Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.§ 21. Fehde und Busse. Der Friedensbruch ist entweder ein solcher, welcher den Thäter Das Verhältnis, welches durch die Unthat zwischen dem Be- 2 Der nordischen Rechtssprache ist das Wort Fehde fremd. 3 Roth. 74: faida quod est inimicitia; Roth. 45, 162. Inimicitias sive feithe in der sechsten der 17 friesischen Küren. v. Richthofen, Friesische RQ S 24. 4 v. Richthofen, Zur Lex Sax. S 252. 5 Das Recht von Namur nennt den Totschlag beau fait, wenn er in recht- mässiger Fehde verübt worden, im Gegensatz zum vilain fait, dem mit öffentlicher Strafe bedrohten Totschlag. Z2 f. RG III 72. 6 Aegylde orgilde, ungylde Edw. u. Guthr. c. 6 § 7; Aelfr. I § 5; Aethelred II 3 § 4, VI 38. Knut II 48 § 3, II 62. 7 Lex Rib. 77. Decretio Childeb. II. v. J. 596 c. 4, I 16. Form. Turon. 30;
Carta Senon. 29. Dazu die Bemerkungen Zeumers, Formulae S 192 Anm 1. In der Formel Cart. Senon. 17: facio in frodanno et ferbatudo ist das frodanno als forfactus, firtan zu erklären. Ahd. firtuon, alts. farduan heisst verurteilen. Grimm, RA S 624. In Rib. 77 schwört derjenige, der den Dieb oder den Ehebrecher in erlaubter Weise erschlug, quod eum de vita forfactum interfecisset. Ferbatutus hängt vielleicht mit baten, bessern, büssen zusammen. Siehe Grimm, WB I 1158. 1722, II 572. Schiller und Lübben I 160. Ferbatutus wäre sonach einer, der nicht noch erst gebüsst, vergolten zu werden braucht, weil er sich die Busse auf seine eigene That aufzurechnen hat, durch sie schon als gebüsst zu betrachten ist. Vgl. Lex Baiuw. 8, 1: pro ipsam compositionem quod debuit solvere marito eius, in suo scelere iaceat sine vindicta. Liutpr. 136: ipse homo qui ibi mortuos est, § 21. Fehde und Buſse. Der Friedensbruch ist entweder ein solcher, welcher den Thäter Das Verhältnis, welches durch die Unthat zwischen dem Be- 2 Der nordischen Rechtssprache ist das Wort Fehde fremd. 3 Roth. 74: faida quod est inimicitia; Roth. 45, 162. Inimicitias sive feithe in der sechsten der 17 friesischen Küren. v. Richthofen, Friesische RQ S 24. 4 v. Richthofen, Zur Lex Sax. S 252. 5 Das Recht von Namur nennt den Totschlag beau fait, wenn er in recht- mäſsiger Fehde verübt worden, im Gegensatz zum vilain fait, dem mit öffentlicher Strafe bedrohten Totschlag. Z2 f. RG III 72. 6 Aegylde orgilde, ungylde Edw. u. Guthr. c. 6 § 7; Aelfr. I § 5; Aethelred II 3 § 4, VI 38. Knut II 48 § 3, II 62. 7 Lex Rib. 77. Decretio Childeb. II. v. J. 596 c. 4, I 16. Form. Turon. 30;
Carta Senon. 29. Dazu die Bemerkungen Zeumers, Formulae S 192 Anm 1. In der Formel Cart. Senon. 17: facio in frodanno et ferbatudo ist das frodanno als forfactus, firtân zu erklären. Ahd. firtuon, alts. farduan heiſst verurteilen. Grimm, RA S 624. In Rib. 77 schwört derjenige, der den Dieb oder den Ehebrecher in erlaubter Weise erschlug, quod eum de vita forfactum interfecisset. Ferbatutus hängt vielleicht mit baten, bessern, büſsen zusammen. Siehe Grimm, WB I 1158. 1722, II 572. Schiller und Lübben I 160. Ferbatutus wäre sonach einer, der nicht noch erst gebüſst, vergolten zu werden braucht, weil er sich die Buſse auf seine eigene That aufzurechnen hat, durch sie schon als gebüſst zu betrachten ist. Vgl. Lex Baiuw. 8, 1: pro ipsam compositionem quod debuit solvere marito eius, in suo scelere iaceat sine vindicta. Liutpr. 136: ipse homo qui ibi mortuos est, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0175" n="157"/> <fw place="top" type="header">§ 21. Fehde und Buſse.</fw><lb/> <p>Der Friedensbruch ist entweder ein solcher, welcher den Thäter<lb/> und die Seinen nur der Feindschaft des Verletzten und seiner Sippe<lb/> preisgiebt, oder aber ein solcher, der ihm die Gesamtheit der Volks-<lb/> genossen zum Feinde macht. Im erstgedachten Falle tritt nur eine<lb/> beschränkte Aufhebung des Friedens ein. Der Friede ist nur gegen-<lb/> über dem Verletzten und dessen Sippe verwirkt, so daſs es diesen ge-<lb/> stattet ist, im Wege der Selbsthilfe Rache zu üben, ohne dadurch<lb/> ihrerseits einen Friedensbruch zu begehen.</p><lb/> <p>Das Verhältnis, welches durch die Unthat zwischen dem Be-<lb/> leidigten und seinem Gegner entsteht, heiſst Fehde, latinisiert faida,<lb/> ahd. fêhida, gifêhida, fries. faithe, feithe, ags. fæ̂hd<note place="foot" n="2">Der nordischen Rechtssprache ist das Wort Fehde fremd.</note>. Fehde bedeutet<lb/> nicht etwa den Kampf der feindlichen Parteien, sondern die unter<lb/> ihnen bestehende Feindschaft, inimicitia<note place="foot" n="3">Roth. 74: faida quod est inimicitia; Roth. 45, 162. Inimicitias sive feithe<lb/> in der sechsten der 17 friesischen Küren. v. <hi rendition="#g">Richthofen,</hi> Friesische RQ S 24.</note>, und führt sprachlich auf das<lb/> Verbum fêhan, hassen zurück. Wer der Fehde ausgesetzt ist, wird als<lb/> faidosus, fehitus, ahd. fêh, gifêh, ags. fâh, fâg, altfries. fach bezeichnet<note place="foot" n="4">v. <hi rendition="#g">Richthofen,</hi> Zur Lex Sax. S 252.</note>.<lb/> Die Fehde ist die durch die Rechtsordnung anerkannte Feindschaft.<lb/> Diese Anerkennung äuſsert sich darin, daſs die in rechtmäſsiger Fehde<lb/> verübte Rachethat nicht als Missethat, sondern als buſslose und straf-<lb/> lose That behandelt wird<note place="foot" n="5">Das Recht von Namur nennt den Totschlag beau fait, wenn er in recht-<lb/> mäſsiger Fehde verübt worden, im Gegensatz zum vilain fait, dem mit öffentlicher<lb/> Strafe bedrohten Totschlag. Z<hi rendition="#sup">2</hi> f. RG III 72.</note>. Wer durch erlaubte Rache sein Leben<lb/> verliert, ist ebenso wie jeder, an dem eine rechtlich zulässige Tötung<lb/> vollzogen wurde, ein nicht zu vergeltender Mann. Unvergolten liege<lb/> er<note place="foot" n="6">Aegylde orgilde, ungylde Edw. u. Guthr. c. 6 § 7; Aelfr. I § 5; Aethelred<lb/> II 3 § 4, VI 38. Knut II 48 § 3, II 62.</note>, sagen von einem solchen die Angelsachsen, iaceat forbatutus<note xml:id="note-0175" next="#note-0176" place="foot" n="7">Lex Rib. 77. Decretio Childeb. II. v. J. 596 c. 4, I 16. Form. Turon. 30;<lb/> Carta Senon. 29. Dazu die Bemerkungen <hi rendition="#g">Zeumers,</hi> Formulae S 192 Anm 1. In<lb/> der Formel Cart. Senon. 17: facio in frodanno et ferbatudo ist das frodanno als<lb/> forfactus, firtân zu erklären. Ahd. firtuon, alts. farduan heiſst verurteilen. <hi rendition="#g">Grimm,</hi><lb/> RA S 624. In Rib. 77 schwört derjenige, der den Dieb oder den Ehebrecher in<lb/> erlaubter Weise erschlug, quod eum de vita forfactum interfecisset. Ferbatutus<lb/> hängt vielleicht mit baten, bessern, büſsen zusammen. Siehe <hi rendition="#g">Grimm,</hi> WB I 1158.<lb/> 1722, II 572. <hi rendition="#g">Schiller</hi> und <hi rendition="#g">Lübben</hi> I 160. Ferbatutus wäre sonach einer, der<lb/> nicht noch erst gebüſst, vergolten zu werden braucht, weil er sich die Buſse auf<lb/> seine eigene That aufzurechnen hat, durch sie schon als gebüſst zu betrachten ist.<lb/> Vgl. Lex Baiuw. 8, 1: pro ipsam compositionem quod debuit solvere marito eius,<lb/> in suo scelere iaceat sine vindicta. Liutpr. 136: ipse homo qui ibi mortuos est,</note>,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [157/0175]
§ 21. Fehde und Buſse.
Der Friedensbruch ist entweder ein solcher, welcher den Thäter
und die Seinen nur der Feindschaft des Verletzten und seiner Sippe
preisgiebt, oder aber ein solcher, der ihm die Gesamtheit der Volks-
genossen zum Feinde macht. Im erstgedachten Falle tritt nur eine
beschränkte Aufhebung des Friedens ein. Der Friede ist nur gegen-
über dem Verletzten und dessen Sippe verwirkt, so daſs es diesen ge-
stattet ist, im Wege der Selbsthilfe Rache zu üben, ohne dadurch
ihrerseits einen Friedensbruch zu begehen.
Das Verhältnis, welches durch die Unthat zwischen dem Be-
leidigten und seinem Gegner entsteht, heiſst Fehde, latinisiert faida,
ahd. fêhida, gifêhida, fries. faithe, feithe, ags. fæ̂hd 2. Fehde bedeutet
nicht etwa den Kampf der feindlichen Parteien, sondern die unter
ihnen bestehende Feindschaft, inimicitia 3, und führt sprachlich auf das
Verbum fêhan, hassen zurück. Wer der Fehde ausgesetzt ist, wird als
faidosus, fehitus, ahd. fêh, gifêh, ags. fâh, fâg, altfries. fach bezeichnet 4.
Die Fehde ist die durch die Rechtsordnung anerkannte Feindschaft.
Diese Anerkennung äuſsert sich darin, daſs die in rechtmäſsiger Fehde
verübte Rachethat nicht als Missethat, sondern als buſslose und straf-
lose That behandelt wird 5. Wer durch erlaubte Rache sein Leben
verliert, ist ebenso wie jeder, an dem eine rechtlich zulässige Tötung
vollzogen wurde, ein nicht zu vergeltender Mann. Unvergolten liege
er 6, sagen von einem solchen die Angelsachsen, iaceat forbatutus 7,
2 Der nordischen Rechtssprache ist das Wort Fehde fremd.
3 Roth. 74: faida quod est inimicitia; Roth. 45, 162. Inimicitias sive feithe
in der sechsten der 17 friesischen Küren. v. Richthofen, Friesische RQ S 24.
4 v. Richthofen, Zur Lex Sax. S 252.
5 Das Recht von Namur nennt den Totschlag beau fait, wenn er in recht-
mäſsiger Fehde verübt worden, im Gegensatz zum vilain fait, dem mit öffentlicher
Strafe bedrohten Totschlag. Z2 f. RG III 72.
6 Aegylde orgilde, ungylde Edw. u. Guthr. c. 6 § 7; Aelfr. I § 5; Aethelred
II 3 § 4, VI 38. Knut II 48 § 3, II 62.
7 Lex Rib. 77. Decretio Childeb. II. v. J. 596 c. 4, I 16. Form. Turon. 30;
Carta Senon. 29. Dazu die Bemerkungen Zeumers, Formulae S 192 Anm 1. In
der Formel Cart. Senon. 17: facio in frodanno et ferbatudo ist das frodanno als
forfactus, firtân zu erklären. Ahd. firtuon, alts. farduan heiſst verurteilen. Grimm,
RA S 624. In Rib. 77 schwört derjenige, der den Dieb oder den Ehebrecher in
erlaubter Weise erschlug, quod eum de vita forfactum interfecisset. Ferbatutus
hängt vielleicht mit baten, bessern, büſsen zusammen. Siehe Grimm, WB I 1158.
1722, II 572. Schiller und Lübben I 160. Ferbatutus wäre sonach einer, der
nicht noch erst gebüſst, vergolten zu werden braucht, weil er sich die Buſse auf
seine eigene That aufzurechnen hat, durch sie schon als gebüſst zu betrachten ist.
Vgl. Lex Baiuw. 8, 1: pro ipsam compositionem quod debuit solvere marito eius,
in suo scelere iaceat sine vindicta. Liutpr. 136: ipse homo qui ibi mortuos est,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |