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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859.

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wir müssten davon wahrhaft überrascht sein, wenn es nicht
eine namentlich in der griechischen Geschichte häufiger wie-
derkehrende Erscheinung wäre, dass dieselben Ideen gleich-
zeitig auf den verschiedensten Gebieten Geltung zu gewinnen
suchen. Wie also Alexander selbst sagte: es gebe zwei
Alexander, den unbesiegten Sohn des Philipp und den un-
nachahmlichen des Apelles, so wurde dieses Bild des Welt-
beherrschers Vorbild und Muster für eine ganze Klasse,
deren Umfang durch die Bezeichnung als historischer Por-
traits noch keineswegs erschöpft ist. Denn es gehören da-
hin auch alle die mehr oder minder symbolischen Gestal-
tungen, welche dazu dienen müssen, eine solche und ähn-
liche Ideen in ausgedehnterer Weise zu verkörpern. So nä-
hern wir uns sogar von dieser Seite ganz unerwarteter
Weise wieder dem Gebiete der Mythologie. Aber wenn z. B.
die Dioskuren neben Alexander erscheinen, so sind es nicht
jene persönlichen Wesen, welche der kindliche Glaube der
alten Zeit als schützende und helfende Heldenjünglinge ver-
ehrte, nicht Götter, wie die, welche noch in der Schlacht
von Marathon gegenwärtig geglaubt wurden, sondern sie
sind die personificirten Begriffe einer höheren Weltordnung,
durch welche auch dem Sterblichen Antheil an derselben
verliehen werden soll. Wie sich aber gerade in diesen
Ideen der gänzlich veränderte Geist der Zeit offenbart, so
dürfen wir auch auf dem Gebiete der Kunst die Werke,
welche demselben entsprungen, als die eigenthümlichsten
Hervorbringungen der vorliegenden Periode mit Nachdruck
hervorheben.

Mit den bisher betrachteten Kreisen ist jedoch das Ge-
biet der malerischen Darstellungen in dieser Periode noch
keineswegs abgeschlossen: wir begegnen vielmehr darin
noch einer Reihe von Leistungen, welche unter einem ge-
meinsamen Gesichtspunkte zusammenzufassen schwerlich ge-
lingen würde. Wenn wir z. B. oben bemerkten, dass bei
der Wahl mancher mythologischer Stoffe weit mehr ein rein
künstlerisches Interesse bestimmend gewirkt habe, als ein
religiöses, so finden wir anderer Seits auch rein künstle-
rische Aufgaben gelöst, denen nur die Benennung der Per-
sonen fehlt, um sie mit mindestens eben solchem Rechte
wie jene der Klasse mythologischer oder historischer Bild-

wir müssten davon wahrhaft überrascht sein, wenn es nicht
eine namentlich in der griechischen Geschichte häufiger wie-
derkehrende Erscheinung wäre, dass dieselben Ideen gleich-
zeitig auf den verschiedensten Gebieten Geltung zu gewinnen
suchen. Wie also Alexander selbst sagte: es gebe zwei
Alexander, den unbesiegten Sohn des Philipp und den un-
nachahmlichen des Apelles, so wurde dieses Bild des Welt-
beherrschers Vorbild und Muster für eine ganze Klasse,
deren Umfang durch die Bezeichnung als historischer Por-
traits noch keineswegs erschöpft ist. Denn es gehören da-
hin auch alle die mehr oder minder symbolischen Gestal-
tungen, welche dazu dienen müssen, eine solche und ähn-
liche Ideen in ausgedehnterer Weise zu verkörpern. So nä-
hern wir uns sogar von dieser Seite ganz unerwarteter
Weise wieder dem Gebiete der Mythologie. Aber wenn z. B.
die Dioskuren neben Alexander erscheinen, so sind es nicht
jene persönlichen Wesen, welche der kindliche Glaube der
alten Zeit als schützende und helfende Heldenjünglinge ver-
ehrte, nicht Götter, wie die, welche noch in der Schlacht
von Marathon gegenwärtig geglaubt wurden, sondern sie
sind die personificirten Begriffe einer höheren Weltordnung,
durch welche auch dem Sterblichen Antheil an derselben
verliehen werden soll. Wie sich aber gerade in diesen
Ideen der gänzlich veränderte Geist der Zeit offenbart, so
dürfen wir auch auf dem Gebiete der Kunst die Werke,
welche demselben entsprungen, als die eigenthümlichsten
Hervorbringungen der vorliegenden Periode mit Nachdruck
hervorheben.

Mit den bisher betrachteten Kreisen ist jedoch das Ge-
biet der malerischen Darstellungen in dieser Periode noch
keineswegs abgeschlossen: wir begegnen vielmehr darin
noch einer Reihe von Leistungen, welche unter einem ge-
meinsamen Gesichtspunkte zusammenzufassen schwerlich ge-
lingen würde. Wenn wir z. B. oben bemerkten, dass bei
der Wahl mancher mythologischer Stoffe weit mehr ein rein
künstlerisches Interesse bestimmend gewirkt habe, als ein
religiöses, so finden wir anderer Seits auch rein künstle-
rische Aufgaben gelöst, denen nur die Benennung der Per-
sonen fehlt, um sie mit mindestens eben solchem Rechte
wie jene der Klasse mythologischer oder historischer Bild-

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[271/0288] wir müssten davon wahrhaft überrascht sein, wenn es nicht eine namentlich in der griechischen Geschichte häufiger wie- derkehrende Erscheinung wäre, dass dieselben Ideen gleich- zeitig auf den verschiedensten Gebieten Geltung zu gewinnen suchen. Wie also Alexander selbst sagte: es gebe zwei Alexander, den unbesiegten Sohn des Philipp und den un- nachahmlichen des Apelles, so wurde dieses Bild des Welt- beherrschers Vorbild und Muster für eine ganze Klasse, deren Umfang durch die Bezeichnung als historischer Por- traits noch keineswegs erschöpft ist. Denn es gehören da- hin auch alle die mehr oder minder symbolischen Gestal- tungen, welche dazu dienen müssen, eine solche und ähn- liche Ideen in ausgedehnterer Weise zu verkörpern. So nä- hern wir uns sogar von dieser Seite ganz unerwarteter Weise wieder dem Gebiete der Mythologie. Aber wenn z. B. die Dioskuren neben Alexander erscheinen, so sind es nicht jene persönlichen Wesen, welche der kindliche Glaube der alten Zeit als schützende und helfende Heldenjünglinge ver- ehrte, nicht Götter, wie die, welche noch in der Schlacht von Marathon gegenwärtig geglaubt wurden, sondern sie sind die personificirten Begriffe einer höheren Weltordnung, durch welche auch dem Sterblichen Antheil an derselben verliehen werden soll. Wie sich aber gerade in diesen Ideen der gänzlich veränderte Geist der Zeit offenbart, so dürfen wir auch auf dem Gebiete der Kunst die Werke, welche demselben entsprungen, als die eigenthümlichsten Hervorbringungen der vorliegenden Periode mit Nachdruck hervorheben. Mit den bisher betrachteten Kreisen ist jedoch das Ge- biet der malerischen Darstellungen in dieser Periode noch keineswegs abgeschlossen: wir begegnen vielmehr darin noch einer Reihe von Leistungen, welche unter einem ge- meinsamen Gesichtspunkte zusammenzufassen schwerlich ge- lingen würde. Wenn wir z. B. oben bemerkten, dass bei der Wahl mancher mythologischer Stoffe weit mehr ein rein künstlerisches Interesse bestimmend gewirkt habe, als ein religiöses, so finden wir anderer Seits auch rein künstle- rische Aufgaben gelöst, denen nur die Benennung der Per- sonen fehlt, um sie mit mindestens eben solchem Rechte wie jene der Klasse mythologischer oder historischer Bild-

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/288>, abgerufen am 24.11.2024.