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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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der deutschen Rechtsgeschichte.
scheidenen Anfänge germanistischer Thätigkeit fallen in die Zeit, als
man unter dem Einfluss des Humanismus sich von der Herrschaft der
italienischen Jurisprudenz und ihrer scholastischen Methode zu be-
freien suchte und auf die reinen römischen Rechtsquellen zurück-
zugehen begann. Der auf die Vergangenheit gewendete Sinn lenkte
damals den Blick auch auf die ältesten Quellen des deutschen Rechtes.
Johann Sichard in Basel edierte 1530 einige Volksrechte; 1557
veröffentlichte Bas. Joh. Herold eine umfassendere Sammlung der
Volksrechte. Ihnen folgte 1613 Friedrich Lindenbruch mit seinem
Codex legum antiquarum.

Der rechtsgeschichtlichen Verwertung des damals bekannten Kreises
deutscher Rechtsquellen standen die fundamentalen Irrtümer im Wege,
welche über den Grund der Geltung des römischen Rechtes verbreitet
waren. Man glaubte steif und fest an das von Sigonius, einem
italienischen Juristen des sechzehnten Jahrhunderts, referierte Gerücht,
dass Lothar II., als er den Pisanern die von ihnen zu Amalfi erbeutete
Handschrift der Pandekten schenkte, zugleich die Anwendung des
römischen Rechtes in den Gerichten und die öffentliche Lehre des-
selben angeordnet habe. Der Widerlegung dieses Märchens verdanken
wir die erste methodische Leistung auf dem Gebiete der deutschen
Rechtsgeschichte, Hermann Conrings 1 Buch de origine iuris Ger-
manici, 1643. Es beschränkt sich nicht auf die Polemik gegen jenen
Irrtum, sondern liefert ein abgerundetes Gesamtbild der allgemeinen
Geschichte des deutschen Rechtes, dessen Grundlinien mit so genialer
Treffsicherheit gezogen sind, dass sie noch heute als richtig anerkannt
werden müssen. Es ist kein Zufall, dass dieses bedeutsame Werk
nicht aus den Kreisen der zünftigen Jurisprudenz hervorgegangen ist,
welche damals noch in den Fesseln romanistischer Schulgelehrsamkeit
befangen war. Der in Ostfriesland geborene Verfasser war Professor
der Medizin, später der Politik an der braunschweigischen Universität
Helmstädt.

Die auf Conring folgende juristische Litteratur lässt eine befruch-
tende Wirkung seiner Thätigkeit in rechtsgeschichtlicher Hinsicht ver-
missen. Ebenso unempfänglich blieb sie für eine andere germanistische
Leistung ersten Ranges, nämlich für die klassische Darstellung, die
kurz vorher eines der bestkonservierten deutschen Partikularrechte
durch Hugo Grotius gefunden hatte. Seine Inleyding tot de

1 Über Conring und seine Bedeutung siehe Roderich Stintzing, Geschichte
der deutschen Rechtswissenschaft II, 1884, S 3 ff. 165 ff.; O. Stobbe, Hermann
Conring, der Begründer der deutschen Rechtsgeschichte, 1870.

der deutschen Rechtsgeschichte.
scheidenen Anfänge germanistischer Thätigkeit fallen in die Zeit, als
man unter dem Einfluſs des Humanismus sich von der Herrschaft der
italienischen Jurisprudenz und ihrer scholastischen Methode zu be-
freien suchte und auf die reinen römischen Rechtsquellen zurück-
zugehen begann. Der auf die Vergangenheit gewendete Sinn lenkte
damals den Blick auch auf die ältesten Quellen des deutschen Rechtes.
Johann Sichard in Basel edierte 1530 einige Volksrechte; 1557
veröffentlichte Bas. Joh. Herold eine umfassendere Sammlung der
Volksrechte. Ihnen folgte 1613 Friedrich Lindenbruch mit seinem
Codex legum antiquarum.

Der rechtsgeschichtlichen Verwertung des damals bekannten Kreises
deutscher Rechtsquellen standen die fundamentalen Irrtümer im Wege,
welche über den Grund der Geltung des römischen Rechtes verbreitet
waren. Man glaubte steif und fest an das von Sigonius, einem
italienischen Juristen des sechzehnten Jahrhunderts, referierte Gerücht,
daſs Lothar II., als er den Pisanern die von ihnen zu Amalfi erbeutete
Handschrift der Pandekten schenkte, zugleich die Anwendung des
römischen Rechtes in den Gerichten und die öffentliche Lehre des-
selben angeordnet habe. Der Widerlegung dieses Märchens verdanken
wir die erste methodische Leistung auf dem Gebiete der deutschen
Rechtsgeschichte, Hermann Conrings 1 Buch de origine iuris Ger-
manici, 1643. Es beschränkt sich nicht auf die Polemik gegen jenen
Irrtum, sondern liefert ein abgerundetes Gesamtbild der allgemeinen
Geschichte des deutschen Rechtes, dessen Grundlinien mit so genialer
Treffsicherheit gezogen sind, daſs sie noch heute als richtig anerkannt
werden müssen. Es ist kein Zufall, daſs dieses bedeutsame Werk
nicht aus den Kreisen der zünftigen Jurisprudenz hervorgegangen ist,
welche damals noch in den Fesseln romanistischer Schulgelehrsamkeit
befangen war. Der in Ostfriesland geborene Verfasser war Professor
der Medizin, später der Politik an der braunschweigischen Universität
Helmstädt.

Die auf Conring folgende juristische Litteratur läſst eine befruch-
tende Wirkung seiner Thätigkeit in rechtsgeschichtlicher Hinsicht ver-
missen. Ebenso unempfänglich blieb sie für eine andere germanistische
Leistung ersten Ranges, nämlich für die klassische Darstellung, die
kurz vorher eines der bestkonservierten deutschen Partikularrechte
durch Hugo Grotius gefunden hatte. Seine Inleyding tot de

1 Über Conring und seine Bedeutung siehe Roderich Stintzing, Geschichte
der deutschen Rechtswissenschaft II, 1884, S 3 ff. 165 ff.; O. Stobbe, Hermann
Conring, der Begründer der deutschen Rechtsgeschichte, 1870.
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[15/0033] der deutschen Rechtsgeschichte. scheidenen Anfänge germanistischer Thätigkeit fallen in die Zeit, als man unter dem Einfluſs des Humanismus sich von der Herrschaft der italienischen Jurisprudenz und ihrer scholastischen Methode zu be- freien suchte und auf die reinen römischen Rechtsquellen zurück- zugehen begann. Der auf die Vergangenheit gewendete Sinn lenkte damals den Blick auch auf die ältesten Quellen des deutschen Rechtes. Johann Sichard in Basel edierte 1530 einige Volksrechte; 1557 veröffentlichte Bas. Joh. Herold eine umfassendere Sammlung der Volksrechte. Ihnen folgte 1613 Friedrich Lindenbruch mit seinem Codex legum antiquarum. Der rechtsgeschichtlichen Verwertung des damals bekannten Kreises deutscher Rechtsquellen standen die fundamentalen Irrtümer im Wege, welche über den Grund der Geltung des römischen Rechtes verbreitet waren. Man glaubte steif und fest an das von Sigonius, einem italienischen Juristen des sechzehnten Jahrhunderts, referierte Gerücht, daſs Lothar II., als er den Pisanern die von ihnen zu Amalfi erbeutete Handschrift der Pandekten schenkte, zugleich die Anwendung des römischen Rechtes in den Gerichten und die öffentliche Lehre des- selben angeordnet habe. Der Widerlegung dieses Märchens verdanken wir die erste methodische Leistung auf dem Gebiete der deutschen Rechtsgeschichte, Hermann Conrings 1 Buch de origine iuris Ger- manici, 1643. Es beschränkt sich nicht auf die Polemik gegen jenen Irrtum, sondern liefert ein abgerundetes Gesamtbild der allgemeinen Geschichte des deutschen Rechtes, dessen Grundlinien mit so genialer Treffsicherheit gezogen sind, daſs sie noch heute als richtig anerkannt werden müssen. Es ist kein Zufall, daſs dieses bedeutsame Werk nicht aus den Kreisen der zünftigen Jurisprudenz hervorgegangen ist, welche damals noch in den Fesseln romanistischer Schulgelehrsamkeit befangen war. Der in Ostfriesland geborene Verfasser war Professor der Medizin, später der Politik an der braunschweigischen Universität Helmstädt. Die auf Conring folgende juristische Litteratur läſst eine befruch- tende Wirkung seiner Thätigkeit in rechtsgeschichtlicher Hinsicht ver- missen. Ebenso unempfänglich blieb sie für eine andere germanistische Leistung ersten Ranges, nämlich für die klassische Darstellung, die kurz vorher eines der bestkonservierten deutschen Partikularrechte durch Hugo Grotius gefunden hatte. Seine Inleyding tot de 1 Über Conring und seine Bedeutung siehe Roderich Stintzing, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft II, 1884, S 3 ff. 165 ff.; O. Stobbe, Hermann Conring, der Begründer der deutschen Rechtsgeschichte, 1870.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/33>, abgerufen am 21.11.2024.