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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859.

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Gedeihen theils eines grösseren Reichthums an materiellen
Mitteln, theils einer fortwährenden Hülfeleistung von Seiten
des Handwerks bedarf, wodurch ihre Ausübung in höherem
Grade an bestimmte Orte gebunden ist. Doch lassen sich
im Allgemeinen die Einflüsse der Politik auch auf die Male-
rei nicht verkennen. Von den Wirkungen des peloponne-
sischen Krieges haben wir bereits bei Gelegenheit der vo-
rigen Periode gesprochen. Während der Dauer desselben
hatte die Malerei in Kleinasien ein Asyl gefunden; mit sei-
nem Ende kehrt sie wieder nach Griechenland zurück, ist
aber theils selbst eine andere geworden, theils findet sie
veränderte Verhältnisse. In Athen namentlich war der Glanz
der kimonischen und perikleischen Staatsverwaltung nicht
wiedergekehrt; und wenn es auch noch vorkömmt, dass
z. B. Euphranor eine öffentliche Halle mit Gemälden zu
schmücken hat, so ist doch die Kunst nicht mehr wie früher
auch ein wesentliches Element des politischen Lebens; und
noch weniger wird ihr durch die Forderungen, welche der
Staat an sie stellt, ihr eigenthümlicher Charakter aufgeprägt.
Gerade so erscheint in Theben die Blüthe der Kunst wohl
hervorgerufen durch die Blüthe der politischen Macht: allein
von einer lebendigen Wechselbeziehung, von einer Hebung
der Kunst durch directe Einwirkung des Staates und umge-
kehrt des politischen Glanzes durch die Kunst ist auch hier
nicht die Rede. In Sikyon endlich zeigt sich die Malerei in
derselben Weise von den politischen Zuständen unabhängig,
wie wir dies bereits hinsichtlich der Sculptur bemerkt ha-
ben.1) -- Wenn wir aber den Einfluss des Staates als sol-
chen in dieser Periode nirgends hoch anschlagen, so werden
wir dagegen den socialen Verhältnissen eine um so höhere
Bedeutung beilegen müssen. Mochte auch Griechenland den
eigentlichen Höhepunkt politischer Macht und Grösse bereits
überschritten haben oder wenigstens den Keim des nahenden
Verfalles bereits in sich tragen, so befand es sich zu keiner
Zeit auf einer so hohen Stufe materiellen Wohlstandes, als
gerade damals. Die Schätze einzelner Privatleute nament-
lich wachsen ins Ungeheure, so dass in deren Hände natur-
gemäss die Pflege der Kunst übergeht. Besonders wenn es

1) vgl. Th. I, S. 310.

Gedeihen theils eines grösseren Reichthums an materiellen
Mitteln, theils einer fortwährenden Hülfeleistung von Seiten
des Handwerks bedarf, wodurch ihre Ausübung in höherem
Grade an bestimmte Orte gebunden ist. Doch lassen sich
im Allgemeinen die Einflüsse der Politik auch auf die Male-
rei nicht verkennen. Von den Wirkungen des peloponne-
sischen Krieges haben wir bereits bei Gelegenheit der vo-
rigen Periode gesprochen. Während der Dauer desselben
hatte die Malerei in Kleinasien ein Asyl gefunden; mit sei-
nem Ende kehrt sie wieder nach Griechenland zurück, ist
aber theils selbst eine andere geworden, theils findet sie
veränderte Verhältnisse. In Athen namentlich war der Glanz
der kimonischen und perikleischen Staatsverwaltung nicht
wiedergekehrt; und wenn es auch noch vorkömmt, dass
z. B. Euphranor eine öffentliche Halle mit Gemälden zu
schmücken hat, so ist doch die Kunst nicht mehr wie früher
auch ein wesentliches Element des politischen Lebens; und
noch weniger wird ihr durch die Forderungen, welche der
Staat an sie stellt, ihr eigenthümlicher Charakter aufgeprägt.
Gerade so erscheint in Theben die Blüthe der Kunst wohl
hervorgerufen durch die Blüthe der politischen Macht: allein
von einer lebendigen Wechselbeziehung, von einer Hebung
der Kunst durch directe Einwirkung des Staates und umge-
kehrt des politischen Glanzes durch die Kunst ist auch hier
nicht die Rede. In Sikyon endlich zeigt sich die Malerei in
derselben Weise von den politischen Zuständen unabhängig,
wie wir dies bereits hinsichtlich der Sculptur bemerkt ha-
ben.1) — Wenn wir aber den Einfluss des Staates als sol-
chen in dieser Periode nirgends hoch anschlagen, so werden
wir dagegen den socialen Verhältnissen eine um so höhere
Bedeutung beilegen müssen. Mochte auch Griechenland den
eigentlichen Höhepunkt politischer Macht und Grösse bereits
überschritten haben oder wenigstens den Keim des nahenden
Verfalles bereits in sich tragen, so befand es sich zu keiner
Zeit auf einer so hohen Stufe materiellen Wohlstandes, als
gerade damals. Die Schätze einzelner Privatleute nament-
lich wachsen ins Ungeheure, so dass in deren Hände natur-
gemäss die Pflege der Kunst übergeht. Besonders wenn es

1) vgl. Th. I, S. 310.
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[267/0284] Gedeihen theils eines grösseren Reichthums an materiellen Mitteln, theils einer fortwährenden Hülfeleistung von Seiten des Handwerks bedarf, wodurch ihre Ausübung in höherem Grade an bestimmte Orte gebunden ist. Doch lassen sich im Allgemeinen die Einflüsse der Politik auch auf die Male- rei nicht verkennen. Von den Wirkungen des peloponne- sischen Krieges haben wir bereits bei Gelegenheit der vo- rigen Periode gesprochen. Während der Dauer desselben hatte die Malerei in Kleinasien ein Asyl gefunden; mit sei- nem Ende kehrt sie wieder nach Griechenland zurück, ist aber theils selbst eine andere geworden, theils findet sie veränderte Verhältnisse. In Athen namentlich war der Glanz der kimonischen und perikleischen Staatsverwaltung nicht wiedergekehrt; und wenn es auch noch vorkömmt, dass z. B. Euphranor eine öffentliche Halle mit Gemälden zu schmücken hat, so ist doch die Kunst nicht mehr wie früher auch ein wesentliches Element des politischen Lebens; und noch weniger wird ihr durch die Forderungen, welche der Staat an sie stellt, ihr eigenthümlicher Charakter aufgeprägt. Gerade so erscheint in Theben die Blüthe der Kunst wohl hervorgerufen durch die Blüthe der politischen Macht: allein von einer lebendigen Wechselbeziehung, von einer Hebung der Kunst durch directe Einwirkung des Staates und umge- kehrt des politischen Glanzes durch die Kunst ist auch hier nicht die Rede. In Sikyon endlich zeigt sich die Malerei in derselben Weise von den politischen Zuständen unabhängig, wie wir dies bereits hinsichtlich der Sculptur bemerkt ha- ben. 1) — Wenn wir aber den Einfluss des Staates als sol- chen in dieser Periode nirgends hoch anschlagen, so werden wir dagegen den socialen Verhältnissen eine um so höhere Bedeutung beilegen müssen. Mochte auch Griechenland den eigentlichen Höhepunkt politischer Macht und Grösse bereits überschritten haben oder wenigstens den Keim des nahenden Verfalles bereits in sich tragen, so befand es sich zu keiner Zeit auf einer so hohen Stufe materiellen Wohlstandes, als gerade damals. Die Schätze einzelner Privatleute nament- lich wachsen ins Ungeheure, so dass in deren Hände natur- gemäss die Pflege der Kunst übergeht. Besonders wenn es 1) vgl. Th. I, S. 310.

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/284>, abgerufen am 24.11.2024.