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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.

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§ 52. Die ostgotischen Edikte.
römischen Vulgarrecht entstammende Vorschrift ist das Erfordernis
der Schrift bei Schenkungen von Immobilien 5.

Von Theoderich besitzen wir noch ein kurzes an Papst Symmachus
gerichtetes Edikt vom Jahre 508, welches die Veräusserung von Kirchen-
gütern verbietet 6.

Theoderichs Enkel und Nachfolger Athalarich (526--534) erliess
eine Anzahl von Edikten, welche der quaestor sacri palatii Cassiodo-
rius Senator 7 verfasste und in seine Varien, eine Sammlung der aus
seiner Feder geflossenen Aktenstücke der königlichen Kanzlei, auf-
nahm 8. Das bedeutendste derselben, welches Athalarich gelegentlich
als programma edictale bezeichnet 9, ist das edictum contra eos qui
praedia urbana vi occupabant et contra fornicarios atque concubinarios,
welches in seinem Schlusskapitel die sämtlichen älteren Edikte aus
der Zeit Theoderichs und Athalarichs bestätigt.

Theoderichs Edikt trat nicht bloss in Italien, sondern auch in
den zum ostgotischen Reiche gehörigen Teilen Galliens und Panno-
niens in Geltung, insbesondere auch in den Gebieten, welche die Ost-
goten in den Jahren 510 und 523 den Burgundern entrissen hatten 10.
Schon oben Seite 357 ist bemerkt worden, dass eine der verlorenen
Handschriften des Edikts, welche vermutlich aus der Provence
stammte, mit demselben eine Stelle des burgundischen Papianus
verbunden habe. In der Provence scheint auch jene kürzlich von
Gaudenzi entdeckte Rechtsaufzeichnung 11 entstanden zu sein, welche
neben den Leges Eurici das Edikt Theoderichs und burgundisches
Recht berücksichtigt 12.

In Italien traten nach dem Sturze des ostgotischen Reiches die
Edikte der ostgotischen Könige ausser Geltung. In der kurzen Spanne
Zeit, da er Italien beherrschte, führte Justinian daselbst seine Rechts-

5 Brunner, Zur Rechtsgeschichte der Urkunde I 129.
6 LL V 169.
7 Über seine Wirksamkeit Gaudenzi, L'opera di Cassiodorio a Ravenna,
Atti e Memorie della r. deputazione di Storia patria per le provincie di Romagna,
Modena 1885. 1887.
8 Die Varien sind u. a. bei Migne, Patrologia lat. Bd LXIX abgedruckt. Eine
kritische Ausgabe ist in den Mon. Germ. zu erwarten.
9 Var. IX 19 a: necessaria quaedam romanae quieti edictali programmate
duodecim capitibus ... in aevum servanda conscripsimus. Gaudenzi, Editti S 60.
10 Binding, Das burg.-rom. Königreich S 213. 265.
11 S. oben S 325.
12 Ein Beweis, dass das Edictum Theoderichs das geltende Recht unrömischen
Ursprungs nicht beseitigen, sondern ergänzen wollte.

§ 52. Die ostgotischen Edikte.
römischen Vulgarrecht entstammende Vorschrift ist das Erfordernis
der Schrift bei Schenkungen von Immobilien 5.

Von Theoderich besitzen wir noch ein kurzes an Papst Symmachus
gerichtetes Edikt vom Jahre 508, welches die Veräuſserung von Kirchen-
gütern verbietet 6.

Theoderichs Enkel und Nachfolger Athalarich (526—534) erlieſs
eine Anzahl von Edikten, welche der quaestor sacri palatii Cassiodo-
rius Senator 7 verfaſste und in seine Varien, eine Sammlung der aus
seiner Feder geflossenen Aktenstücke der königlichen Kanzlei, auf-
nahm 8. Das bedeutendste derselben, welches Athalarich gelegentlich
als programma edictale bezeichnet 9, ist das edictum contra eos qui
praedia urbana vi occupabant et contra fornicarios atque concubinarios,
welches in seinem Schluſskapitel die sämtlichen älteren Edikte aus
der Zeit Theoderichs und Athalarichs bestätigt.

Theoderichs Edikt trat nicht bloſs in Italien, sondern auch in
den zum ostgotischen Reiche gehörigen Teilen Galliens und Panno-
niens in Geltung, insbesondere auch in den Gebieten, welche die Ost-
goten in den Jahren 510 und 523 den Burgundern entrissen hatten 10.
Schon oben Seite 357 ist bemerkt worden, daſs eine der verlorenen
Handschriften des Edikts, welche vermutlich aus der Provence
stammte, mit demselben eine Stelle des burgundischen Papianus
verbunden habe. In der Provence scheint auch jene kürzlich von
Gaudenzi entdeckte Rechtsaufzeichnung 11 entstanden zu sein, welche
neben den Leges Eurici das Edikt Theoderichs und burgundisches
Recht berücksichtigt 12.

In Italien traten nach dem Sturze des ostgotischen Reiches die
Edikte der ostgotischen Könige auſser Geltung. In der kurzen Spanne
Zeit, da er Italien beherrschte, führte Justinian daselbst seine Rechts-

5 Brunner, Zur Rechtsgeschichte der Urkunde I 129.
6 LL V 169.
7 Über seine Wirksamkeit Gaudenzi, L’opera di Cassiodorio a Ravenna,
Atti e Memorie della r. deputazione di Storia patria per le provincie di Romagna,
Modena 1885. 1887.
8 Die Varien sind u. a. bei Migne, Patrologia lat. Bd LXIX abgedruckt. Eine
kritische Ausgabe ist in den Mon. Germ. zu erwarten.
9 Var. IX 19 a: necessaria quaedam romanae quieti edictali programmate
duodecim capitibus … in aevum servanda conscripsimus. Gaudenzi, Editti S 60.
10 Binding, Das burg.-rom. Königreich S 213. 265.
11 S. oben S 325.
12 Ein Beweis, daſs das Edictum Theoderichs das geltende Recht unrömischen
Ursprungs nicht beseitigen, sondern ergänzen wollte.
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[367/0385] § 52. Die ostgotischen Edikte. römischen Vulgarrecht entstammende Vorschrift ist das Erfordernis der Schrift bei Schenkungen von Immobilien 5. Von Theoderich besitzen wir noch ein kurzes an Papst Symmachus gerichtetes Edikt vom Jahre 508, welches die Veräuſserung von Kirchen- gütern verbietet 6. Theoderichs Enkel und Nachfolger Athalarich (526—534) erlieſs eine Anzahl von Edikten, welche der quaestor sacri palatii Cassiodo- rius Senator 7 verfaſste und in seine Varien, eine Sammlung der aus seiner Feder geflossenen Aktenstücke der königlichen Kanzlei, auf- nahm 8. Das bedeutendste derselben, welches Athalarich gelegentlich als programma edictale bezeichnet 9, ist das edictum contra eos qui praedia urbana vi occupabant et contra fornicarios atque concubinarios, welches in seinem Schluſskapitel die sämtlichen älteren Edikte aus der Zeit Theoderichs und Athalarichs bestätigt. Theoderichs Edikt trat nicht bloſs in Italien, sondern auch in den zum ostgotischen Reiche gehörigen Teilen Galliens und Panno- niens in Geltung, insbesondere auch in den Gebieten, welche die Ost- goten in den Jahren 510 und 523 den Burgundern entrissen hatten 10. Schon oben Seite 357 ist bemerkt worden, daſs eine der verlorenen Handschriften des Edikts, welche vermutlich aus der Provence stammte, mit demselben eine Stelle des burgundischen Papianus verbunden habe. In der Provence scheint auch jene kürzlich von Gaudenzi entdeckte Rechtsaufzeichnung 11 entstanden zu sein, welche neben den Leges Eurici das Edikt Theoderichs und burgundisches Recht berücksichtigt 12. In Italien traten nach dem Sturze des ostgotischen Reiches die Edikte der ostgotischen Könige auſser Geltung. In der kurzen Spanne Zeit, da er Italien beherrschte, führte Justinian daselbst seine Rechts- 5 Brunner, Zur Rechtsgeschichte der Urkunde I 129. 6 LL V 169. 7 Über seine Wirksamkeit Gaudenzi, L’opera di Cassiodorio a Ravenna, Atti e Memorie della r. deputazione di Storia patria per le provincie di Romagna, Modena 1885. 1887. 8 Die Varien sind u. a. bei Migne, Patrologia lat. Bd LXIX abgedruckt. Eine kritische Ausgabe ist in den Mon. Germ. zu erwarten. 9 Var. IX 19 a: necessaria quaedam romanae quieti edictali programmate duodecim capitibus … in aevum servanda conscripsimus. Gaudenzi, Editti S 60. 10 Binding, Das burg.-rom. Königreich S 213. 265. 11 S. oben S 325. 12 Ein Beweis, daſs das Edictum Theoderichs das geltende Recht unrömischen Ursprungs nicht beseitigen, sondern ergänzen wollte.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte01_1887/385>, abgerufen am 21.11.2024.