Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

wie weit sich ihre Richtigkeit auch sonst an der Kunst des
Zeuxis bewährt. Ich will hier keinen Nachdruck auf eine
andere Darstellung von Kentaurinnen mit ihren Jungen legen,
welche Philostrat 1) beschreibt, so wie auf das jetzt in Ber-
lin befindliche Mosaik aus der Villa Hadrians bei Tivoli, 2)
in welchem der Kampf von Kentauren gegen wilde Thiere in
ergreifender Weise geschildert ist. Denn so sehr auch diese
Compositionen als durchaus derselben Geistesrichtung ent-
sprungen erscheinen, die wir aus Lucians Schilderung ken-
nen gelernt haben, so ist doch damit nicht erwiesen, dass
ihre Erfindung auf Zeuxis selbst zurückzuführen ist. Sehen
wir uns daher weiter unter seinen Werken um, so würden
wir wahrscheinlich zunächst des Boreas und der Tritonen
gedenken müssen, wenn wir über die Art ihrer Darstellung
genauer unterrichtet wären: dass sie zu einer ähnlichen Auf-
fassung, wie die Kentauren, vorzugsweise geeignet waren,
unterliegt keinem Zweifel. Das Gemälde des Pan erwähnt
freilich Plinius nur mit einem einzigen Worte. Allein wir
dürfen damit vielleicht eine Darstellung des Gottes, wel-
che Philostrat 3) beschreibt, gerade wegen ihrer scharf
hervortretenden Eigenthümlichkeit in Verbindung setzen: Pan
ist im Schlafe von den Nymphen überfallen worden; sie haben
ihm die Hände auf den Rücken gebunden, den Bart abgescho-
ren und suchen die Echo ihm abspenstig zu machen. Wo
liesse sich für diese Auffassungsweise eine bessere Erklärung
finden, als in der Charakteristik des Zeuxis bei Lucian? Ge-
wissermassen das ernste Gegenstück zu diesem idyllischen
Scherze bildet Marsyas, wenn wir uns denselben in der vom
jüngeren Philostrat 4) beschriebenen Weise vorstellen: besiegt
steht er an der Fichte und blickt auf den Barbaren, der
mordgierig das Messer zu seiner Bestrafung schleift; Apollo
freut sich seines Sieges, und der Schwarm der Satyrn, sonst
so keck und munter, steht jetzt umher traurig und schmerz-
lich bewegt. Endlich finden wir bei dem jüngern Philostrat 5)
noch ein Gemälde beschrieben, dessen Gegenstand mit einem
von Plinius erwähnten Werke des Zeuxis im Wesentlichen
übereinstimmt: Herakles der noch in den Windeln die Schlan-

1) II, 13.
2) Mon. dell' Inst. IV t. 50.
3) II, 11.
4) n. 2.
5) n. 5.
6*

wie weit sich ihre Richtigkeit auch sonst an der Kunst des
Zeuxis bewährt. Ich will hier keinen Nachdruck auf eine
andere Darstellung von Kentaurinnen mit ihren Jungen legen,
welche Philostrat 1) beschreibt, so wie auf das jetzt in Ber-
lin befindliche Mosaik aus der Villa Hadrians bei Tivoli, 2)
in welchem der Kampf von Kentauren gegen wilde Thiere in
ergreifender Weise geschildert ist. Denn so sehr auch diese
Compositionen als durchaus derselben Geistesrichtung ent-
sprungen erscheinen, die wir aus Lucians Schilderung ken-
nen gelernt haben, so ist doch damit nicht erwiesen, dass
ihre Erfindung auf Zeuxis selbst zurückzuführen ist. Sehen
wir uns daher weiter unter seinen Werken um, so würden
wir wahrscheinlich zunächst des Boreas und der Tritonen
gedenken müssen, wenn wir über die Art ihrer Darstellung
genauer unterrichtet wären: dass sie zu einer ähnlichen Auf-
fassung, wie die Kentauren, vorzugsweise geeignet waren,
unterliegt keinem Zweifel. Das Gemälde des Pan erwähnt
freilich Plinius nur mit einem einzigen Worte. Allein wir
dürfen damit vielleicht eine Darstellung des Gottes, wel-
che Philostrat 3) beschreibt, gerade wegen ihrer scharf
hervortretenden Eigenthümlichkeit in Verbindung setzen: Pan
ist im Schlafe von den Nymphen überfallen worden; sie haben
ihm die Hände auf den Rücken gebunden, den Bart abgescho-
ren und suchen die Echo ihm abspenstig zu machen. Wo
liesse sich für diese Auffassungsweise eine bessere Erklärung
finden, als in der Charakteristik des Zeuxis bei Lucian? Ge-
wissermassen das ernste Gegenstück zu diesem idyllischen
Scherze bildet Marsyas, wenn wir uns denselben in der vom
jüngeren Philostrat 4) beschriebenen Weise vorstellen: besiegt
steht er an der Fichte und blickt auf den Barbaren, der
mordgierig das Messer zu seiner Bestrafung schleift; Apollo
freut sich seines Sieges, und der Schwarm der Satyrn, sonst
so keck und munter, steht jetzt umher traurig und schmerz-
lich bewegt. Endlich finden wir bei dem jüngern Philostrat 5)
noch ein Gemälde beschrieben, dessen Gegenstand mit einem
von Plinius erwähnten Werke des Zeuxis im Wesentlichen
übereinstimmt: Herakles der noch in den Windeln die Schlan-

1) II, 13.
2) Mon. dell’ Inst. IV t. 50.
3) II, 11.
4) n. 2.
5) n. 5.
6*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0091" n="83"/>
wie weit sich ihre Richtigkeit auch sonst an der Kunst des<lb/>
Zeuxis bewährt. Ich will hier keinen Nachdruck auf eine<lb/>
andere Darstellung von Kentaurinnen mit ihren Jungen legen,<lb/>
welche Philostrat <note place="foot" n="1)">II, 13.</note> beschreibt, so wie auf das jetzt in Ber-<lb/>
lin befindliche Mosaik aus der Villa Hadrians bei Tivoli, <note place="foot" n="2)">Mon. dell&#x2019; Inst. IV t. 50.</note><lb/>
in welchem der Kampf von Kentauren gegen wilde Thiere in<lb/>
ergreifender Weise geschildert ist. Denn so sehr auch diese<lb/>
Compositionen als durchaus derselben Geistesrichtung ent-<lb/>
sprungen erscheinen, die wir aus Lucians Schilderung ken-<lb/>
nen gelernt haben, so ist doch damit nicht erwiesen, dass<lb/>
ihre Erfindung auf Zeuxis selbst zurückzuführen ist. Sehen<lb/>
wir uns daher weiter unter seinen Werken um, so würden<lb/>
wir wahrscheinlich zunächst des Boreas und der Tritonen<lb/>
gedenken müssen, wenn wir über die Art ihrer Darstellung<lb/>
genauer unterrichtet wären: dass sie zu einer ähnlichen Auf-<lb/>
fassung, wie die Kentauren, vorzugsweise geeignet waren,<lb/>
unterliegt keinem Zweifel. Das Gemälde des Pan erwähnt<lb/>
freilich Plinius nur mit einem einzigen Worte. Allein wir<lb/>
dürfen damit vielleicht eine Darstellung des Gottes, wel-<lb/>
che Philostrat <note place="foot" n="3)">II, 11.</note> beschreibt, gerade wegen ihrer scharf<lb/>
hervortretenden Eigenthümlichkeit in Verbindung setzen: Pan<lb/>
ist im Schlafe von den Nymphen überfallen worden; sie haben<lb/>
ihm die Hände auf den Rücken gebunden, den Bart abgescho-<lb/>
ren und suchen die Echo ihm abspenstig zu machen. Wo<lb/>
liesse sich für diese Auffassungsweise eine bessere Erklärung<lb/>
finden, als in der Charakteristik des Zeuxis bei Lucian? Ge-<lb/>
wissermassen das ernste Gegenstück zu diesem idyllischen<lb/>
Scherze bildet Marsyas, wenn wir uns denselben in der vom<lb/>
jüngeren Philostrat <note place="foot" n="4)">n. 2.</note> beschriebenen Weise vorstellen: besiegt<lb/>
steht er an der Fichte und blickt auf den Barbaren, der<lb/>
mordgierig das Messer zu seiner Bestrafung schleift; Apollo<lb/>
freut sich seines Sieges, und der Schwarm der Satyrn, sonst<lb/>
so keck und munter, steht jetzt umher traurig und schmerz-<lb/>
lich bewegt. Endlich finden wir bei dem jüngern Philostrat <note place="foot" n="5)">n. 5.</note><lb/>
noch ein Gemälde beschrieben, dessen Gegenstand mit einem<lb/>
von Plinius erwähnten Werke des Zeuxis im Wesentlichen<lb/>
übereinstimmt: Herakles der noch in den Windeln die Schlan-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">6*</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0091] wie weit sich ihre Richtigkeit auch sonst an der Kunst des Zeuxis bewährt. Ich will hier keinen Nachdruck auf eine andere Darstellung von Kentaurinnen mit ihren Jungen legen, welche Philostrat 1) beschreibt, so wie auf das jetzt in Ber- lin befindliche Mosaik aus der Villa Hadrians bei Tivoli, 2) in welchem der Kampf von Kentauren gegen wilde Thiere in ergreifender Weise geschildert ist. Denn so sehr auch diese Compositionen als durchaus derselben Geistesrichtung ent- sprungen erscheinen, die wir aus Lucians Schilderung ken- nen gelernt haben, so ist doch damit nicht erwiesen, dass ihre Erfindung auf Zeuxis selbst zurückzuführen ist. Sehen wir uns daher weiter unter seinen Werken um, so würden wir wahrscheinlich zunächst des Boreas und der Tritonen gedenken müssen, wenn wir über die Art ihrer Darstellung genauer unterrichtet wären: dass sie zu einer ähnlichen Auf- fassung, wie die Kentauren, vorzugsweise geeignet waren, unterliegt keinem Zweifel. Das Gemälde des Pan erwähnt freilich Plinius nur mit einem einzigen Worte. Allein wir dürfen damit vielleicht eine Darstellung des Gottes, wel- che Philostrat 3) beschreibt, gerade wegen ihrer scharf hervortretenden Eigenthümlichkeit in Verbindung setzen: Pan ist im Schlafe von den Nymphen überfallen worden; sie haben ihm die Hände auf den Rücken gebunden, den Bart abgescho- ren und suchen die Echo ihm abspenstig zu machen. Wo liesse sich für diese Auffassungsweise eine bessere Erklärung finden, als in der Charakteristik des Zeuxis bei Lucian? Ge- wissermassen das ernste Gegenstück zu diesem idyllischen Scherze bildet Marsyas, wenn wir uns denselben in der vom jüngeren Philostrat 4) beschriebenen Weise vorstellen: besiegt steht er an der Fichte und blickt auf den Barbaren, der mordgierig das Messer zu seiner Bestrafung schleift; Apollo freut sich seines Sieges, und der Schwarm der Satyrn, sonst so keck und munter, steht jetzt umher traurig und schmerz- lich bewegt. Endlich finden wir bei dem jüngern Philostrat 5) noch ein Gemälde beschrieben, dessen Gegenstand mit einem von Plinius erwähnten Werke des Zeuxis im Wesentlichen übereinstimmt: Herakles der noch in den Windeln die Schlan- 1) II, 13. 2) Mon. dell’ Inst. IV t. 50. 3) II, 11. 4) n. 2. 5) n. 5. 6*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/91
Zitationshilfe: Brunn, Heinrich: Geschichte der griechischen Künstler. T. 2, Abt. 1. Braunschweig, 1856, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen0201_1856/91>, abgerufen am 23.11.2024.