygnot nicht wegzuleugnen vermochten. Denn
mit der Wandmalerei sind die aus jener Beschränkung ent-
springenden Mängel wenigstens in so weit verträglich, dass
davon der übrige hohe Ruhm des Künstlers gänzlich unbe-
rührt bleibt; in der Tafelmalerei dagegen würden sie noth-
wendig ein nicht geringes Gefühl der Unbefriedigung hervor-
bringen müssen. -- Ich leugne nicht, dass diese ganze Be-
trachtungsweise bei Manchem Anstoss erregen kann, insofern
als es scheinen mag, sie beruhe mehr auf einem subjectiven
Gefühle, als auf thatsächlichen Verhältnissen. Wer es jedoch
nicht verschmäht, die Erfahrungen zu Rathe zu ziehen,
welche sich aus der Betrachtung der älteren und der neueren
Kunst gewinnen lassen, der wird schliesslich erkennen müs-
sen, dass jenes Gefühl erst durch historische Thatsachen ge-
leitet und bestimmt worden ist, und dass ihm daher keine
geringere Beweisfähigkeit innewohnt, als einem vereinzelten
äusseren Zeugnisse.

Wenn wir uns demnach die grossen Schöpfungen des
Polygnot und seiner Genossen nur als Wandgemälde ausge-
führt zu denken vermögen, so soll damit die sonstige Aus-
übung der Tafelmalerei für diese Zeit keineswegs geleugnet
werden; ja selbst die genannten Künstler können sich wohl
zuweilen darin versucht haben, wie es z. B. die Erzählung
von künstlerischen Wettkämpfen bei den isthmischen und

5*

darum vermissen wir hier eine rein malerische Nachbildung
der Wirklichkeit weit weniger, als in einem Tafelbilde, wel-
ches einen grossen Theil seines Werthes erst durch die
Durchführung im Einzelnen erhält.

Machen wir jetzt hiervon die Anwendung auf Polygnot
selbst, so haben wir schon bei Gelegenheit der delphischen
Gemälde auf die strenge, ich darf wohl sagen, architekto-
nische Gliederung der Composition hinweisen müssen. Ueber-
all sondern sich grosse, einander entsprechende Massen, in
denen sich das Auge des Beschauers leicht, wie in dem
Anblicke eines schöngegliederten Tempels, zurecht finden
musste. Ist nun schon diese Art der Composition vorzugs-
weise durch das Wesen der Wandmalerei bedingt, so führt
uns auf dieselbe nicht weniger die Beschränkung in den Mit-
teln eigentlich malerischer Darstellung, welche wir in den
Werken des Polygnot nicht wegzuleugnen vermochten. Denn
mit der Wandmalerei sind die aus jener Beschränkung ent-
springenden Mängel wenigstens in so weit verträglich, dass
davon der übrige hohe Ruhm des Künstlers gänzlich unbe-
rührt bleibt; in der Tafelmalerei dagegen würden sie noth-
wendig ein nicht geringes Gefühl der Unbefriedigung hervor-
bringen müssen. — Ich leugne nicht, dass diese ganze Be-
trachtungsweise bei Manchem Anstoss erregen kann, insofern
als es scheinen mag, sie beruhe mehr auf einem subjectiven
Gefühle, als auf thatsächlichen Verhältnissen. Wer es jedoch
nicht verschmäht, die Erfahrungen zu Rathe zu ziehen,
welche sich aus der Betrachtung der älteren und der neueren
Kunst gewinnen lassen, der wird schliesslich erkennen müs-
sen, dass jenes Gefühl erst durch historische Thatsachen ge-
leitet und bestimmt worden ist, und dass ihm daher keine
geringere Beweisfähigkeit innewohnt, als einem vereinzelten
äusseren Zeugnisse.

Wenn wir uns demnach die grossen Schöpfungen des
Polygnot und seiner Genossen nur als Wandgemälde ausge-
führt zu denken vermögen, so soll damit die sonstige Aus-
übung der Tafelmalerei für diese Zeit keineswegs geleugnet
werden; ja selbst die genannten Künstler können sich wohl
zuweilen darin versucht haben, wie es z. B. die Erzählung
von künstlerischen Wettkämpfen bei den isthmischen und

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[67/0075] darum vermissen wir hier eine rein malerische Nachbildung der Wirklichkeit weit weniger, als in einem Tafelbilde, wel- ches einen grossen Theil seines Werthes erst durch die Durchführung im Einzelnen erhält. Machen wir jetzt hiervon die Anwendung auf Polygnot selbst, so haben wir schon bei Gelegenheit der delphischen Gemälde auf die strenge, ich darf wohl sagen, architekto- nische Gliederung der Composition hinweisen müssen. Ueber- all sondern sich grosse, einander entsprechende Massen, in denen sich das Auge des Beschauers leicht, wie in dem Anblicke eines schöngegliederten Tempels, zurecht finden musste. Ist nun schon diese Art der Composition vorzugs- weise durch das Wesen der Wandmalerei bedingt, so führt uns auf dieselbe nicht weniger die Beschränkung in den Mit- teln eigentlich malerischer Darstellung, welche wir in den Werken des Polygnot nicht wegzuleugnen vermochten. Denn mit der Wandmalerei sind die aus jener Beschränkung ent- springenden Mängel wenigstens in so weit verträglich, dass davon der übrige hohe Ruhm des Künstlers gänzlich unbe- rührt bleibt; in der Tafelmalerei dagegen würden sie noth- wendig ein nicht geringes Gefühl der Unbefriedigung hervor- bringen müssen. — Ich leugne nicht, dass diese ganze Be- trachtungsweise bei Manchem Anstoss erregen kann, insofern als es scheinen mag, sie beruhe mehr auf einem subjectiven Gefühle, als auf thatsächlichen Verhältnissen. Wer es jedoch nicht verschmäht, die Erfahrungen zu Rathe zu ziehen, welche sich aus der Betrachtung der älteren und der neueren Kunst gewinnen lassen, der wird schliesslich erkennen müs- sen, dass jenes Gefühl erst durch historische Thatsachen ge- leitet und bestimmt worden ist, und dass ihm daher keine geringere Beweisfähigkeit innewohnt, als einem vereinzelten äusseren Zeugnisse. Wenn wir uns demnach die grossen Schöpfungen des Polygnot und seiner Genossen nur als Wandgemälde ausge- führt zu denken vermögen, so soll damit die sonstige Aus- übung der Tafelmalerei für diese Zeit keineswegs geleugnet werden; ja selbst die genannten Künstler können sich wohl zuweilen darin versucht haben, wie es z. B. die Erzählung von künstlerischen Wettkämpfen bei den isthmischen und 5*

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/75>, abgerufen am 23.11.2024.