Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite

§ 14. Die Stände.
Freien durch ein höheres Wergeld ausgezeichnet ist. Für diesen
Geburtsadel überliefert uns das Volksrecht der Angeln und Warnen
den deutschen Ausdruck Adaling55. Ein Bericht über die alten Sachsen
unterscheidet bei ihnen aedhilingi, frilingi und lazzi56. Ebenso gliedert
sich der Stamm der Friesen nach jüngeren Quellen in ethelinga, fri-
linga, letslachta57. Den aedeling kennen auch die Angelsachsen, doch
wenden ihre Gesetze und die übrigen Prosadenkmäler das Wort nicht
auf den Adel schlechtweg, sondern nur auf die männlichen Mitglieder
des Königsgeschlechtes an58. Bei den Langobarden erscheinen die
Adeligen als primi, nobiles, bei den Alamannen als primi oder
meliorissimi. Auch fehlt es nicht an Spuren, dass ihnen der Aus-
druck Adeling, Edeling geläufig war59. Das Volksrecht der Baiern
zählt neben dem Herzogsgeschlechte der Agilolfinger die Geschlechter
der Huosi, Drozza, Fagana, Hahilinga und Anniona auf, die als
quasi primi post Agilolfingos durch das zweifache Wergeld des freien
Mannes sich auszeichnen. Bei den Franken ist der Adel zwar für das
Königsgeschlecht der Merowinger bezeugt60, aber ausser ihm ein alter

Warnkönig, Flandr. RG II 1 Nr 34 S 62, findet sich das Wort Adeling in der
Bedeutung von Geschlechtsgenosse, Mag schlechtweg: Es ooc eenich adelinc, die
dat eerve ... wilt coepen ... syn die drie Sondaghe leden, een vremde mach
dat eerve coepen. Dass adelinc hier so viel wie propinquus, bestätigt zum Über-
fluss die Vergleichung mit dem lateinischen Texte der Keure des Landes Waes
§ 31 Warnkönig a. O. II 2 S 182, c. 31.
55 Lex Angl. et Werin. I 1: LL V 119. Dazu die Anmerkung v. Richt-
hofens
und Schröder, Z2 f. RG VII 20.
56 Nithard IV 2 MG SS II 668. Der Heliand hat adali, adalkunni, adalknosal
um das edle Geschlecht, adali auch um die Gesamtheit des Adels zu bezeichnen.
57 v. Richthofen, Fries. WB S 720. 896.
58 Leges Edw. Confess. c. 35 § 1. Quia vero heredem putabat eum facere,
nominavit eum aedeling, quod nos dicimus domicellum; sed nos de pluribus, quia
filios baronum vocamus domicellos, Angli autem nullum praeter filios regum vocant.
Siehe Schmid, Gesetze der Ags. S 527, der für die Beschränkung der Bezeichnung
aedeling auf die Männer des Königsgeschlechtes eine Reihe von überzeugenden Be-
legstellen anführt. In den Denkmälern der ags. Poesie, so insbesondere im Beo-
vulf wird aedeling im weiteren Sinne zur Bezeichnung des Geburtsadels überhaupt
gebraucht. Scherer in der Z f. österr. Gymn. 1869 S 108.
59 Liu. 62 nennt das Wergeld des primus, Liu. 89 die im Betrage ent-
sprechende meta des nobilis. Adelingi heissen die Langobardenkönige bis auf
Waltari im Chronicon Gothanum LL V 644. Eine italienische Urkunde von 1280,
Schupfer, Wiener Sitzungsber. XXXV 240, nennt edelingi. Zusammensetzungen
mit adal bieten langobardische Eigennamen wie Adelbert, Adelchis, Adelcho, Adal-
wald. Bezüglich der Alamannen s. Pactus Alam. II 39, III 27 und die ahd. Glossen
bei Graff I 141 ff.
60 Greg. Tur. Hist. Fr. II 9: ibique iuxta pagus vel civitates regis crinitos super

§ 14. Die Stände.
Freien durch ein höheres Wergeld ausgezeichnet ist. Für diesen
Geburtsadel überliefert uns das Volksrecht der Angeln und Warnen
den deutschen Ausdruck Adaling55. Ein Bericht über die alten Sachsen
unterscheidet bei ihnen aedhilingi, frilingi und lazzi56. Ebenso gliedert
sich der Stamm der Friesen nach jüngeren Quellen in ethelinga, fri-
linga, letslachta57. Den æđeling kennen auch die Angelsachsen, doch
wenden ihre Gesetze und die übrigen Prosadenkmäler das Wort nicht
auf den Adel schlechtweg, sondern nur auf die männlichen Mitglieder
des Königsgeschlechtes an58. Bei den Langobarden erscheinen die
Adeligen als primi, nobiles, bei den Alamannen als primi oder
meliorissimi. Auch fehlt es nicht an Spuren, daſs ihnen der Aus-
druck Adeling, Edeling geläufig war59. Das Volksrecht der Baiern
zählt neben dem Herzogsgeschlechte der Agilolfinger die Geschlechter
der Huosi, Drozza, Fagăna, Hahilinga und Anniona auf, die als
quasi primi post Agilolfingos durch das zweifache Wergeld des freien
Mannes sich auszeichnen. Bei den Franken ist der Adel zwar für das
Königsgeschlecht der Merowinger bezeugt60, aber auſser ihm ein alter

Warnkönig, Flandr. RG II 1 Nr 34 S 62, findet sich das Wort Adeling in der
Bedeutung von Geschlechtsgenosse, Mag schlechtweg: Es ooc eenich adelinc, die
dat eerve … wilt coepen … syn die drie Sondaghe leden, een vremde mach
dat eerve coepen. Daſs adelinc hier so viel wie propinquus, bestätigt zum Über-
fluſs die Vergleichung mit dem lateinischen Texte der Keure des Landes Waes
§ 31 Warnkönig a. O. II 2 S 182, c. 31.
55 Lex Angl. et Werin. I 1: LL V 119. Dazu die Anmerkung v. Richt-
hofens
und Schröder, Z2 f. RG VII 20.
56 Nithard IV 2 MG SS II 668. Der Heliand hat ađali, ađalkunni, ađalknôsal
um das edle Geschlecht, ađali auch um die Gesamtheit des Adels zu bezeichnen.
57 v. Richthofen, Fries. WB S 720. 896.
58 Leges Edw. Confess. c. 35 § 1. Quia vero heredem putabat eum facere,
nominavit eum æđeling, quod nos dicimus domicellum; sed nos de pluribus, quia
filios baronum vocamus domicellos, Angli autem nullum praeter filios regum vocant.
Siehe Schmid, Gesetze der Ags. S 527, der für die Beschränkung der Bezeichnung
æđeling auf die Männer des Königsgeschlechtes eine Reihe von überzeugenden Be-
legstellen anführt. In den Denkmälern der ags. Poesie, so insbesondere im Beó-
vulf wird æđeling im weiteren Sinne zur Bezeichnung des Geburtsadels überhaupt
gebraucht. Scherer in der Z f. österr. Gymn. 1869 S 108.
59 Liu. 62 nennt das Wergeld des primus, Liu. 89 die im Betrage ent-
sprechende meta des nobilis. Adelingi heiſsen die Langobardenkönige bis auf
Waltari im Chronicon Gothanum LL V 644. Eine italienische Urkunde von 1280,
Schupfer, Wiener Sitzungsber. XXXV 240, nennt edelingi. Zusammensetzungen
mit adal bieten langobardische Eigennamen wie Adelbert, Adelchis, Adelcho, Adal-
wald. Bezüglich der Alamannen s. Pactus Alam. II 39, III 27 und die ahd. Glossen
bei Graff I 141 ff.
60 Greg. Tur. Hist. Fr. II 9: ibique iuxta pagus vel civitates regis crinitos super
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0123" n="105"/><fw place="top" type="header">§ 14. Die Stände.</fw><lb/>
Freien durch ein höheres Wergeld ausgezeichnet ist. Für diesen<lb/>
Geburtsadel überliefert uns das Volksrecht der Angeln und Warnen<lb/>
den deutschen Ausdruck Adaling<note place="foot" n="55">Lex Angl. et Werin. I 1: LL V 119. Dazu die Anmerkung v. <hi rendition="#g">Richt-<lb/>
hofens</hi> und <hi rendition="#g">Schröder</hi>, Z<hi rendition="#sup">2</hi> f. RG VII 20.</note>. Ein Bericht über die alten Sachsen<lb/>
unterscheidet bei ihnen aedhilingi, frilingi und lazzi<note place="foot" n="56">Nithard IV 2 MG SS II 668. Der Heliand hat a&#x0111;ali, a&#x0111;alkunni, a&#x0111;alknôsal<lb/>
um das edle Geschlecht, a&#x0111;ali auch um die Gesamtheit des Adels zu bezeichnen.</note>. Ebenso gliedert<lb/>
sich der Stamm der Friesen nach jüngeren Quellen in ethelinga, fri-<lb/>
linga, letslachta<note place="foot" n="57">v. <hi rendition="#g">Richthofen</hi>, Fries. WB S 720. 896.</note>. Den æ&#x0111;eling kennen auch die Angelsachsen, doch<lb/>
wenden ihre Gesetze und die übrigen Prosadenkmäler das Wort nicht<lb/>
auf den Adel schlechtweg, sondern nur auf die männlichen Mitglieder<lb/>
des Königsgeschlechtes an<note place="foot" n="58">Leges Edw. Confess. c. 35 § 1. Quia vero heredem putabat eum facere,<lb/>
nominavit eum æ&#x0111;eling, quod nos dicimus domicellum; sed nos de pluribus, quia<lb/>
filios baronum vocamus domicellos, Angli autem nullum praeter filios regum vocant.<lb/>
Siehe <hi rendition="#g">Schmid</hi>, Gesetze der Ags. S 527, der für die Beschränkung der Bezeichnung<lb/>
æ&#x0111;eling auf die Männer des Königsgeschlechtes eine Reihe von überzeugenden Be-<lb/>
legstellen anführt. In den Denkmälern der ags. Poesie, so insbesondere im Beó-<lb/>
vulf wird æ&#x0111;eling im weiteren Sinne zur Bezeichnung des Geburtsadels überhaupt<lb/>
gebraucht. <hi rendition="#g">Scherer</hi> in der Z f. österr. Gymn. 1869 S 108.</note>. Bei den Langobarden erscheinen die<lb/>
Adeligen als primi, nobiles, bei den Alamannen als primi oder<lb/>
meliorissimi. Auch fehlt es nicht an Spuren, da&#x017F;s ihnen der Aus-<lb/>
druck Adeling, Edeling geläufig war<note place="foot" n="59">Liu. 62 nennt das Wergeld des primus, Liu. 89 die im Betrage ent-<lb/>
sprechende meta des nobilis. Adelingi hei&#x017F;sen die Langobardenkönige bis auf<lb/>
Waltari im Chronicon Gothanum LL V 644. Eine italienische Urkunde von 1280,<lb/><hi rendition="#g">Schupfer</hi>, Wiener Sitzungsber. XXXV 240, nennt edelingi. Zusammensetzungen<lb/>
mit adal bieten langobardische Eigennamen wie Adelbert, Adelchis, Adelcho, Adal-<lb/>
wald. Bezüglich der Alamannen s. Pactus Alam. II 39, III 27 und die ahd. Glossen<lb/>
bei <hi rendition="#g">Graff</hi> I 141 ff.</note>. Das Volksrecht der Baiern<lb/>
zählt neben dem Herzogsgeschlechte der Agilolfinger die Geschlechter<lb/>
der Huosi, Drozza, Fag&#x0103;na, Hahilinga und Anniona auf, die als<lb/>
quasi primi post Agilolfingos durch das zweifache Wergeld des freien<lb/>
Mannes sich auszeichnen. Bei den Franken ist der Adel zwar für das<lb/>
Königsgeschlecht der Merowinger bezeugt<note xml:id="note-0123a" next="#note-0124" place="foot" n="60">Greg. Tur. Hist. Fr. II 9: ibique iuxta pagus vel civitates regis crinitos super</note>, aber au&#x017F;ser ihm ein alter<lb/><note xml:id="note-0123" prev="#note-0122" place="foot" n="54"><hi rendition="#g">Warnkönig</hi>, Flandr. RG II 1 Nr 34 S 62, findet sich das Wort Adeling in der<lb/>
Bedeutung von Geschlechtsgenosse, Mag schlechtweg: Es ooc eenich adelinc, die<lb/>
dat eerve &#x2026; wilt coepen &#x2026; syn die drie Sondaghe leden, een vremde mach<lb/>
dat eerve coepen. Da&#x017F;s adelinc hier so viel wie propinquus, bestätigt zum Über-<lb/>
flu&#x017F;s die Vergleichung mit dem lateinischen Texte der Keure des Landes Waes<lb/>
§ 31 <hi rendition="#g">Warnkönig</hi> a. O. II 2 S 182, c. 31.</note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[105/0123] § 14. Die Stände. Freien durch ein höheres Wergeld ausgezeichnet ist. Für diesen Geburtsadel überliefert uns das Volksrecht der Angeln und Warnen den deutschen Ausdruck Adaling 55. Ein Bericht über die alten Sachsen unterscheidet bei ihnen aedhilingi, frilingi und lazzi 56. Ebenso gliedert sich der Stamm der Friesen nach jüngeren Quellen in ethelinga, fri- linga, letslachta 57. Den æđeling kennen auch die Angelsachsen, doch wenden ihre Gesetze und die übrigen Prosadenkmäler das Wort nicht auf den Adel schlechtweg, sondern nur auf die männlichen Mitglieder des Königsgeschlechtes an 58. Bei den Langobarden erscheinen die Adeligen als primi, nobiles, bei den Alamannen als primi oder meliorissimi. Auch fehlt es nicht an Spuren, daſs ihnen der Aus- druck Adeling, Edeling geläufig war 59. Das Volksrecht der Baiern zählt neben dem Herzogsgeschlechte der Agilolfinger die Geschlechter der Huosi, Drozza, Fagăna, Hahilinga und Anniona auf, die als quasi primi post Agilolfingos durch das zweifache Wergeld des freien Mannes sich auszeichnen. Bei den Franken ist der Adel zwar für das Königsgeschlecht der Merowinger bezeugt 60, aber auſser ihm ein alter 54 55 Lex Angl. et Werin. I 1: LL V 119. Dazu die Anmerkung v. Richt- hofens und Schröder, Z2 f. RG VII 20. 56 Nithard IV 2 MG SS II 668. Der Heliand hat ađali, ađalkunni, ađalknôsal um das edle Geschlecht, ađali auch um die Gesamtheit des Adels zu bezeichnen. 57 v. Richthofen, Fries. WB S 720. 896. 58 Leges Edw. Confess. c. 35 § 1. Quia vero heredem putabat eum facere, nominavit eum æđeling, quod nos dicimus domicellum; sed nos de pluribus, quia filios baronum vocamus domicellos, Angli autem nullum praeter filios regum vocant. Siehe Schmid, Gesetze der Ags. S 527, der für die Beschränkung der Bezeichnung æđeling auf die Männer des Königsgeschlechtes eine Reihe von überzeugenden Be- legstellen anführt. In den Denkmälern der ags. Poesie, so insbesondere im Beó- vulf wird æđeling im weiteren Sinne zur Bezeichnung des Geburtsadels überhaupt gebraucht. Scherer in der Z f. österr. Gymn. 1869 S 108. 59 Liu. 62 nennt das Wergeld des primus, Liu. 89 die im Betrage ent- sprechende meta des nobilis. Adelingi heiſsen die Langobardenkönige bis auf Waltari im Chronicon Gothanum LL V 644. Eine italienische Urkunde von 1280, Schupfer, Wiener Sitzungsber. XXXV 240, nennt edelingi. Zusammensetzungen mit adal bieten langobardische Eigennamen wie Adelbert, Adelchis, Adelcho, Adal- wald. Bezüglich der Alamannen s. Pactus Alam. II 39, III 27 und die ahd. Glossen bei Graff I 141 ff. 60 Greg. Tur. Hist. Fr. II 9: ibique iuxta pagus vel civitates regis crinitos super 54 Warnkönig, Flandr. RG II 1 Nr 34 S 62, findet sich das Wort Adeling in der Bedeutung von Geschlechtsgenosse, Mag schlechtweg: Es ooc eenich adelinc, die dat eerve … wilt coepen … syn die drie Sondaghe leden, een vremde mach dat eerve coepen. Daſs adelinc hier so viel wie propinquus, bestätigt zum Über- fluſs die Vergleichung mit dem lateinischen Texte der Keure des Landes Waes § 31 Warnkönig a. O. II 2 S 182, c. 31.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/123
Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/123>, abgerufen am 24.11.2024.