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Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859.

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tektonischen Raume, der es umgiebt, in einem festen, unauf-
löslichen Zusammenhange. Die erste Aufgabe des Künstlers
ist hier, seine Composition so einzurichten, dass der gegebene
Raum durch dieselbe seine weitere, dem Ganzen entspre-
chende architektonische Gliederung zu erhalten scheine. Auf
der strengen Erfüllung dieser Forderung beruht z. B. ein
Hauptverdienst der mittelalterlichen Kirchenmosaiken. Manche
Unregelmässigkeiten des gegebenen Raumes können auf diese
Weise durch eine geschickte Benutzung von Seiten des
Künstlers sogar zu neuen Schönheiten Veranlassung bieten,
während sie in Tafelbildern vielleicht die entgegengesetzte
Wirkung hervorbringen würden. Denn hier erscheint die
äussere Form des Bildes nicht als etwas mit absoluter Noth-
wendigkeit Gegebenes, sondern sie ist, wenn auch nicht immer
ganz, doch in weit höherem Maasse dem freien Ermessen des
Künstlers überlassen, der sich nicht willkürlich Schwierig-
keiten schaffen soll, um in ihrer Lösung zu glänzen, sondern
stets für seinen Gedanken die einfachste, natürlichste und
entsprechendste Form zu suchen hat. In Bezug auf strenge
architektonische Composition ist vielleicht das ausgezeich-
netste Werk der gesammten neueren Kunst die Disputa von
Raphael. Man denke sich nun, Raphael habe diese Compo-
sition, sowie sie ist, ursprünglich für ein Tafelbild bestimmen
wollen, so wird sie dieses Lob nicht mehr, wenigstens nicht
in so hohem Grade, verdienen: denn die streng architekto-
nische Gliederung war nicht mehr mit Nothwendigkeit ge-
boten.

Bedienen wir uns dieses Beispiels auch noch für eine
weitere Betrachtung. Man übertrage sich in der Phantasie
die Disputa als Tafelbild und in derselben Grösse mit Besei-
tigung aller rein malerischen Reize in einen dem polygno-
tischen verwandten Styl, so würde sie durch diesen Styl
nur um so mehr verlieren, als Wandgemälde dagegen jenen
früheren Werth ganz ungeschmälert bewahren. Der Grund
liegt wiederum lediglich darin, dass ein Wandgemälde (von
dem geistigen Inhalte der Darstellung natürlich ganz abge-
sehen) in uns schon dann einen hohen Grad der Befriedigung
zu erwecken vermag, wenn nur jenen architektonischen For-
derungen, mit denen freilich die gesammte Zeichnung im eng-
sten Zusammenhange steht, Genüge geschehen ist; und eben

tektonischen Raume, der es umgiebt, in einem festen, unauf-
löslichen Zusammenhange. Die erste Aufgabe des Künstlers
ist hier, seine Composition so einzurichten, dass der gegebene
Raum durch dieselbe seine weitere, dem Ganzen entspre-
chende architektonische Gliederung zu erhalten scheine. Auf
der strengen Erfüllung dieser Forderung beruht z. B. ein
Hauptverdienst der mittelalterlichen Kirchenmosaiken. Manche
Unregelmässigkeiten des gegebenen Raumes können auf diese
Weise durch eine geschickte Benutzung von Seiten des
Künstlers sogar zu neuen Schönheiten Veranlassung bieten,
während sie in Tafelbildern vielleicht die entgegengesetzte
Wirkung hervorbringen würden. Denn hier erscheint die
äussere Form des Bildes nicht als etwas mit absoluter Noth-
wendigkeit Gegebenes, sondern sie ist, wenn auch nicht immer
ganz, doch in weit höherem Maasse dem freien Ermessen des
Künstlers überlassen, der sich nicht willkürlich Schwierig-
keiten schaffen soll, um in ihrer Lösung zu glänzen, sondern
stets für seinen Gedanken die einfachste, natürlichste und
entsprechendste Form zu suchen hat. In Bezug auf strenge
architektonische Composition ist vielleicht das ausgezeich-
netste Werk der gesammten neueren Kunst die Disputa von
Raphael. Man denke sich nun, Raphael habe diese Compo-
sition, sowie sie ist, ursprünglich für ein Tafelbild bestimmen
wollen, so wird sie dieses Lob nicht mehr, wenigstens nicht
in so hohem Grade, verdienen: denn die streng architekto-
nische Gliederung war nicht mehr mit Nothwendigkeit ge-
boten.

Bedienen wir uns dieses Beispiels auch noch für eine
weitere Betrachtung. Man übertrage sich in der Phantasie
die Disputa als Tafelbild und in derselben Grösse mit Besei-
tigung aller rein malerischen Reize in einen dem polygno-
tischen verwandten Styl, so würde sie durch diesen Styl
nur um so mehr verlieren, als Wandgemälde dagegen jenen
früheren Werth ganz ungeschmälert bewahren. Der Grund
liegt wiederum lediglich darin, dass ein Wandgemälde (von
dem geistigen Inhalte der Darstellung natürlich ganz abge-
sehen) in uns schon dann einen hohen Grad der Befriedigung
zu erwecken vermag, wenn nur jenen architektonischen For-
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[66/0083] tektonischen Raume, der es umgiebt, in einem festen, unauf- löslichen Zusammenhange. Die erste Aufgabe des Künstlers ist hier, seine Composition so einzurichten, dass der gegebene Raum durch dieselbe seine weitere, dem Ganzen entspre- chende architektonische Gliederung zu erhalten scheine. Auf der strengen Erfüllung dieser Forderung beruht z. B. ein Hauptverdienst der mittelalterlichen Kirchenmosaiken. Manche Unregelmässigkeiten des gegebenen Raumes können auf diese Weise durch eine geschickte Benutzung von Seiten des Künstlers sogar zu neuen Schönheiten Veranlassung bieten, während sie in Tafelbildern vielleicht die entgegengesetzte Wirkung hervorbringen würden. Denn hier erscheint die äussere Form des Bildes nicht als etwas mit absoluter Noth- wendigkeit Gegebenes, sondern sie ist, wenn auch nicht immer ganz, doch in weit höherem Maasse dem freien Ermessen des Künstlers überlassen, der sich nicht willkürlich Schwierig- keiten schaffen soll, um in ihrer Lösung zu glänzen, sondern stets für seinen Gedanken die einfachste, natürlichste und entsprechendste Form zu suchen hat. In Bezug auf strenge architektonische Composition ist vielleicht das ausgezeich- netste Werk der gesammten neueren Kunst die Disputa von Raphael. Man denke sich nun, Raphael habe diese Compo- sition, sowie sie ist, ursprünglich für ein Tafelbild bestimmen wollen, so wird sie dieses Lob nicht mehr, wenigstens nicht in so hohem Grade, verdienen: denn die streng architekto- nische Gliederung war nicht mehr mit Nothwendigkeit ge- boten. Bedienen wir uns dieses Beispiels auch noch für eine weitere Betrachtung. Man übertrage sich in der Phantasie die Disputa als Tafelbild und in derselben Grösse mit Besei- tigung aller rein malerischen Reize in einen dem polygno- tischen verwandten Styl, so würde sie durch diesen Styl nur um so mehr verlieren, als Wandgemälde dagegen jenen früheren Werth ganz ungeschmälert bewahren. Der Grund liegt wiederum lediglich darin, dass ein Wandgemälde (von dem geistigen Inhalte der Darstellung natürlich ganz abge- sehen) in uns schon dann einen hohen Grad der Befriedigung zu erwecken vermag, wenn nur jenen architektonischen For- derungen, mit denen freilich die gesammte Zeichnung im eng- sten Zusammenhange steht, Genüge geschehen ist; und eben

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Zitationshilfe: Brunn, Heinrich von: Geschichte der griechischen Künstler. Bd. 2. Stuttgart, 1859, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunn_griechen02_1859/83>, abgerufen am 21.11.2024.