Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

Erzfiguren, bei denen trotz ihrer Kleinheit die Modellirung
vor dem Gusse doch immer eine hohe Bedeutung bewahrt,
sondern die Verfertiger von Arbeiten, welche ursprünglich
zu praktischem Gebrauch bestimmt sind und zu Kunstwerken
nur durch die kunstreiche Verzierung erhoben werden, wozu
namentlich alle die Geräthe und Gefässe gehören, welche
beim Opfer, beim Mahle und Gelage auch dem Auge des
Benutzenden einen Genuss bereiten sollen. So äusserlich
eine solche Beschränkung scheinen mag, so hat sie doch
ihren tieferen Grund. Denn an Arbeiten dieser Art hat der
Guss meist so geringen Antheil, dass er sogar häufig gänz-
lich ausser Betracht kommt und durch ein Treiben des Me-
talls mit dem Hammer ersetzt wird. Hiermit hängt es auch
zusammen, dass diese Künstler dem Silber als Material
weitaus den Vorzug gaben; denn abgesehen davon, dass
dieses Metall für Geräthe des Luxus als das passendste er-
scheint, ist es durch seine Feinheit und Dehnbarkeit gerade
für die toreutische Bearbeitung vorzugsweise geeignet.

Allerdings ist eine solche Beschränkung des Begriffes
der Toreutik nicht überall und zu jeder Zeit in gleicher
Strenge festgehalten worden; und namentlich sehen wir auch
hier wieder den Satz bestätigt, dass in den früheren Perio-
den die Ausübung mehrerer von einander getrennte Kunst-
zweige nicht immer eine nach den Personen streng geschie-
dene ist, sondern dass sich dieselben häufig in einer Hand
vereinigt finden. So, um von Daedalos zu schweigen, den
wir wegen einer vereinzelten Erwähnung nicht sogleich für
den Vertreter der Toreutik in der mythischen Zeit halten
dürfen, ist sogleich der Künstler, welchem die Erfindung des
Erzgusses beigelegt wird, Theodoros von Samos, durch
mehrere Werke berühmt, deren Verdienst nur auf der Ci-
sellirung beruhen konnte. Von Phidias heisst es nicht nur,
dass er die Toreutik (im weiteren Sinne) begründet, von
Polyklet, dass er sie durchgebildet; sondern es ist auch
bei beiden Meistern von einzelnen Proben der Cisellirung in
kleinem Maassstabe die Rede. Dasselbe gilt von Myron,
und Kalamis gehört sogar zu den Meistern in diesem Fache.
Von Kallimachos wird wenigstens ein toreutisches Werk
angeführt. Zwar sind die hierher gehörigen, meist aus der
römischen Kaiserzeit stammenden Nachrichten als in hohem

Erzfiguren, bei denen trotz ihrer Kleinheit die Modellirung
vor dem Gusse doch immer eine hohe Bedeutung bewahrt,
sondern die Verfertiger von Arbeiten, welche ursprünglich
zu praktischem Gebrauch bestimmt sind und zu Kunstwerken
nur durch die kunstreiche Verzierung erhoben werden, wozu
namentlich alle die Geräthe und Gefässe gehören, welche
beim Opfer, beim Mahle und Gelage auch dem Auge des
Benutzenden einen Genuss bereiten sollen. So äusserlich
eine solche Beschränkung scheinen mag, so hat sie doch
ihren tieferen Grund. Denn an Arbeiten dieser Art hat der
Guss meist so geringen Antheil, dass er sogar häufig gänz-
lich ausser Betracht kommt und durch ein Treiben des Me-
talls mit dem Hammer ersetzt wird. Hiermit hängt es auch
zusammen, dass diese Künstler dem Silber als Material
weitaus den Vorzug gaben; denn abgesehen davon, dass
dieses Metall für Geräthe des Luxus als das passendste er-
scheint, ist es durch seine Feinheit und Dehnbarkeit gerade
für die toreutische Bearbeitung vorzugsweise geeignet.

Allerdings ist eine solche Beschränkung des Begriffes
der Toreutik nicht überall und zu jeder Zeit in gleicher
Strenge festgehalten worden; und namentlich sehen wir auch
hier wieder den Satz bestätigt, dass in den früheren Perio-
den die Ausübung mehrerer von einander getrennte Kunst-
zweige nicht immer eine nach den Personen streng geschie-
dene ist, sondern dass sich dieselben häufig in einer Hand
vereinigt finden. So, um von Daedalos zu schweigen, den
wir wegen einer vereinzelten Erwähnung nicht sogleich für
den Vertreter der Toreutik in der mythischen Zeit halten
dürfen, ist sogleich der Künstler, welchem die Erfindung des
Erzgusses beigelegt wird, Theodoros von Samos, durch
mehrere Werke berühmt, deren Verdienst nur auf der Ci-
sellirung beruhen konnte. Von Phidias heisst es nicht nur,
dass er die Toreutik (im weiteren Sinne) begründet, von
Polyklet, dass er sie durchgebildet; sondern es ist auch
bei beiden Meistern von einzelnen Proben der Cisellirung in
kleinem Maassstabe die Rede. Dasselbe gilt von Myron,
und Kalamis gehört sogar zu den Meistern in diesem Fache.
Von Kallimachos wird wenigstens ein toreutisches Werk
angeführt. Zwar sind die hierher gehörigen, meist aus der
römischen Kaiserzeit stammenden Nachrichten als in hohem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0415" n="398"/>
Erzfiguren, bei denen trotz ihrer Kleinheit die Modellirung<lb/>
vor dem Gusse doch immer eine hohe Bedeutung bewahrt,<lb/>
sondern die Verfertiger von Arbeiten, welche ursprünglich<lb/>
zu praktischem Gebrauch bestimmt sind und zu Kunstwerken<lb/>
nur durch die kunstreiche Verzierung erhoben werden, wozu<lb/>
namentlich alle die Geräthe und Gefässe gehören, welche<lb/>
beim Opfer, beim Mahle und Gelage auch dem Auge des<lb/>
Benutzenden einen Genuss bereiten sollen. So äusserlich<lb/>
eine solche Beschränkung scheinen mag, so hat sie doch<lb/>
ihren tieferen Grund. Denn an Arbeiten dieser Art hat der<lb/>
Guss meist so geringen Antheil, dass er sogar häufig gänz-<lb/>
lich ausser Betracht kommt und durch ein Treiben des Me-<lb/>
talls mit dem Hammer ersetzt wird. Hiermit hängt es auch<lb/>
zusammen, dass diese Künstler dem Silber als Material<lb/>
weitaus den Vorzug gaben; denn abgesehen davon, dass<lb/>
dieses Metall für Geräthe des Luxus als das passendste er-<lb/>
scheint, ist es durch seine Feinheit und Dehnbarkeit gerade<lb/>
für die toreutische Bearbeitung vorzugsweise geeignet.</p><lb/>
          <p>Allerdings ist eine solche Beschränkung des Begriffes<lb/>
der Toreutik nicht überall und zu jeder Zeit in gleicher<lb/>
Strenge festgehalten worden; und namentlich sehen wir auch<lb/>
hier wieder den Satz bestätigt, dass in den früheren Perio-<lb/>
den die Ausübung mehrerer von einander getrennte Kunst-<lb/>
zweige nicht immer eine nach den Personen streng geschie-<lb/>
dene ist, sondern dass sich dieselben häufig in <hi rendition="#g">einer</hi> Hand<lb/>
vereinigt finden. So, um von <hi rendition="#g">Daedalos</hi> zu schweigen, den<lb/>
wir wegen einer vereinzelten Erwähnung nicht sogleich für<lb/>
den Vertreter der Toreutik in der mythischen Zeit halten<lb/>
dürfen, ist sogleich der Künstler, welchem die Erfindung des<lb/>
Erzgusses beigelegt wird, <hi rendition="#g">Theodoros</hi> von Samos, durch<lb/>
mehrere Werke berühmt, deren Verdienst nur auf der Ci-<lb/>
sellirung beruhen konnte. Von <hi rendition="#g">Phidias</hi> heisst es nicht nur,<lb/>
dass er die Toreutik (im weiteren Sinne) begründet, von<lb/><hi rendition="#g">Polyklet,</hi> dass er sie durchgebildet; sondern es ist auch<lb/>
bei beiden Meistern von einzelnen Proben der Cisellirung in<lb/>
kleinem Maassstabe die Rede. Dasselbe gilt von Myron,<lb/>
und <hi rendition="#g">Kalamis</hi> gehört sogar zu den Meistern in diesem Fache.<lb/>
Von <hi rendition="#g">Kallimachos</hi> wird wenigstens ein toreutisches Werk<lb/>
angeführt. Zwar sind die hierher gehörigen, meist aus der<lb/>
römischen Kaiserzeit stammenden Nachrichten als in hohem<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[398/0415] Erzfiguren, bei denen trotz ihrer Kleinheit die Modellirung vor dem Gusse doch immer eine hohe Bedeutung bewahrt, sondern die Verfertiger von Arbeiten, welche ursprünglich zu praktischem Gebrauch bestimmt sind und zu Kunstwerken nur durch die kunstreiche Verzierung erhoben werden, wozu namentlich alle die Geräthe und Gefässe gehören, welche beim Opfer, beim Mahle und Gelage auch dem Auge des Benutzenden einen Genuss bereiten sollen. So äusserlich eine solche Beschränkung scheinen mag, so hat sie doch ihren tieferen Grund. Denn an Arbeiten dieser Art hat der Guss meist so geringen Antheil, dass er sogar häufig gänz- lich ausser Betracht kommt und durch ein Treiben des Me- talls mit dem Hammer ersetzt wird. Hiermit hängt es auch zusammen, dass diese Künstler dem Silber als Material weitaus den Vorzug gaben; denn abgesehen davon, dass dieses Metall für Geräthe des Luxus als das passendste er- scheint, ist es durch seine Feinheit und Dehnbarkeit gerade für die toreutische Bearbeitung vorzugsweise geeignet. Allerdings ist eine solche Beschränkung des Begriffes der Toreutik nicht überall und zu jeder Zeit in gleicher Strenge festgehalten worden; und namentlich sehen wir auch hier wieder den Satz bestätigt, dass in den früheren Perio- den die Ausübung mehrerer von einander getrennte Kunst- zweige nicht immer eine nach den Personen streng geschie- dene ist, sondern dass sich dieselben häufig in einer Hand vereinigt finden. So, um von Daedalos zu schweigen, den wir wegen einer vereinzelten Erwähnung nicht sogleich für den Vertreter der Toreutik in der mythischen Zeit halten dürfen, ist sogleich der Künstler, welchem die Erfindung des Erzgusses beigelegt wird, Theodoros von Samos, durch mehrere Werke berühmt, deren Verdienst nur auf der Ci- sellirung beruhen konnte. Von Phidias heisst es nicht nur, dass er die Toreutik (im weiteren Sinne) begründet, von Polyklet, dass er sie durchgebildet; sondern es ist auch bei beiden Meistern von einzelnen Proben der Cisellirung in kleinem Maassstabe die Rede. Dasselbe gilt von Myron, und Kalamis gehört sogar zu den Meistern in diesem Fache. Von Kallimachos wird wenigstens ein toreutisches Werk angeführt. Zwar sind die hierher gehörigen, meist aus der römischen Kaiserzeit stammenden Nachrichten als in hohem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der zweite Band der "Geschichte der griechischen … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/415
Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/415>, abgerufen am 24.11.2024.