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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 18. Die Landesgemeinde.
Dagegen hat sich bei den Sachsen des Festlandes das Gaufürstentum
der Urzeit erhalten. Die satrapae, welche der Angelsachse Beda als
Häuptlinge der Altsachsen nennt 42, sind staatsrechtlich identisch mit
den principes, die uns Tacitus schildert. Bei manchen Stämmen
ist das Völkerschaftskönigtum durch das Stammeskönigtum beseitigt
worden. So bei den Salfranken. Bei anderen hat sich das Gau-
fürstentum oder das Völkerschaftskönigtum als Unterkönigtum er-
halten. Diesen Charakter haben die reguli und ealdormen der
Angelsachsen, die duces der Langobarden. Auch die Jarle und Earle
der Nordgermanen und Angelsachsen sind füglich als mediatisierte
Häuptlinge zu erklären. Bei der Entwicklung des Grosskönigtums
konnte es geschehen, dass nicht alle Funktionen des Kleinkönigtums
auf den Grosskönig übergingen. Immer hat er die Heerführerschaft,
welche den Schwerpunkt seiner Stellung bildete, regelmässig das
Oberpriestertum, nicht immer aber eine oberste Gerichtsbarkeit, die
sich dann erst allmählich und auf neuen Grundlagen ausbilden muss.

§ 18. Die Landesgemeinde.

S. die Litteratur zu § 16 und 17. Sohm, Reichs- und Gerichtsverfassung I 3 ff.
Waitz, VG I 338 ff. Zimmermann, Die Volksversamml. der alten Deutschen,
bei Brandes, Ber. üb. d. germ. Ges. II, 1863, S 29 ff. Sorber, Comment. de comitiis
veterum Germanorum, 1745. 1749. Schröder, Gairethinx, Z 2 f. RG VII 53.

Die Entscheidung der öffentlichen Angelegenheiten beruhte allent-
halben auf der Versammlung der freien und wehrhaften Volksgenossen.
Tacitus schildert sie uns als concilium und zwar fasst er zunächst das
concilium civitatis, die Völkerschaftsversammlung ins Auge, die im fol-
genden als Landesgemeinde bezeichnet werden mag. Doch passen die
meisten Züge, über die er berichtet, auch auf andere germanische Ver-
sammlungen, und solche hat es verschiedenartige gegeben. Neben
dem concilium civitatis dürfen auch Versammlungen der Gaue voraus-
gesetzt werden. Zu gemeinsamen Opfern vereinigten sich die religiösen
Verbände der Völkerschaftsgruppen. Zur Ausübung der Rechtspflege
traten die Hundertschaften zusammen.

Die öffentliche Versammlung bezeichnet das germanische Wort
Thing, althd. dinc, kidinc, neuhd. Ding, Gedinge, got. nicht nach-
weisbar 1. Daneben finden wir bei den Franken mallus 2, bei den Angel-

42 Beda, Hist. eccl. V 10: non enim habent regem iidem antiqui Saxones,
sed satrapas plurimos suae genti praepositos.
1 Grimm, WB II 1165, IV 1 2025. v. Richthofen, Fries. WB S 1072.
Schmid, Gesetze der Angels. S 669.
2 Müllenhoff bei Waitz, Das alte Recht der sal. Franken S 289 führt

§ 18. Die Landesgemeinde.
Dagegen hat sich bei den Sachsen des Festlandes das Gaufürstentum
der Urzeit erhalten. Die satrapae, welche der Angelsachse Beda als
Häuptlinge der Altsachsen nennt 42, sind staatsrechtlich identisch mit
den principes, die uns Tacitus schildert. Bei manchen Stämmen
ist das Völkerschaftskönigtum durch das Stammeskönigtum beseitigt
worden. So bei den Salfranken. Bei anderen hat sich das Gau-
fürstentum oder das Völkerschaftskönigtum als Unterkönigtum er-
halten. Diesen Charakter haben die reguli und ealdormen der
Angelsachsen, die duces der Langobarden. Auch die Jarle und Earle
der Nordgermanen und Angelsachsen sind füglich als mediatisierte
Häuptlinge zu erklären. Bei der Entwicklung des Groſskönigtums
konnte es geschehen, daſs nicht alle Funktionen des Kleinkönigtums
auf den Groſskönig übergingen. Immer hat er die Heerführerschaft,
welche den Schwerpunkt seiner Stellung bildete, regelmäſsig das
Oberpriestertum, nicht immer aber eine oberste Gerichtsbarkeit, die
sich dann erst allmählich und auf neuen Grundlagen ausbilden muſs.

§ 18. Die Landesgemeinde.

S. die Litteratur zu § 16 und 17. Sohm, Reichs- und Gerichtsverfassung I 3 ff.
Waitz, VG I 338 ff. Zimmermann, Die Volksversamml. der alten Deutschen,
bei Brandes, Ber. üb. d. germ. Ges. II, 1863, S 29 ff. Sorber, Comment. de comitiis
veterum Germanorum, 1745. 1749. Schröder, Gairethinx, Z 2 f. RG VII 53.

Die Entscheidung der öffentlichen Angelegenheiten beruhte allent-
halben auf der Versammlung der freien und wehrhaften Volksgenossen.
Tacitus schildert sie uns als concilium und zwar faſst er zunächst das
concilium civitatis, die Völkerschaftsversammlung ins Auge, die im fol-
genden als Landesgemeinde bezeichnet werden mag. Doch passen die
meisten Züge, über die er berichtet, auch auf andere germanische Ver-
sammlungen, und solche hat es verschiedenartige gegeben. Neben
dem concilium civitatis dürfen auch Versammlungen der Gaue voraus-
gesetzt werden. Zu gemeinsamen Opfern vereinigten sich die religiösen
Verbände der Völkerschaftsgruppen. Zur Ausübung der Rechtspflege
traten die Hundertschaften zusammen.

Die öffentliche Versammlung bezeichnet das germanische Wort
Thing, althd. dinc, kidinc, neuhd. Ding, Gedinge, got. nicht nach-
weisbar 1. Daneben finden wir bei den Franken mallus 2, bei den Angel-

42 Beda, Hist. eccl. V 10: non enim habent regem iidem antiqui Saxones,
sed satrapas plurimos suae genti praepositos.
1 Grimm, WB II 1165, IV 1 2025. v. Richthofen, Fries. WB S 1072.
Schmid, Gesetze der Angels. S 669.
2 Müllenhoff bei Waitz, Das alte Recht der sal. Franken S 289 führt
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[128/0146] § 18. Die Landesgemeinde. Dagegen hat sich bei den Sachsen des Festlandes das Gaufürstentum der Urzeit erhalten. Die satrapae, welche der Angelsachse Beda als Häuptlinge der Altsachsen nennt 42, sind staatsrechtlich identisch mit den principes, die uns Tacitus schildert. Bei manchen Stämmen ist das Völkerschaftskönigtum durch das Stammeskönigtum beseitigt worden. So bei den Salfranken. Bei anderen hat sich das Gau- fürstentum oder das Völkerschaftskönigtum als Unterkönigtum er- halten. Diesen Charakter haben die reguli und ealdormen der Angelsachsen, die duces der Langobarden. Auch die Jarle und Earle der Nordgermanen und Angelsachsen sind füglich als mediatisierte Häuptlinge zu erklären. Bei der Entwicklung des Groſskönigtums konnte es geschehen, daſs nicht alle Funktionen des Kleinkönigtums auf den Groſskönig übergingen. Immer hat er die Heerführerschaft, welche den Schwerpunkt seiner Stellung bildete, regelmäſsig das Oberpriestertum, nicht immer aber eine oberste Gerichtsbarkeit, die sich dann erst allmählich und auf neuen Grundlagen ausbilden muſs. § 18. Die Landesgemeinde. S. die Litteratur zu § 16 und 17. Sohm, Reichs- und Gerichtsverfassung I 3 ff. Waitz, VG I 338 ff. Zimmermann, Die Volksversamml. der alten Deutschen, bei Brandes, Ber. üb. d. germ. Ges. II, 1863, S 29 ff. Sorber, Comment. de comitiis veterum Germanorum, 1745. 1749. Schröder, Gairethinx, Z 2 f. RG VII 53. Die Entscheidung der öffentlichen Angelegenheiten beruhte allent- halben auf der Versammlung der freien und wehrhaften Volksgenossen. Tacitus schildert sie uns als concilium und zwar faſst er zunächst das concilium civitatis, die Völkerschaftsversammlung ins Auge, die im fol- genden als Landesgemeinde bezeichnet werden mag. Doch passen die meisten Züge, über die er berichtet, auch auf andere germanische Ver- sammlungen, und solche hat es verschiedenartige gegeben. Neben dem concilium civitatis dürfen auch Versammlungen der Gaue voraus- gesetzt werden. Zu gemeinsamen Opfern vereinigten sich die religiösen Verbände der Völkerschaftsgruppen. Zur Ausübung der Rechtspflege traten die Hundertschaften zusammen. Die öffentliche Versammlung bezeichnet das germanische Wort Thing, althd. dinc, kidinc, neuhd. Ding, Gedinge, got. nicht nach- weisbar 1. Daneben finden wir bei den Franken mallus 2, bei den Angel- 42 Beda, Hist. eccl. V 10: non enim habent regem iidem antiqui Saxones, sed satrapas plurimos suae genti praepositos. 1 Grimm, WB II 1165, IV 1 2025. v. Richthofen, Fries. WB S 1072. Schmid, Gesetze der Angels. S 669. 2 Müllenhoff bei Waitz, Das alte Recht der sal. Franken S 289 führt

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/146>, abgerufen am 22.11.2024.