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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859.

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beruht, handelt es sich bei Zeuxis um das Malen: darum,
das Verhältniss verschiedener Flächen zu einander vermit-
telst der Farbe unter dem Einflusse von Licht und Schatten
darzustellen. Die Linie aber leitet ihrem Wesen nach auf
Strenge und Schärfe der Begrenzung hin; durch Verbindung
von Flächen dagegen sollen Körper in ihrer Rundung und
Masse dargestellt werden. Hieraus scheint sich mir von
selbst zu erklären, weshalb da, wo der malerische Vortrag
zu überwiegen beginnt, sich das zu entwickeln pflegt, was
man gewöhnlich als eine breitere Manier bezeichnet: eine
Behandlungsart, welche weniger ängstlich und scharf das
Detail der Formen ausbildet, als die Massen, wie sie sich
unter dem Einfluss des Lichtes gliedern, im Grossen einander
gegenüberstellt. Demnach muss aber die malerische Auffas-
sung, so sehr sie auch von der Farbe ausgeht, doch schliess-
lich auf die Behandlung der Form einen wesentlichen Ein-
fluss ausüben; und wir dürfen es wohl versuchen, mit Hülfe
dieser Beobachtung die Widersprüche in einigen Nachrichten
der Alten über die Proportionen des Zeuxis zu lösen. Zuerst
sagt nemlich Plinius: Zeuxis werde getadelt als zu gross in
den Köpfen und den Gliedern: reprehenditur tarnen ceu gran-
dior in capitibus articulisque.1) Dieser selbe Vorwurf aber
erscheint bei Quintilian in ein Lob umgewandelt: Zeuxis gab
den Gliedern mehr Masse, indem er es so für voller und
stattlicher hielt, und, wie man meint, dem Homer folgte, dem
gerade kräftige Formen auch an den Frauen gefallen: nam
Zeuxis plus membris corporis dedit, id amplius atque augustius
ratus, atque, ut existimant, Homerum, secutus, cui validissima
quaeque forma etiam in feminis placet.2) Den Widerspruch
dieser beiden Nachrichten könnte man durch einen verglei-
chenden Blick auf die Geschichte der Bildhauer zu lösen ge-
neigt sein. Wie wir dort3) zwischen den quadraten, kräfti-
geren Proportionen des Polyklet und den schlankeren des
Lysipp in der Mitte die des Euphranor einem ähnlichen Ta-
del ausgesetzt finden, so könnten wir Zeuxis mit diesem letz-
teren auf eine Stufe zu stellen geneigt sein. Schlagender
jedoch, wie ich glaube, wird der Vergleich mit einem neueren
Künstler sich erweisen, nemlich mit Raphael. Niemand, der

1) 35, 64.
2) XII, 10.
3) Th. 1. S. 317.

beruht, handelt es sich bei Zeuxis um das Malen: darum,
das Verhältniss verschiedener Flächen zu einander vermit-
telst der Farbe unter dem Einflusse von Licht und Schatten
darzustellen. Die Linie aber leitet ihrem Wesen nach auf
Strenge und Schärfe der Begrenzung hin; durch Verbindung
von Flächen dagegen sollen Körper in ihrer Rundung und
Masse dargestellt werden. Hieraus scheint sich mir von
selbst zu erklären, weshalb da, wo der malerische Vortrag
zu überwiegen beginnt, sich das zu entwickeln pflegt, was
man gewöhnlich als eine breitere Manier bezeichnet: eine
Behandlungsart, welche weniger ängstlich und scharf das
Detail der Formen ausbildet, als die Massen, wie sie sich
unter dem Einfluss des Lichtes gliedern, im Grossen einander
gegenüberstellt. Demnach muss aber die malerische Auffas-
sung, so sehr sie auch von der Farbe ausgeht, doch schliess-
lich auf die Behandlung der Form einen wesentlichen Ein-
fluss ausüben; und wir dürfen es wohl versuchen, mit Hülfe
dieser Beobachtung die Widersprüche in einigen Nachrichten
der Alten über die Proportionen des Zeuxis zu lösen. Zuerst
sagt nemlich Plinius: Zeuxis werde getadelt als zu gross in
den Köpfen und den Gliedern: reprehenditur tarnen ceu gran-
dior in capitibus articulisque.1) Dieser selbe Vorwurf aber
erscheint bei Quintilian in ein Lob umgewandelt: Zeuxis gab
den Gliedern mehr Masse, indem er es so für voller und
stattlicher hielt, und, wie man meint, dem Homer folgte, dem
gerade kräftige Formen auch an den Frauen gefallen: nam
Zeuxis plus membris corporis dedit, id amplius atque augustius
ratus, atque, ut existimant, Homerum, secutus, cui validissima
quaeque forma etiam in feminis placet.2) Den Widerspruch
dieser beiden Nachrichten könnte man durch einen verglei-
chenden Blick auf die Geschichte der Bildhauer zu lösen ge-
neigt sein. Wie wir dort3) zwischen den quadraten, kräfti-
geren Proportionen des Polyklet und den schlankeren des
Lysipp in der Mitte die des Euphranor einem ähnlichen Ta-
del ausgesetzt finden, so könnten wir Zeuxis mit diesem letz-
teren auf eine Stufe zu stellen geneigt sein. Schlagender
jedoch, wie ich glaube, wird der Vergleich mit einem neueren
Künstler sich erweisen, nemlich mit Raphael. Niemand, der

1) 35, 64.
2) XII, 10.
3) Th. 1. S. 317.
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[92/0109] beruht, handelt es sich bei Zeuxis um das Malen: darum, das Verhältniss verschiedener Flächen zu einander vermit- telst der Farbe unter dem Einflusse von Licht und Schatten darzustellen. Die Linie aber leitet ihrem Wesen nach auf Strenge und Schärfe der Begrenzung hin; durch Verbindung von Flächen dagegen sollen Körper in ihrer Rundung und Masse dargestellt werden. Hieraus scheint sich mir von selbst zu erklären, weshalb da, wo der malerische Vortrag zu überwiegen beginnt, sich das zu entwickeln pflegt, was man gewöhnlich als eine breitere Manier bezeichnet: eine Behandlungsart, welche weniger ängstlich und scharf das Detail der Formen ausbildet, als die Massen, wie sie sich unter dem Einfluss des Lichtes gliedern, im Grossen einander gegenüberstellt. Demnach muss aber die malerische Auffas- sung, so sehr sie auch von der Farbe ausgeht, doch schliess- lich auf die Behandlung der Form einen wesentlichen Ein- fluss ausüben; und wir dürfen es wohl versuchen, mit Hülfe dieser Beobachtung die Widersprüche in einigen Nachrichten der Alten über die Proportionen des Zeuxis zu lösen. Zuerst sagt nemlich Plinius: Zeuxis werde getadelt als zu gross in den Köpfen und den Gliedern: reprehenditur tarnen ceu gran- dior in capitibus articulisque. 1) Dieser selbe Vorwurf aber erscheint bei Quintilian in ein Lob umgewandelt: Zeuxis gab den Gliedern mehr Masse, indem er es so für voller und stattlicher hielt, und, wie man meint, dem Homer folgte, dem gerade kräftige Formen auch an den Frauen gefallen: nam Zeuxis plus membris corporis dedit, id amplius atque augustius ratus, atque, ut existimant, Homerum, secutus, cui validissima quaeque forma etiam in feminis placet. 2) Den Widerspruch dieser beiden Nachrichten könnte man durch einen verglei- chenden Blick auf die Geschichte der Bildhauer zu lösen ge- neigt sein. Wie wir dort 3) zwischen den quadraten, kräfti- geren Proportionen des Polyklet und den schlankeren des Lysipp in der Mitte die des Euphranor einem ähnlichen Ta- del ausgesetzt finden, so könnten wir Zeuxis mit diesem letz- teren auf eine Stufe zu stellen geneigt sein. Schlagender jedoch, wie ich glaube, wird der Vergleich mit einem neueren Künstler sich erweisen, nemlich mit Raphael. Niemand, der 1) 35, 64. 2) XII, 10. 3) Th. 1. S. 317.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/109>, abgerufen am 25.11.2024.