gefällt worden ist, wenn dadurch die Werke der polygnoti- schen Schule als einer eingehenden Betrachtung kaum würdig hingestellt werden sollten. Allein -- sie waren eben keine tabulae, sondern Wandgemälde. Das ist meine Ueberzeugung in dieser vielbesprochenen Frage: vor Apollodor überwiegt die Wandmalerei in solchem Maasse, dass von Tafelgemälden kaum die Rede ist; nach Apollodor ist das Umgekehrte der Fall; nur hört die Wandmalerei nicht auf, sondern sie tritt nur als für besondere Zwecke und Aufgaben geeignet, mehr in den Hintergrund. Die verschiedenen Seiten dieser Frage sind von Letronne,1) Roul Rochette2) und Welcker3) in solcher Ausführlichkeit erörtert worden, dass ich mich mit Beseitigung als dessen, was eine Deutung nach beiden Seiten zulässt, auf wenige entscheidende Punkte werde be- schränken dürfen.
Als der unumstösslichste Beweis für die Ansicht, dass Polygnot seine grossen Compositionen nicht auf die Wand, sondern auf Tafeln gemalt habe, werden zwei Stellen des Sy- nesius4) hingestellt: [fremdsprachliches Material - fehlt] [fremdsprachliches Material - fehlt]. Und: [fremdsprachliches Material - fehlt] [fremdsprachliches Material - fehlt]. Diese Angaben scheinen allerdings so po- sitiv wie möglieh; um jedoch jede Erörterung abzuschneiden, würden sie nur dann genügen, wenn etwa gesagt wäre: der Proconsul nahm die Tafeln weg und brachte sie nach einem andern Orte. Allein es handelt sich hier keineswegs um einen Kunstraub, sondern um christlichen Fanatismus, wel- cher die Werke der alten Kunst zerstört, weil sie dem neuen Glauben anstössig sind. Erinnern wir uns nur kurz der hi- storischen Verhältnisse: Himerius erwähnt das Gemälde der marathonischen Schlacht in der Poekile als noch existirend, Synesius als nicht mehr vorhanden. Mit grosser Wahr- scheinlichkeit vermuthet daher Letronne,5) dass das Edict des Theodosius gegen den Paganismus im J. 391 den Grund zur Vernichtung gegeben habe. Erst elf Jahre später kam Synesius nach Athen, hatte also die Bilder selbst nicht mehr
1) Lettres d'un antiquaire a un artiste.
2) Peintures antiques inedites.
3) Allg. Litt. Zeit. 1836, N. 173 fg.
4) ep. 54 und 135.
5) S. 202.
gefällt worden ist, wenn dadurch die Werke der polygnoti- schen Schule als einer eingehenden Betrachtung kaum würdig hingestellt werden sollten. Allein — sie waren eben keine tabulae, sondern Wandgemälde. Das ist meine Ueberzeugung in dieser vielbesprochenen Frage: vor Apollodor überwiegt die Wandmalerei in solchem Maasse, dass von Tafelgemälden kaum die Rede ist; nach Apollodor ist das Umgekehrte der Fall; nur hört die Wandmalerei nicht auf, sondern sie tritt nur als für besondere Zwecke und Aufgaben geeignet, mehr in den Hintergrund. Die verschiedenen Seiten dieser Frage sind von Letronne,1) Roul Rochette2) und Welcker3) in solcher Ausführlichkeit erörtert worden, dass ich mich mit Beseitigung als dessen, was eine Deutung nach beiden Seiten zulässt, auf wenige entscheidende Punkte werde be- schränken dürfen.
Als der unumstösslichste Beweis für die Ansicht, dass Polygnot seine grossen Compositionen nicht auf die Wand, sondern auf Tafeln gemalt habe, werden zwei Stellen des Sy- nesius4) hingestellt: [fremdsprachliches Material – fehlt] [fremdsprachliches Material – fehlt]. Und: [fremdsprachliches Material – fehlt] [fremdsprachliches Material – fehlt]. Diese Angaben scheinen allerdings so po- sitiv wie möglieh; um jedoch jede Erörterung abzuschneiden, würden sie nur dann genügen, wenn etwa gesagt wäre: der Proconsul nahm die Tafeln weg und brachte sie nach einem andern Orte. Allein es handelt sich hier keineswegs um einen Kunstraub, sondern um christlichen Fanatismus, wel- cher die Werke der alten Kunst zerstört, weil sie dem neuen Glauben anstössig sind. Erinnern wir uns nur kurz der hi- storischen Verhältnisse: Himerius erwähnt das Gemälde der marathonischen Schlacht in der Poekile als noch existirend, Synesius als nicht mehr vorhanden. Mit grosser Wahr- scheinlichkeit vermuthet daher Letronne,5) dass das Edict des Theodosius gegen den Paganismus im J. 391 den Grund zur Vernichtung gegeben habe. Erst elf Jahre später kam Synesius nach Athen, hatte also die Bilder selbst nicht mehr
1) Lettres d’un antiquaire à un artiste.
2) Peintures antiques inédites.
3) Allg. Litt. Zeit. 1836, N. 173 fg.
4) ep. 54 und 135.
5) S. 202.
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[61/0078]
gefällt worden ist, wenn dadurch die Werke der polygnoti-
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tabulae, sondern Wandgemälde. Das ist meine Ueberzeugung
in dieser vielbesprochenen Frage: vor Apollodor überwiegt
die Wandmalerei in solchem Maasse, dass von Tafelgemälden
kaum die Rede ist; nach Apollodor ist das Umgekehrte der
Fall; nur hört die Wandmalerei nicht auf, sondern sie
tritt nur als für besondere Zwecke und Aufgaben geeignet,
mehr in den Hintergrund. Die verschiedenen Seiten dieser
Frage sind von Letronne, 1) Roul Rochette 2) und Welcker 3)
in solcher Ausführlichkeit erörtert worden, dass ich mich
mit Beseitigung als dessen, was eine Deutung nach beiden
Seiten zulässt, auf wenige entscheidende Punkte werde be-
schränken dürfen.
Als der unumstösslichste Beweis für die Ansicht, dass
Polygnot seine grossen Compositionen nicht auf die Wand,
sondern auf Tafeln gemalt habe, werden zwei Stellen des Sy-
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sitiv wie möglieh; um jedoch jede Erörterung abzuschneiden,
würden sie nur dann genügen, wenn etwa gesagt wäre: der
Proconsul nahm die Tafeln weg und brachte sie nach einem
andern Orte. Allein es handelt sich hier keineswegs um
einen Kunstraub, sondern um christlichen Fanatismus, wel-
cher die Werke der alten Kunst zerstört, weil sie dem neuen
Glauben anstössig sind. Erinnern wir uns nur kurz der hi-
storischen Verhältnisse: Himerius erwähnt das Gemälde der
marathonischen Schlacht in der Poekile als noch existirend,
Synesius als nicht mehr vorhanden. Mit grosser Wahr-
scheinlichkeit vermuthet daher Letronne, 5) dass das Edict
des Theodosius gegen den Paganismus im J. 391 den Grund
zur Vernichtung gegeben habe. Erst elf Jahre später kam
Synesius nach Athen, hatte also die Bilder selbst nicht mehr
1) Lettres d’un antiquaire à un artiste.
2) Peintures antiques inédites.
3) Allg. Litt. Zeit. 1836, N. 173 fg.
4) ep. 54 und 135.
5) S. 202.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Der zweite Band der "Geschichte der griechischen … [mehr]
Der zweite Band der "Geschichte der griechischen Künstler" von Heinrich von Brunn enthält ebenfalls den "Zweiten Teil der ersten Abteilung", die im Deutschen Textarchiv als eigenständiges Werk verzeichnet ist.
Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/78>, abgerufen am 21.11.2024.
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