Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 1. Leipzig, 1887.§ 12. Das Haus. Die vertragsmässige Eheschliessung erfolgte einer ursprünglich Wie jeder Kauf war auch der Frauenkauf ursprünglich ein Zug 18 Lex Sax. c. 49. 65. Richthofen, Zur Lex Sax. S 288 f. 19 Lex Sax. c. 43. 20 Lex Burg. c. 34. 42, 2. 61. 21 Lex Wisigothorum III 1, 2. III 4, 7. 22 Pactus Alam. 3, 29; Lex Alam. Lantfr. 97, 4. 23 Form. Wisigoth. 18. 24 Aethelbirht c. 77. 25 Aethelbirht c. 31. 26 Richthofen, Zur Lex Sax. S 291. 27 Noordewier, Regtsoudh. S 177. 28 Das lässt sich bereits aus Tacitus, Ann. I 55 schliessen: Arminius filiam
eius (Segestis) alii pactam rapuerat. § 12. Das Haus. Die vertragsmäſsige Eheschlieſsung erfolgte einer ursprünglich Wie jeder Kauf war auch der Frauenkauf ursprünglich ein Zug 18 Lex Sax. c. 49. 65. Richthofen, Zur Lex Sax. S 288 f. 19 Lex Sax. c. 43. 20 Lex Burg. c. 34. 42, 2. 61. 21 Lex Wisigothorum III 1, 2. III 4, 7. 22 Pactus Alam. 3, 29; Lex Alam. Lantfr. 97, 4. 23 Form. Wisigoth. 18. 24 Aethelbirht c. 77. 25 Aethelbirht c. 31. 26 Richthofen, Zur Lex Sax. S 291. 27 Noordewier, Regtsoudh. S 177. 28 Das läſst sich bereits aus Tacitus, Ann. I 55 schlieſsen: Arminius filiam
eius (Segestis) alii pactam rapuerat. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0092" n="74"/> <fw place="top" type="header">§ 12. Das Haus.</fw><lb/> <p>Die vertragsmäſsige Eheschlieſsung erfolgte einer ursprünglich<lb/> altgermanischen Sitte gemäſs durch Frauenkauf. Der Kaufvertrag<lb/> wurde zwischen dem Bräutigam und seinen Magen einerseits, dem<lb/> Vater oder Vormund der Braut und ihren Magen andrerseits abge-<lb/> schlossen. Die Braut selbst war nicht Kontrahentin, sondern Objekt<lb/> des Kaufvertrags. Verheiraten heiſst noch in den Volksrechten der<lb/> folgenden Periode uxorem emere, feminam vendere<note place="foot" n="18">Lex Sax. c. 49. 65. <hi rendition="#g">Richthofen</hi>, Zur Lex Sax. S 288 f.</note>, der für die<lb/> Braut gezahlte Preis wird pretium emtionis<note place="foot" n="19">Lex Sax. c. 43.</note>, pretium nuptiale<note place="foot" n="20">Lex Burg. c. 34. 42, 2. 61.</note><lb/> oder pretium<note place="foot" n="21">Lex Wisigothorum III 1, 2. III 4, 7.</note>, die Braut puella emta<note place="foot" n="22">Pactus Alam. 3, 29; Lex Alam. Lantfr. 97, 4.</note>, die Verlobung mercatio ge-<lb/> nannt<note place="foot" n="23">Form. Wisigoth. 18.</note>. Wenn man ein Mädchen kauft, so sagt ein kentisches Ge-<lb/> setz<note place="foot" n="24">Aethelbirht c. 77.</note>, so sei es mit dem Kauf gekauft, falls kein Trug dabei ist.<lb/> Ist aber Trug dabei, so bringe er sie nach Hause zurück und man<lb/> gebe ihm sein Geld wieder. Noch roher klingt eine andere Stelle<lb/> der Gesetze König Aethelbirhts: wenn ein Freier bei eines Freien Frau<lb/> liegt, so kaufe er sie mit ihrem Wergeld und erwerbe mit seinem<lb/> Gelde eine andere Frau, die er jenem heimbringe<note place="foot" n="25">Aethelbirht c. 31.</note>. Der Frauenkauf<lb/> ist noch den jüngeren ostfriesischen Quellen bekannt und wurde noch<lb/> im 15. Jahrhundert bei den Dietmarschen geübt<note place="foot" n="26"><hi rendition="#g">Richthofen</hi>, Zur Lex Sax. S 291.</note>. Und wie im<lb/> Mittelalter die Redensart eine Frau kaufen vielfach verbreitet war,<lb/> so bezeichnet in Holland der Volksmund noch jetzt die Braut als<lb/> „verkocht“ (verkauft)<note place="foot" n="27"><hi rendition="#g">Noordewier</hi>, Regtsoudh. S 177.</note>.</p><lb/> <p>Wie jeder Kauf war auch der Frauenkauf ursprünglich ein Zug<lb/> um Zug erfülltes Baargeschäft, indem von der einen Seite die Zahlung<lb/> des Kaufpreises, von der anderen die Hingabe der Braut erfolgte.<lb/> Aber schon früh hat mit der Verfeinerung der Sitte die Eheschlieſsung<lb/> diesen Charakter eingebüſst und fielen der Veräuſserungsvertrag über<lb/> die Braut und die Übergabe derselben zeitlich auseinander<note place="foot" n="28">Das läſst sich bereits aus Tacitus, Ann. I 55 schlieſsen: Arminius filiam<lb/> eius (Segestis) alii <hi rendition="#g">pactam</hi> rapuerat.</note>, so daſs<lb/> der ursprünglich einheitliche Akt der Eheschlieſsung sich in die Akte<lb/> der Verlobung und der Trauung spaltete. Die Verlobung (der Ver-<lb/> äuſserungsvertrag) ist bindend, wenn der Kaufpreis bezahlt oder durch<lb/> rechtsförmlichen Wettvertrag versprochen worden ist. Für den Kauf-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [74/0092]
§ 12. Das Haus.
Die vertragsmäſsige Eheschlieſsung erfolgte einer ursprünglich
altgermanischen Sitte gemäſs durch Frauenkauf. Der Kaufvertrag
wurde zwischen dem Bräutigam und seinen Magen einerseits, dem
Vater oder Vormund der Braut und ihren Magen andrerseits abge-
schlossen. Die Braut selbst war nicht Kontrahentin, sondern Objekt
des Kaufvertrags. Verheiraten heiſst noch in den Volksrechten der
folgenden Periode uxorem emere, feminam vendere 18, der für die
Braut gezahlte Preis wird pretium emtionis 19, pretium nuptiale 20
oder pretium 21, die Braut puella emta 22, die Verlobung mercatio ge-
nannt 23. Wenn man ein Mädchen kauft, so sagt ein kentisches Ge-
setz 24, so sei es mit dem Kauf gekauft, falls kein Trug dabei ist.
Ist aber Trug dabei, so bringe er sie nach Hause zurück und man
gebe ihm sein Geld wieder. Noch roher klingt eine andere Stelle
der Gesetze König Aethelbirhts: wenn ein Freier bei eines Freien Frau
liegt, so kaufe er sie mit ihrem Wergeld und erwerbe mit seinem
Gelde eine andere Frau, die er jenem heimbringe 25. Der Frauenkauf
ist noch den jüngeren ostfriesischen Quellen bekannt und wurde noch
im 15. Jahrhundert bei den Dietmarschen geübt 26. Und wie im
Mittelalter die Redensart eine Frau kaufen vielfach verbreitet war,
so bezeichnet in Holland der Volksmund noch jetzt die Braut als
„verkocht“ (verkauft) 27.
Wie jeder Kauf war auch der Frauenkauf ursprünglich ein Zug
um Zug erfülltes Baargeschäft, indem von der einen Seite die Zahlung
des Kaufpreises, von der anderen die Hingabe der Braut erfolgte.
Aber schon früh hat mit der Verfeinerung der Sitte die Eheschlieſsung
diesen Charakter eingebüſst und fielen der Veräuſserungsvertrag über
die Braut und die Übergabe derselben zeitlich auseinander 28, so daſs
der ursprünglich einheitliche Akt der Eheschlieſsung sich in die Akte
der Verlobung und der Trauung spaltete. Die Verlobung (der Ver-
äuſserungsvertrag) ist bindend, wenn der Kaufpreis bezahlt oder durch
rechtsförmlichen Wettvertrag versprochen worden ist. Für den Kauf-
18 Lex Sax. c. 49. 65. Richthofen, Zur Lex Sax. S 288 f.
19 Lex Sax. c. 43.
20 Lex Burg. c. 34. 42, 2. 61.
21 Lex Wisigothorum III 1, 2. III 4, 7.
22 Pactus Alam. 3, 29; Lex Alam. Lantfr. 97, 4.
23 Form. Wisigoth. 18.
24 Aethelbirht c. 77.
25 Aethelbirht c. 31.
26 Richthofen, Zur Lex Sax. S 291.
27 Noordewier, Regtsoudh. S 177.
28 Das läſst sich bereits aus Tacitus, Ann. I 55 schlieſsen: Arminius filiam
eius (Segestis) alii pactam rapuerat.
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