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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 43. Die Leges Wisigothorum.
älteren Königsgesetze anzuhängen 37, die er gelegentlich aufs neue,
und zwar in Verbindung mit seinen eigenen Gesetzen promulgiert
haben dürfte 38.

Das von Chindasuinth begonnene Werk der Herstellung eines
einheitlichen Reichsrechtes hat sein Sohn Reckessuinth, der vier Jahre
mit seinem Vater gemeinschaftlich regiert hatte, in der Zeit seiner
Alleinherrschaft zu völligem Abschluss gebracht. In dem Bestreben,
Goten und Römer zu einem Volke zu verschmelzen, beseitigte er das
zwischen ihnen bestehende Ehehindernis der nationalen Abstammung 39.
Andererseits verbot er, dass bei der Rechtsprechung römische Rechts-
quellen angewendet würden, indem er damit die weitere Geltung der
Lex Romana Wisigothorum auf hob 40, deren praktische Bedeutung schon
durch die Gesetzgebung Chindasuinths eine wesentliche Einbusse er-
fahren hatte. Bald nach dem Tode seines Vaters, wohl noch im
ersten Jahre seiner Regierung 41, publizierte Reckessuinth eine Samm-
lung der westgotischen Königsgesetze, welche die Leges antiquae, die
Gesetze Chindasuinths und seine eigenen Gesetze in gesonderten
Massen enthielt 42, indem er dabei von den Gesetzen seines Vaters
diejenigen ausmerzte, die ihm als unbillig und despotisch erschienen.

lich im Cod. Vat. und Remig., den Namen Reckessuinths, wie ich mich durch die
Einsicht in den Apparat der Monumenta Germaniae überzeugte, die mir Waitz
vor einigen Jahren gütigst gestattete. Vgl. Bouquet zu II 1, 9 Anm b.
37 Chindasuinths Gesetze bildeten neben den Leges antiquae eine gesonderte
Masse. In Lex Wis. XII 2, 3 unterscheidet Chindasuinth nostrarum legum edicta
und predecessorum nostrorum regum legali serie promulgatas sententias. Beide
Massen hält auch die oben Anm 34 zitierte Lex quoniam auseinander.
38 In Lex Wis. V 4, 13 spricht er von der promulgata iuris antiqui sanctio.
39 Lex Wis. III 1, 1.
40 Lex Wis. II 1, 9 (über die Inskriptio Recds s. oben Anm 36): ... cum
sufficiat ad iustitiae plenitudinem et perscrutatio rationum et conpetentium ordo
verborum, quae codicis huius series agnoscitur continere, nolumus sive Romanis
legibus sive alienis institutionibus amodo amplius convexari. Gaudenzi a. O.
S 59 ff. nimmt die von Daniels I 122 ausgesprochene Meinung wieder auf, dass die
Lex "alienae gentis" (II 1, 9) nicht das Breviarium, sondern Justinians Rechts-
bücher ausschliessen wollte. Nach ihm hat schon Reccareds Antiqua (die er von
den Pariser Fragmenten unterscheidet) sowohl für die Römer als für die Goten
gegolten.
41 Reckessuinth bestimmt in der Lex II 1, 13, welche seiner zweiten Samm-
lung angehört: illas autem causas, quae antequam istae leges a nostra gloria emen-
darentur, legaliter determinatae sunt, id est secundum legum modum, qui ab
anno primo regni nostri in praeteritis observatus est, resuscitari nullatenus patimur.
Dieser Passus ist von Reckessuinths erster Sammlung zu verstehen, welche in der
Lex quoniam II 1, 5 die gemäss Chindasuinths leges eiectae ergangenen Urteile
kassiert hatte. S. oben Anm 34.
42 [zu S 329] Siehe Schmeltzer a. O. S 124 f. Das Publikationspatent der
ersten Sammlung Reckessuinths ist die Lex quoniam II 1, 5.

§ 43. Die Leges Wisigothorum.
älteren Königsgesetze anzuhängen 37, die er gelegentlich aufs neue,
und zwar in Verbindung mit seinen eigenen Gesetzen promulgiert
haben dürfte 38.

Das von Chindasuinth begonnene Werk der Herstellung eines
einheitlichen Reichsrechtes hat sein Sohn Reckessuinth, der vier Jahre
mit seinem Vater gemeinschaftlich regiert hatte, in der Zeit seiner
Alleinherrschaft zu völligem Abschluſs gebracht. In dem Bestreben,
Goten und Römer zu einem Volke zu verschmelzen, beseitigte er das
zwischen ihnen bestehende Ehehindernis der nationalen Abstammung 39.
Andererseits verbot er, daſs bei der Rechtsprechung römische Rechts-
quellen angewendet würden, indem er damit die weitere Geltung der
Lex Romana Wisigothorum auf hob 40, deren praktische Bedeutung schon
durch die Gesetzgebung Chindasuinths eine wesentliche Einbuſse er-
fahren hatte. Bald nach dem Tode seines Vaters, wohl noch im
ersten Jahre seiner Regierung 41, publizierte Reckessuinth eine Samm-
lung der westgotischen Königsgesetze, welche die Leges antiquae, die
Gesetze Chindasuinths und seine eigenen Gesetze in gesonderten
Massen enthielt 42, indem er dabei von den Gesetzen seines Vaters
diejenigen ausmerzte, die ihm als unbillig und despotisch erschienen.

lich im Cod. Vat. und Remig., den Namen Reckessuinths, wie ich mich durch die
Einsicht in den Apparat der Monumenta Germaniae überzeugte, die mir Waitz
vor einigen Jahren gütigst gestattete. Vgl. Bouquet zu II 1, 9 Anm b.
37 Chindasuinths Gesetze bildeten neben den Leges antiquae eine gesonderte
Masse. In Lex Wis. XII 2, 3 unterscheidet Chindasuinth nostrarum legum edicta
und predecessorum nostrorum regum legali serie promulgatas sententias. Beide
Massen hält auch die oben Anm 34 zitierte Lex quoniam auseinander.
38 In Lex Wis. V 4, 13 spricht er von der promulgata iuris antiqui sanctio.
39 Lex Wis. III 1, 1.
40 Lex Wis. II 1, 9 (über die Inskriptio Recds s. oben Anm 36): … cum
sufficiat ad iustitiae plenitudinem et perscrutatio rationum et conpetentium ordo
verborum, quae codicis huius series agnoscitur continere, nolumus sive Romanis
legibus sive alienis institutionibus amodo amplius convexari. Gaudenzi a. O.
S 59 ff. nimmt die von Daniels I 122 ausgesprochene Meinung wieder auf, daſs die
Lex „alienae gentis“ (II 1, 9) nicht das Breviarium, sondern Justinians Rechts-
bücher ausschlieſsen wollte. Nach ihm hat schon Reccareds Antiqua (die er von
den Pariser Fragmenten unterscheidet) sowohl für die Römer als für die Goten
gegolten.
41 Reckessuinth bestimmt in der Lex II 1, 13, welche seiner zweiten Samm-
lung angehört: illas autem causas, quae antequam istae leges a nostra gloria emen-
darentur, legaliter determinatae sunt, id est secundum legum modum, qui ab
anno primo regni nostri in praeteritis observatus est, resuscitari nullatenus patimur.
Dieser Passus ist von Reckessuinths erster Sammlung zu verstehen, welche in der
Lex quoniam II 1, 5 die gemäſs Chindasuinths leges eiectae ergangenen Urteile
kassiert hatte. S. oben Anm 34.
42 [zu S 329] Siehe Schmeltzer a. O. S 124 f. Das Publikationspatent der
ersten Sammlung Reckessuinths ist die Lex quoniam II 1, 5.
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[329/0347] § 43. Die Leges Wisigothorum. älteren Königsgesetze anzuhängen 37, die er gelegentlich aufs neue, und zwar in Verbindung mit seinen eigenen Gesetzen promulgiert haben dürfte 38. Das von Chindasuinth begonnene Werk der Herstellung eines einheitlichen Reichsrechtes hat sein Sohn Reckessuinth, der vier Jahre mit seinem Vater gemeinschaftlich regiert hatte, in der Zeit seiner Alleinherrschaft zu völligem Abschluſs gebracht. In dem Bestreben, Goten und Römer zu einem Volke zu verschmelzen, beseitigte er das zwischen ihnen bestehende Ehehindernis der nationalen Abstammung 39. Andererseits verbot er, daſs bei der Rechtsprechung römische Rechts- quellen angewendet würden, indem er damit die weitere Geltung der Lex Romana Wisigothorum auf hob 40, deren praktische Bedeutung schon durch die Gesetzgebung Chindasuinths eine wesentliche Einbuſse er- fahren hatte. Bald nach dem Tode seines Vaters, wohl noch im ersten Jahre seiner Regierung 41, publizierte Reckessuinth eine Samm- lung der westgotischen Königsgesetze, welche die Leges antiquae, die Gesetze Chindasuinths und seine eigenen Gesetze in gesonderten Massen enthielt 42, indem er dabei von den Gesetzen seines Vaters diejenigen ausmerzte, die ihm als unbillig und despotisch erschienen. 36 37 Chindasuinths Gesetze bildeten neben den Leges antiquae eine gesonderte Masse. In Lex Wis. XII 2, 3 unterscheidet Chindasuinth nostrarum legum edicta und predecessorum nostrorum regum legali serie promulgatas sententias. Beide Massen hält auch die oben Anm 34 zitierte Lex quoniam auseinander. 38 In Lex Wis. V 4, 13 spricht er von der promulgata iuris antiqui sanctio. 39 Lex Wis. III 1, 1. 40 Lex Wis. II 1, 9 (über die Inskriptio Recds s. oben Anm 36): … cum sufficiat ad iustitiae plenitudinem et perscrutatio rationum et conpetentium ordo verborum, quae codicis huius series agnoscitur continere, nolumus sive Romanis legibus sive alienis institutionibus amodo amplius convexari. Gaudenzi a. O. S 59 ff. nimmt die von Daniels I 122 ausgesprochene Meinung wieder auf, daſs die Lex „alienae gentis“ (II 1, 9) nicht das Breviarium, sondern Justinians Rechts- bücher ausschlieſsen wollte. Nach ihm hat schon Reccareds Antiqua (die er von den Pariser Fragmenten unterscheidet) sowohl für die Römer als für die Goten gegolten. 41 Reckessuinth bestimmt in der Lex II 1, 13, welche seiner zweiten Samm- lung angehört: illas autem causas, quae antequam istae leges a nostra gloria emen- darentur, legaliter determinatae sunt, id est secundum legum modum, qui ab anno primo regni nostri in praeteritis observatus est, resuscitari nullatenus patimur. Dieser Passus ist von Reckessuinths erster Sammlung zu verstehen, welche in der Lex quoniam II 1, 5 die gemäſs Chindasuinths leges eiectae ergangenen Urteile kassiert hatte. S. oben Anm 34. 42 [zu S 329] Siehe Schmeltzer a. O. S 124 f. Das Publikationspatent der ersten Sammlung Reckessuinths ist die Lex quoniam II 1, 5. 36 lich im Cod. Vat. und Remig., den Namen Reckessuinths, wie ich mich durch die Einsicht in den Apparat der Monumenta Germaniae überzeugte, die mir Waitz vor einigen Jahren gütigst gestattete. Vgl. Bouquet zu II 1, 9 Anm b.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/347>, abgerufen am 22.11.2024.