Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite

§ 27. Geld- und Münzwesen.
und Ostfriesen verwendeten als Rechnungsmünze einen kleineren
Solidus, indem jene zweieinhalb, diese nur zwei neue Denare als
Solidus zusammenfassten. In jüngeren Teilen des friesischen Volks-
rechtes werden die neuen Denare Tremissen genannt und scheint sich
zur Zeit ihrer Entstehung bereits die Einteilung des Silbersolidus in
zwölf Denare, wie bei den Franken, durchgesetzt zu haben. Daneben
kannte man eine Rechnung nach Pfunden, die in zwölf Unzen zer-
fielen14.

Der Übergang vom Goldsolidus zum Silbersolidus hatte bei den
Stämmen, welche schon vor dieser Veränderung dem fränkischen
Reiche angehört hatten, eine Herabsetzung der Bussen und der
Friedensgelder auf etwa den dritten Teil ihres Nominalbetrags zur
Folge. In einem Kapitulare, das uns leider nicht überliefert ist, be-
stimmte Pippin, dass den Kompositionen fürderhin der Silbersolidus
zu Grunde gelegt werden solle15. Doch blieb für die Bussen und
Friedensgelder der Lex Salica die alte Berechnung nach solidi zu
40 Denaren in Kraft16. Auch diese Ausnahme schaffte Ludwig I. im
Jahre 816 ab. Nur wenn ein Friese oder Sachse einen Salier getötet
und somit dessen Wergeld verwirkt hatte, sollte es in alter Weise
bezahlt werden17, ein Vorbehalt, der wohl kaum aus einer besonders
strengen Behandlung der Sachsen und Friesen18, eher aus der Rück-
sicht auf die höheren Wergeldsätze zu erklären ist, durch welche die
zahlreiche Klasse des sächsischen und des friesischen Adels aus-
gezeichnet war19.

14 Lex Fris. 15. S. unten § 44.
15 Conc. Rem. v. J. 813 c. 41 bei Mansi XIV 81: ut domnus imperator secun-
dum statutum b. m. d. Pippini misericordiam faciat, ne solidi qui in lege habentur
per 40 denarios discurrant ...
16 Cap. v. J. 803 c. 9, I 114. Die Ausnahme erklärt sich am einfachsten
daraus, dass man sich an den Wortlaut der Busssätze für gebunden erachtete, die
in der Lex Salica zugleich in Denaren und in solidi angegeben waren.
17 Cap. legi addita v. J. 816 c. 2, I 269: de omnibus debitis solvendis, sicut
antiquitus fuit constitutum
, per duodecim denarios solidus solvatur per
totam Salicam legem, excepto leudes, si Saxo aut Frisio Salicum occiderit, per 40
denarios solidi solvantur.
18 So Waitz, VG IV 81.
19 Der Umstand, dass die Lex Salica keinen Adel kennt, wurde für die vor-
nehmen Salier, die unter den Friesen und Sachsen lebten, einigermassen dadurch
ausgeglichen, dass ihre Wergelder nach dem alten, nicht wie die des einheimischen
Adels nach dem neuen Münzfuss bezahlt wurden. Dieses Verhältnis sollte 816
nicht geändert werden, weil sonst das Wergeld der Salier zu sehr unter das der
sächsischen und friesischen Adeligen herabgedrückt worden wäre.

§ 27. Geld- und Münzwesen.
und Ostfriesen verwendeten als Rechnungsmünze einen kleineren
Solidus, indem jene zweieinhalb, diese nur zwei neue Denare als
Solidus zusammenfaſsten. In jüngeren Teilen des friesischen Volks-
rechtes werden die neuen Denare Tremissen genannt und scheint sich
zur Zeit ihrer Entstehung bereits die Einteilung des Silbersolidus in
zwölf Denare, wie bei den Franken, durchgesetzt zu haben. Daneben
kannte man eine Rechnung nach Pfunden, die in zwölf Unzen zer-
fielen14.

Der Übergang vom Goldsolidus zum Silbersolidus hatte bei den
Stämmen, welche schon vor dieser Veränderung dem fränkischen
Reiche angehört hatten, eine Herabsetzung der Buſsen und der
Friedensgelder auf etwa den dritten Teil ihres Nominalbetrags zur
Folge. In einem Kapitulare, das uns leider nicht überliefert ist, be-
stimmte Pippin, daſs den Kompositionen fürderhin der Silbersolidus
zu Grunde gelegt werden solle15. Doch blieb für die Buſsen und
Friedensgelder der Lex Salica die alte Berechnung nach solidi zu
40 Denaren in Kraft16. Auch diese Ausnahme schaffte Ludwig I. im
Jahre 816 ab. Nur wenn ein Friese oder Sachse einen Salier getötet
und somit dessen Wergeld verwirkt hatte, sollte es in alter Weise
bezahlt werden17, ein Vorbehalt, der wohl kaum aus einer besonders
strengen Behandlung der Sachsen und Friesen18, eher aus der Rück-
sicht auf die höheren Wergeldsätze zu erklären ist, durch welche die
zahlreiche Klasse des sächsischen und des friesischen Adels aus-
gezeichnet war19.

14 Lex Fris. 15. S. unten § 44.
15 Conc. Rem. v. J. 813 c. 41 bei Mansi XIV 81: ut domnus imperator secun-
dum statutum b. m. d. Pippini misericordiam faciat, ne solidi qui in lege habentur
per 40 denarios discurrant …
16 Cap. v. J. 803 c. 9, I 114. Die Ausnahme erklärt sich am einfachsten
daraus, daſs man sich an den Wortlaut der Buſssätze für gebunden erachtete, die
in der Lex Salica zugleich in Denaren und in solidi angegeben waren.
17 Cap. legi addita v. J. 816 c. 2, I 269: de omnibus debitis solvendis, sicut
antiquitus fuit constitutum
, per duodecim denarios solidus solvatur per
totam Salicam legem, excepto leudes, si Saxo aut Frisio Salicum occiderit, per 40
denarios solidi solvantur.
18 So Waitz, VG IV 81.
19 Der Umstand, daſs die Lex Salica keinen Adel kennt, wurde für die vor-
nehmen Salier, die unter den Friesen und Sachsen lebten, einigermaſsen dadurch
ausgeglichen, daſs ihre Wergelder nach dem alten, nicht wie die des einheimischen
Adels nach dem neuen Münzfuſs bezahlt wurden. Dieses Verhältnis sollte 816
nicht geändert werden, weil sonst das Wergeld der Salier zu sehr unter das der
sächsischen und friesischen Adeligen herabgedrückt worden wäre.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0234" n="216"/><fw place="top" type="header">§ 27. Geld- und Münzwesen.</fw><lb/>
und Ostfriesen verwendeten als Rechnungsmünze einen kleineren<lb/>
Solidus, indem jene zweieinhalb, diese nur zwei neue Denare als<lb/>
Solidus zusammenfa&#x017F;sten. In jüngeren Teilen des friesischen Volks-<lb/>
rechtes werden die neuen Denare Tremissen genannt und scheint sich<lb/>
zur Zeit ihrer Entstehung bereits die Einteilung des Silbersolidus in<lb/>
zwölf Denare, wie bei den Franken, durchgesetzt zu haben. Daneben<lb/>
kannte man eine Rechnung nach Pfunden, die in zwölf Unzen zer-<lb/>
fielen<note place="foot" n="14">Lex Fris. 15. S. unten § 44.</note>.</p><lb/>
            <p>Der Übergang vom Goldsolidus zum Silbersolidus hatte bei den<lb/>
Stämmen, welche schon vor dieser Veränderung dem fränkischen<lb/>
Reiche angehört hatten, eine Herabsetzung der Bu&#x017F;sen und der<lb/>
Friedensgelder auf etwa den dritten Teil ihres Nominalbetrags zur<lb/>
Folge. In einem Kapitulare, das uns leider nicht überliefert ist, be-<lb/>
stimmte Pippin, da&#x017F;s den Kompositionen fürderhin der Silbersolidus<lb/>
zu Grunde gelegt werden solle<note place="foot" n="15">Conc. Rem. v. J. 813 c. 41 bei <hi rendition="#g">Mansi</hi> XIV 81: ut domnus imperator secun-<lb/>
dum statutum b. m. d. Pippini misericordiam faciat, ne solidi qui in lege habentur<lb/>
per 40 denarios discurrant &#x2026;</note>. Doch blieb für die Bu&#x017F;sen und<lb/>
Friedensgelder der Lex Salica die alte Berechnung nach solidi zu<lb/>
40 Denaren in Kraft<note place="foot" n="16">Cap. v. J. 803 c. 9, I 114. Die Ausnahme erklärt sich am einfachsten<lb/>
daraus, da&#x017F;s man sich an den Wortlaut der Bu&#x017F;ssätze für gebunden erachtete, die<lb/>
in der Lex Salica zugleich in Denaren und in solidi angegeben waren.</note>. Auch diese Ausnahme schaffte Ludwig I. im<lb/>
Jahre 816 ab. Nur wenn ein Friese oder Sachse einen Salier getötet<lb/>
und somit dessen Wergeld verwirkt hatte, sollte es in alter Weise<lb/>
bezahlt werden<note place="foot" n="17">Cap. legi addita v. J. 816 c. 2, I 269: de omnibus debitis solvendis, <hi rendition="#g">sicut<lb/>
antiquitus fuit constitutum</hi>, per duodecim denarios solidus solvatur per<lb/>
totam Salicam legem, excepto leudes, si Saxo aut Frisio Salicum occiderit, per 40<lb/>
denarios solidi solvantur.</note>, ein Vorbehalt, der wohl kaum aus einer besonders<lb/>
strengen Behandlung der Sachsen und Friesen<note place="foot" n="18">So <hi rendition="#g">Waitz</hi>, VG IV 81.</note>, eher aus der Rück-<lb/>
sicht auf die höheren Wergeldsätze zu erklären ist, durch welche die<lb/>
zahlreiche Klasse des sächsischen und des friesischen Adels aus-<lb/>
gezeichnet war<note place="foot" n="19">Der Umstand, da&#x017F;s die Lex Salica keinen Adel kennt, wurde für die vor-<lb/>
nehmen Salier, die unter den Friesen und Sachsen lebten, einigerma&#x017F;sen dadurch<lb/>
ausgeglichen, da&#x017F;s ihre Wergelder nach dem alten, nicht wie die des einheimischen<lb/>
Adels nach dem neuen Münzfu&#x017F;s bezahlt wurden. Dieses Verhältnis sollte 816<lb/>
nicht geändert werden, weil sonst das Wergeld der Salier zu sehr unter das der<lb/>
sächsischen und friesischen Adeligen herabgedrückt worden wäre.</note>.</p>
          </div>
        </div><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[216/0234] § 27. Geld- und Münzwesen. und Ostfriesen verwendeten als Rechnungsmünze einen kleineren Solidus, indem jene zweieinhalb, diese nur zwei neue Denare als Solidus zusammenfaſsten. In jüngeren Teilen des friesischen Volks- rechtes werden die neuen Denare Tremissen genannt und scheint sich zur Zeit ihrer Entstehung bereits die Einteilung des Silbersolidus in zwölf Denare, wie bei den Franken, durchgesetzt zu haben. Daneben kannte man eine Rechnung nach Pfunden, die in zwölf Unzen zer- fielen 14. Der Übergang vom Goldsolidus zum Silbersolidus hatte bei den Stämmen, welche schon vor dieser Veränderung dem fränkischen Reiche angehört hatten, eine Herabsetzung der Buſsen und der Friedensgelder auf etwa den dritten Teil ihres Nominalbetrags zur Folge. In einem Kapitulare, das uns leider nicht überliefert ist, be- stimmte Pippin, daſs den Kompositionen fürderhin der Silbersolidus zu Grunde gelegt werden solle 15. Doch blieb für die Buſsen und Friedensgelder der Lex Salica die alte Berechnung nach solidi zu 40 Denaren in Kraft 16. Auch diese Ausnahme schaffte Ludwig I. im Jahre 816 ab. Nur wenn ein Friese oder Sachse einen Salier getötet und somit dessen Wergeld verwirkt hatte, sollte es in alter Weise bezahlt werden 17, ein Vorbehalt, der wohl kaum aus einer besonders strengen Behandlung der Sachsen und Friesen 18, eher aus der Rück- sicht auf die höheren Wergeldsätze zu erklären ist, durch welche die zahlreiche Klasse des sächsischen und des friesischen Adels aus- gezeichnet war 19. 14 Lex Fris. 15. S. unten § 44. 15 Conc. Rem. v. J. 813 c. 41 bei Mansi XIV 81: ut domnus imperator secun- dum statutum b. m. d. Pippini misericordiam faciat, ne solidi qui in lege habentur per 40 denarios discurrant … 16 Cap. v. J. 803 c. 9, I 114. Die Ausnahme erklärt sich am einfachsten daraus, daſs man sich an den Wortlaut der Buſssätze für gebunden erachtete, die in der Lex Salica zugleich in Denaren und in solidi angegeben waren. 17 Cap. legi addita v. J. 816 c. 2, I 269: de omnibus debitis solvendis, sicut antiquitus fuit constitutum, per duodecim denarios solidus solvatur per totam Salicam legem, excepto leudes, si Saxo aut Frisio Salicum occiderit, per 40 denarios solidi solvantur. 18 So Waitz, VG IV 81. 19 Der Umstand, daſs die Lex Salica keinen Adel kennt, wurde für die vor- nehmen Salier, die unter den Friesen und Sachsen lebten, einigermaſsen dadurch ausgeglichen, daſs ihre Wergelder nach dem alten, nicht wie die des einheimischen Adels nach dem neuen Münzfuſs bezahlt wurden. Dieses Verhältnis sollte 816 nicht geändert werden, weil sonst das Wergeld der Salier zu sehr unter das der sächsischen und friesischen Adeligen herabgedrückt worden wäre.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/234
Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/234>, abgerufen am 04.12.2024.