Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.§ 14. Die Stände. jüngeren Quellen liefern den Beweis, dass Tacitus hier mit wenigenStrichen ein scharfes und richtiges Bild von der Lage der Frei- gelassenen gezeichnet hat. Die südgermanischen Rechte unterscheiden später zwei Hauptarten Trotz der Freilassung zu minderem Rechte wird der Freigelassene 11 Für das norwegische Recht hat K. Maurer a. O. nachgewiesen, dass gleich- falls zwei Klassen von Freigelassenen zu unterscheiden seien, von welchen die ge- ringere die volle Freizügigkeit entbehrte. 12 Lex Burg. 57: Burgundionis libertus, qui domino suo solidos XII non dederit, ut habeat licentiam sicut est consuetudinis quo voluerit discedendi ... necesse est, ut in domini familia censeatur. Über das norwegische Recht vgl. Fr. Brandt, Forelaesn. I 72 f.; K. Maurer a. O. S 38. 13 Arg. Liutpr. 142. 143. 14 Das gilt selbst von höher gestellten Klassen der Freigelassenen. So heisst es in Wihträd 8 vom Volkfreien: freolsgefa age his erfe aende wergeld. Wergeld und Erbrecht fallen unbedingt an den Fiskus nach Form. imp. 38 Zeumer S 315; Cap. Aquisgr. c. 9, I 117. Siehe Zeumer, Über die Beerbung der Freigelassenen durch den Fiskus nach fränkischem Recht, Forschungen XXIII 189 ff. Ein Erb- recht der Kinder räumen auf Grund gewisser Freilassungsarten ein das ribuarische Recht (Lex Rib. 57, 4; 58, 4; 61, 1 bei Denarialen, tabularii und homines romani) und das langobardische Recht (Roth. 225, vgl. Liu. 77) bei Volkfreien. Nach nor- wegischem Rechte fehlt den Kindern der Freigelassenen niederer Ordnung das Erb- recht. K. Maurer, Freigelassene S 38. 85. 15 Bei der langobardischen Freilassung zu höherem Rechte wird der Knecht
an einen Kreuzweg geführt und erklärt der Freilasser: du magst von diesen vier Wegen wandeln, welchen du willst. Bei der Freilassung zum Aldius unterbleibt § 14. Die Stände. jüngeren Quellen liefern den Beweis, daſs Tacitus hier mit wenigenStrichen ein scharfes und richtiges Bild von der Lage der Frei- gelassenen gezeichnet hat. Die südgermanischen Rechte unterscheiden später zwei Hauptarten Trotz der Freilassung zu minderem Rechte wird der Freigelassene 11 Für das norwegische Recht hat K. Maurer a. O. nachgewiesen, daſs gleich- falls zwei Klassen von Freigelassenen zu unterscheiden seien, von welchen die ge- ringere die volle Freizügigkeit entbehrte. 12 Lex Burg. 57: Burgundionis libertus, qui domino suo solidos XII non dederit, ut habeat licentiam sicut est consuetudinis quo voluerit discedendi … necesse est, ut in domini familia censeatur. Über das norwegische Recht vgl. Fr. Brandt, Forelæsn. I 72 f.; K. Maurer a. O. S 38. 13 Arg. Liutpr. 142. 143. 14 Das gilt selbst von höher gestellten Klassen der Freigelassenen. So heiſst es in Wihträd 8 vom Volkfreien: freólsgefa âge his erfe ænde wergeld. Wergeld und Erbrecht fallen unbedingt an den Fiskus nach Form. imp. 38 Zeumer S 315; Cap. Aquisgr. c. 9, I 117. Siehe Zeumer, Über die Beerbung der Freigelassenen durch den Fiskus nach fränkischem Recht, Forschungen XXIII 189 ff. Ein Erb- recht der Kinder räumen auf Grund gewisser Freilassungsarten ein das ribuarische Recht (Lex Rib. 57, 4; 58, 4; 61, 1 bei Denarialen, tabularii und homines romani) und das langobardische Recht (Roth. 225, vgl. Liu. 77) bei Volkfreien. Nach nor- wegischem Rechte fehlt den Kindern der Freigelassenen niederer Ordnung das Erb- recht. K. Maurer, Freigelassene S 38. 85. 15 Bei der langobardischen Freilassung zu höherem Rechte wird der Knecht
an einen Kreuzweg geführt und erklärt der Freilasser: du magst von diesen vier Wegen wandeln, welchen du willst. Bei der Freilassung zum Aldius unterbleibt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0116" n="98"/><fw place="top" type="header">§ 14. Die Stände.</fw><lb/> jüngeren Quellen liefern den Beweis, daſs Tacitus hier mit wenigen<lb/> Strichen ein scharfes und richtiges Bild von der Lage der Frei-<lb/> gelassenen gezeichnet hat.</p><lb/> <p>Die südgermanischen Rechte unterscheiden später zwei Hauptarten<lb/> privatrechtlicher Freilassung, eine Freilassung zu minderem und eine<lb/> Freilassung zu höherem Rechte; jene versagt, diese gewährt dem<lb/> Freigelassenen das charakteristische Merkmal der Freiheit, die Frei-<lb/> zügigkeit<note place="foot" n="11">Für das norwegische Recht hat K. <hi rendition="#g">Maurer</hi> a. O. nachgewiesen, daſs gleich-<lb/> falls zwei Klassen von Freigelassenen zu unterscheiden seien, von welchen die ge-<lb/> ringere die volle Freizügigkeit entbehrte.</note>.</p><lb/> <p>Trotz der Freilassung zu minderem Rechte wird der Freigelassene<lb/> noch als zum Hausstande seines Herrn gehörig betrachtet<note place="foot" n="12">Lex Burg. 57: Burgundionis libertus, qui domino suo solidos XII non<lb/> dederit, ut habeat licentiam sicut est consuetudinis quo voluerit discedendi …<lb/> necesse est, ut in domini familia censeatur. Über das norwegische Recht vgl.<lb/><hi rendition="#g">Fr. Brandt</hi>, Forelæsn. I 72 f.; K. <hi rendition="#g">Maurer</hi> a. O. S 38.</note>, woraus<lb/> sich eine grundsätzliche Haftung des letzteren für die Handlungen des<lb/> ersteren ergiebt. Der Freigelassene lebt zwar häufig nicht im Hause<lb/> des Herrn, sondern auf einem abhängigen Hofe, ist aber verpflichtet,<lb/> durch Arbeit und Abgaben der Wirtschaft seines Herrn zu dienen.<lb/> Er ist an die Scholle gebunden. Wird er flüchtig, so kann er gleich<lb/> einem flüchtigen Knechte verfolgt und wieder eingebracht werden<note place="foot" n="13">Arg. Liutpr. 142. 143.</note>.<lb/> Wergeld und Nachlaſs des Freigelassenen fallen ursprünglich stets<lb/> und ungeteilt<note place="foot" n="14">Das gilt selbst von höher gestellten Klassen der Freigelassenen. So heiſst<lb/> es in Wihträd 8 vom Volkfreien: freólsgefa âge his erfe ænde wergeld. Wergeld<lb/> und Erbrecht fallen unbedingt an den Fiskus nach Form. imp. 38 <hi rendition="#g">Zeumer</hi> S 315;<lb/> Cap. Aquisgr. c. 9, I 117. Siehe <hi rendition="#g">Zeumer</hi>, Über die Beerbung der Freigelassenen<lb/> durch den Fiskus nach fränkischem Recht, Forschungen XXIII 189 ff. Ein Erb-<lb/> recht der Kinder räumen auf Grund gewisser Freilassungsarten ein das ribuarische<lb/> Recht (Lex Rib. 57, 4; 58, 4; 61, 1 bei Denarialen, tabularii und homines romani)<lb/> und das langobardische Recht (Roth. 225, vgl. Liu. 77) bei Volkfreien. Nach nor-<lb/> wegischem Rechte fehlt den Kindern der Freigelassenen niederer Ordnung das Erb-<lb/> recht. K. <hi rendition="#g">Maurer</hi>, Freigelassene S 38. 85.</note>, später wenigstens unter gewissen Voraussetzungen<lb/> oder doch teilweise an den Herrn. Die Formen der Freilassung zu<lb/> minderem Recht kennzeichnen sich durch das negative Moment, daſs<lb/> die symbolische Handlung und die mündliche Erklärung unterbleibt,<lb/> welche die Gewährung der Freizügigkeit zum Ausdruck bringt<note xml:id="note-0116" next="#note-0117" place="foot" n="15">Bei der langobardischen Freilassung zu höherem Rechte wird der Knecht<lb/> an einen Kreuzweg geführt und erklärt der Freilasser: du magst von diesen vier<lb/> Wegen wandeln, welchen du willst. Bei der Freilassung zum Aldius unterbleibt</note>.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [98/0116]
§ 14. Die Stände.
jüngeren Quellen liefern den Beweis, daſs Tacitus hier mit wenigen
Strichen ein scharfes und richtiges Bild von der Lage der Frei-
gelassenen gezeichnet hat.
Die südgermanischen Rechte unterscheiden später zwei Hauptarten
privatrechtlicher Freilassung, eine Freilassung zu minderem und eine
Freilassung zu höherem Rechte; jene versagt, diese gewährt dem
Freigelassenen das charakteristische Merkmal der Freiheit, die Frei-
zügigkeit 11.
Trotz der Freilassung zu minderem Rechte wird der Freigelassene
noch als zum Hausstande seines Herrn gehörig betrachtet 12, woraus
sich eine grundsätzliche Haftung des letzteren für die Handlungen des
ersteren ergiebt. Der Freigelassene lebt zwar häufig nicht im Hause
des Herrn, sondern auf einem abhängigen Hofe, ist aber verpflichtet,
durch Arbeit und Abgaben der Wirtschaft seines Herrn zu dienen.
Er ist an die Scholle gebunden. Wird er flüchtig, so kann er gleich
einem flüchtigen Knechte verfolgt und wieder eingebracht werden 13.
Wergeld und Nachlaſs des Freigelassenen fallen ursprünglich stets
und ungeteilt 14, später wenigstens unter gewissen Voraussetzungen
oder doch teilweise an den Herrn. Die Formen der Freilassung zu
minderem Recht kennzeichnen sich durch das negative Moment, daſs
die symbolische Handlung und die mündliche Erklärung unterbleibt,
welche die Gewährung der Freizügigkeit zum Ausdruck bringt 15.
11 Für das norwegische Recht hat K. Maurer a. O. nachgewiesen, daſs gleich-
falls zwei Klassen von Freigelassenen zu unterscheiden seien, von welchen die ge-
ringere die volle Freizügigkeit entbehrte.
12 Lex Burg. 57: Burgundionis libertus, qui domino suo solidos XII non
dederit, ut habeat licentiam sicut est consuetudinis quo voluerit discedendi …
necesse est, ut in domini familia censeatur. Über das norwegische Recht vgl.
Fr. Brandt, Forelæsn. I 72 f.; K. Maurer a. O. S 38.
13 Arg. Liutpr. 142. 143.
14 Das gilt selbst von höher gestellten Klassen der Freigelassenen. So heiſst
es in Wihträd 8 vom Volkfreien: freólsgefa âge his erfe ænde wergeld. Wergeld
und Erbrecht fallen unbedingt an den Fiskus nach Form. imp. 38 Zeumer S 315;
Cap. Aquisgr. c. 9, I 117. Siehe Zeumer, Über die Beerbung der Freigelassenen
durch den Fiskus nach fränkischem Recht, Forschungen XXIII 189 ff. Ein Erb-
recht der Kinder räumen auf Grund gewisser Freilassungsarten ein das ribuarische
Recht (Lex Rib. 57, 4; 58, 4; 61, 1 bei Denarialen, tabularii und homines romani)
und das langobardische Recht (Roth. 225, vgl. Liu. 77) bei Volkfreien. Nach nor-
wegischem Rechte fehlt den Kindern der Freigelassenen niederer Ordnung das Erb-
recht. K. Maurer, Freigelassene S 38. 85.
15 Bei der langobardischen Freilassung zu höherem Rechte wird der Knecht
an einen Kreuzweg geführt und erklärt der Freilasser: du magst von diesen vier
Wegen wandeln, welchen du willst. Bei der Freilassung zum Aldius unterbleibt
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |