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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 23. Der Rechtsgang.
würdiger Verbrechen und für Klagen auf Friedloslegung des Geg-
ners gegolten haben. Eigenartig gestaltete sich das Verfahren bei
handhafter That, insofern dem Beklagten, den der Kläger gebunden
und geknebelt vor Gericht brachte, das Recht der prozessualischen
Gegenwehr versagt blieb, vielmehr dem Kläger gestattet wurde, mit
seinen Eideshelfern die Schuld des Beklagten sofort zu beweisen.
Ferner können wir aus den Quellen der folgenden Periode auf eine
eigentümliche Gestaltung der später sogenannten Anefangsklage, der
prozessualischen Verfolgung abhanden gekommener Fahrhabe zurück-
schliessen. Doch wird die zusammenhängende Erörterung dieser
Prozessinstitution besser der Darstellung des Rechtsganges der frän-
kischen Zeit vorbehalten. Eine Sonderstellung hat endlich das
Betreibungsverfahren wegen Vertragsschulden eingenommen. Hatte
jemand durch Schuldvertrag in rechtsförmlicher Weise eine Leistung
versprochen, so bedurfte es nicht erst eines gerichtlichen Urteils,
welches dem Schuldner auferlegt hätte, die schuldige Leistung anzu-
geloben. Stand der Abschluss des Schuldvertrags ausser Zweifel, so
war es überflüssig, ein Urteil herbeizuführen, welches nur auf eine
Erneuerung des alten Schuldversprechens hätte lauten können. Der
Gläubiger war vielmehr auf Grund des aussergerichtlich abgeschlossenen
Schuldvertrags in derselben Lage, als hätte ihm der Schuldner auf
Grund eines Urteils vor Gericht ein Erfüllungsversprechen gegeben.
Wie letzteren Falles das Befriedigungsverfahren in ältester Zeit ein
aussergerichtliches war, so konnte der Gläubiger die Vertragsschuld
durch einen völlig aussergerichtlichen Rechtsgang betreiben, indem er
den Schuldner in rechtsförmlicher Weise zur Zahlung aufforderte und
sich nach mehrmaliger vergeblicher Mahnung durch Pfandnahme aus
dem Vermögen des Schuldners befriedigte. Bestritt der Schuldner
die eingeforderte Schuld, so musste die Sache allerdings auf den Weg
des gerichtlichen Verfahrens geleitet werden, denn dann bedurfte es
eines gerichtlichen Urteils, welches auf Beweis beziehungsweise auf
das Angelöbnis der Schuld erkannte.


§ 23. Der Rechtsgang.
würdiger Verbrechen und für Klagen auf Friedloslegung des Geg-
ners gegolten haben. Eigenartig gestaltete sich das Verfahren bei
handhafter That, insofern dem Beklagten, den der Kläger gebunden
und geknebelt vor Gericht brachte, das Recht der prozessualischen
Gegenwehr versagt blieb, vielmehr dem Kläger gestattet wurde, mit
seinen Eideshelfern die Schuld des Beklagten sofort zu beweisen.
Ferner können wir aus den Quellen der folgenden Periode auf eine
eigentümliche Gestaltung der später sogenannten Anefangsklage, der
prozessualischen Verfolgung abhanden gekommener Fahrhabe zurück-
schlieſsen. Doch wird die zusammenhängende Erörterung dieser
Prozeſsinstitution besser der Darstellung des Rechtsganges der frän-
kischen Zeit vorbehalten. Eine Sonderstellung hat endlich das
Betreibungsverfahren wegen Vertragsschulden eingenommen. Hatte
jemand durch Schuldvertrag in rechtsförmlicher Weise eine Leistung
versprochen, so bedurfte es nicht erst eines gerichtlichen Urteils,
welches dem Schuldner auferlegt hätte, die schuldige Leistung anzu-
geloben. Stand der Abschluſs des Schuldvertrags auſser Zweifel, so
war es überflüssig, ein Urteil herbeizuführen, welches nur auf eine
Erneuerung des alten Schuldversprechens hätte lauten können. Der
Gläubiger war vielmehr auf Grund des auſsergerichtlich abgeschlossenen
Schuldvertrags in derselben Lage, als hätte ihm der Schuldner auf
Grund eines Urteils vor Gericht ein Erfüllungsversprechen gegeben.
Wie letzteren Falles das Befriedigungsverfahren in ältester Zeit ein
auſsergerichtliches war, so konnte der Gläubiger die Vertragsschuld
durch einen völlig auſsergerichtlichen Rechtsgang betreiben, indem er
den Schuldner in rechtsförmlicher Weise zur Zahlung aufforderte und
sich nach mehrmaliger vergeblicher Mahnung durch Pfandnahme aus
dem Vermögen des Schuldners befriedigte. Bestritt der Schuldner
die eingeforderte Schuld, so muſste die Sache allerdings auf den Weg
des gerichtlichen Verfahrens geleitet werden, denn dann bedurfte es
eines gerichtlichen Urteils, welches auf Beweis beziehungsweise auf
das Angelöbnis der Schuld erkannte.


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[184/0202] § 23. Der Rechtsgang. würdiger Verbrechen und für Klagen auf Friedloslegung des Geg- ners gegolten haben. Eigenartig gestaltete sich das Verfahren bei handhafter That, insofern dem Beklagten, den der Kläger gebunden und geknebelt vor Gericht brachte, das Recht der prozessualischen Gegenwehr versagt blieb, vielmehr dem Kläger gestattet wurde, mit seinen Eideshelfern die Schuld des Beklagten sofort zu beweisen. Ferner können wir aus den Quellen der folgenden Periode auf eine eigentümliche Gestaltung der später sogenannten Anefangsklage, der prozessualischen Verfolgung abhanden gekommener Fahrhabe zurück- schlieſsen. Doch wird die zusammenhängende Erörterung dieser Prozeſsinstitution besser der Darstellung des Rechtsganges der frän- kischen Zeit vorbehalten. Eine Sonderstellung hat endlich das Betreibungsverfahren wegen Vertragsschulden eingenommen. Hatte jemand durch Schuldvertrag in rechtsförmlicher Weise eine Leistung versprochen, so bedurfte es nicht erst eines gerichtlichen Urteils, welches dem Schuldner auferlegt hätte, die schuldige Leistung anzu- geloben. Stand der Abschluſs des Schuldvertrags auſser Zweifel, so war es überflüssig, ein Urteil herbeizuführen, welches nur auf eine Erneuerung des alten Schuldversprechens hätte lauten können. Der Gläubiger war vielmehr auf Grund des auſsergerichtlich abgeschlossenen Schuldvertrags in derselben Lage, als hätte ihm der Schuldner auf Grund eines Urteils vor Gericht ein Erfüllungsversprechen gegeben. Wie letzteren Falles das Befriedigungsverfahren in ältester Zeit ein auſsergerichtliches war, so konnte der Gläubiger die Vertragsschuld durch einen völlig auſsergerichtlichen Rechtsgang betreiben, indem er den Schuldner in rechtsförmlicher Weise zur Zahlung aufforderte und sich nach mehrmaliger vergeblicher Mahnung durch Pfandnahme aus dem Vermögen des Schuldners befriedigte. Bestritt der Schuldner die eingeforderte Schuld, so muſste die Sache allerdings auf den Weg des gerichtlichen Verfahrens geleitet werden, denn dann bedurfte es eines gerichtlichen Urteils, welches auf Beweis beziehungsweise auf das Angelöbnis der Schuld erkannte.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/202>, abgerufen am 22.11.2024.