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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 73. Die Pfalzgrafen.
vortragenden Ministers. Seine Aufgabe ist es, jede weltliche An-
gelegenheit, welche ein Unterthan vor den König bringen will, darauf-
hin zu prüfen, ob es nötig sei den König damit zu behelligen. Ebenso
hat er in Geheimsachen Audienzen vor dem Könige zu vermitteln18.

Der König verwendet die Pfalzgrafen ausserdem zu verschieden-
artigen Geschäften, z. B. als Gesandte, als Heerführer, zur Kund-
machung königlicher Anordnungen, wie es eben das momentane Be-
dürfnis verlangt19. Wegen seiner Rechtskunde wurde der Pfalzgraf
mitunter auch um die Entscheidung von Rechtshändeln angegangen,
die nicht vor das königliche oder pfalzgräfliche Gericht gehörten20.

Bei der Fülle der pfalzgräflichen Geschäfte ergab sich die Not-
wendigkeit, mehrere Pfalzgrafen zu bestellen. Es scheint dabei auf
die Verschiedenheit der Stämme und der Stammesrechte in der Weise
Rücksicht genommen worden zu sein, dass die wichtigsten Reichsteile
am Hofe durch besondere Pfalzgrafen vertreten waren21. Wie sich
das gegenseitige Verhältnis der verschiedenen gleichzeitigen Pfalz-
grafen gestaltete, ist nicht ganz klar. Wahrscheinlich hat unter ihnen
eine Rangordnung bestanden und der siegelführende Pfalzgraf den
höchsten Rang eingenommen22. Als Pippin, der Sohn Karls des
Grossen, Italien verwaltete, hatte er einen besonderen Pfalzgrafen23.
Ebenso Pippin, der Sohn Ludwigs I., als Unterkönig von Aquitanien24.
Einen italienischen Pfalzgrafen gab es auch unter Bernhard, Lothar I.,
Ludwig II. und Karl III. 25 und zwar vermutlich selbst dann, wenn
eine besondere Hofhaltung in Italien fehlte, so dass sich hier das
Amt während längerer Abwesenheit des Königs erhielt und die Hof-
pfalzgrafschaft allmählich zur Landespfalzgrafschaft wurde, ein Vorbild
der Stammespfalzgrafschaften, welche uns in der deutschen Reichs-
verfassung der Ottonenzeit begegnen werden.


18 Hincmar l. c. c. 19.
19 Waitz, VG III 511, Anm. 2. 3.
20 Form. Marculfi aevi Karolini, Zeumer S. 122.
21 Arg. Hincmar a. O. c. 18.
22 Th. Sickel, Acta I 365.
23 Siehe oben Anm. 15.
24 Ludwig I. für S. Croix de Poitiers, Mühlbacher Nr. 737: ante domnum
Pippinum aut ante comitem palatii illius ..
25 Ficker, Forschungen I 312 ff.

§ 73. Die Pfalzgrafen.
vortragenden Ministers. Seine Aufgabe ist es, jede weltliche An-
gelegenheit, welche ein Unterthan vor den König bringen will, darauf-
hin zu prüfen, ob es nötig sei den König damit zu behelligen. Ebenso
hat er in Geheimsachen Audienzen vor dem Könige zu vermitteln18.

Der König verwendet die Pfalzgrafen auſserdem zu verschieden-
artigen Geschäften, z. B. als Gesandte, als Heerführer, zur Kund-
machung königlicher Anordnungen, wie es eben das momentane Be-
dürfnis verlangt19. Wegen seiner Rechtskunde wurde der Pfalzgraf
mitunter auch um die Entscheidung von Rechtshändeln angegangen,
die nicht vor das königliche oder pfalzgräfliche Gericht gehörten20.

Bei der Fülle der pfalzgräflichen Geschäfte ergab sich die Not-
wendigkeit, mehrere Pfalzgrafen zu bestellen. Es scheint dabei auf
die Verschiedenheit der Stämme und der Stammesrechte in der Weise
Rücksicht genommen worden zu sein, daſs die wichtigsten Reichsteile
am Hofe durch besondere Pfalzgrafen vertreten waren21. Wie sich
das gegenseitige Verhältnis der verschiedenen gleichzeitigen Pfalz-
grafen gestaltete, ist nicht ganz klar. Wahrscheinlich hat unter ihnen
eine Rangordnung bestanden und der siegelführende Pfalzgraf den
höchsten Rang eingenommen22. Als Pippin, der Sohn Karls des
Groſsen, Italien verwaltete, hatte er einen besonderen Pfalzgrafen23.
Ebenso Pippin, der Sohn Ludwigs I., als Unterkönig von Aquitanien24.
Einen italienischen Pfalzgrafen gab es auch unter Bernhard, Lothar I.,
Ludwig II. und Karl III. 25 und zwar vermutlich selbst dann, wenn
eine besondere Hofhaltung in Italien fehlte, so daſs sich hier das
Amt während längerer Abwesenheit des Königs erhielt und die Hof-
pfalzgrafschaft allmählich zur Landespfalzgrafschaft wurde, ein Vorbild
der Stammespfalzgrafschaften, welche uns in der deutschen Reichs-
verfassung der Ottonenzeit begegnen werden.


18 Hincmar l. c. c. 19.
19 Waitz, VG III 511, Anm. 2. 3.
20 Form. Marculfi aevi Karolini, Zeumer S. 122.
21 Arg. Hincmar a. O. c. 18.
22 Th. Sickel, Acta I 365.
23 Siehe oben Anm. 15.
24 Ludwig I. für S. Croix de Poitiers, Mühlbacher Nr. 737: ante domnum
Pippinum aut ante comitem palatii illius ..
25 Ficker, Forschungen I 312 ff.
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[112/0130] § 73. Die Pfalzgrafen. vortragenden Ministers. Seine Aufgabe ist es, jede weltliche An- gelegenheit, welche ein Unterthan vor den König bringen will, darauf- hin zu prüfen, ob es nötig sei den König damit zu behelligen. Ebenso hat er in Geheimsachen Audienzen vor dem Könige zu vermitteln 18. Der König verwendet die Pfalzgrafen auſserdem zu verschieden- artigen Geschäften, z. B. als Gesandte, als Heerführer, zur Kund- machung königlicher Anordnungen, wie es eben das momentane Be- dürfnis verlangt 19. Wegen seiner Rechtskunde wurde der Pfalzgraf mitunter auch um die Entscheidung von Rechtshändeln angegangen, die nicht vor das königliche oder pfalzgräfliche Gericht gehörten 20. Bei der Fülle der pfalzgräflichen Geschäfte ergab sich die Not- wendigkeit, mehrere Pfalzgrafen zu bestellen. Es scheint dabei auf die Verschiedenheit der Stämme und der Stammesrechte in der Weise Rücksicht genommen worden zu sein, daſs die wichtigsten Reichsteile am Hofe durch besondere Pfalzgrafen vertreten waren 21. Wie sich das gegenseitige Verhältnis der verschiedenen gleichzeitigen Pfalz- grafen gestaltete, ist nicht ganz klar. Wahrscheinlich hat unter ihnen eine Rangordnung bestanden und der siegelführende Pfalzgraf den höchsten Rang eingenommen 22. Als Pippin, der Sohn Karls des Groſsen, Italien verwaltete, hatte er einen besonderen Pfalzgrafen 23. Ebenso Pippin, der Sohn Ludwigs I., als Unterkönig von Aquitanien 24. Einen italienischen Pfalzgrafen gab es auch unter Bernhard, Lothar I., Ludwig II. und Karl III. 25 und zwar vermutlich selbst dann, wenn eine besondere Hofhaltung in Italien fehlte, so daſs sich hier das Amt während längerer Abwesenheit des Königs erhielt und die Hof- pfalzgrafschaft allmählich zur Landespfalzgrafschaft wurde, ein Vorbild der Stammespfalzgrafschaften, welche uns in der deutschen Reichs- verfassung der Ottonenzeit begegnen werden. 18 Hincmar l. c. c. 19. 19 Waitz, VG III 511, Anm. 2. 3. 20 Form. Marculfi aevi Karolini, Zeumer S. 122. 21 Arg. Hincmar a. O. c. 18. 22 Th. Sickel, Acta I 365. 23 Siehe oben Anm. 15. 24 Ludwig I. für S. Croix de Poitiers, Mühlbacher Nr. 737: ante domnum Pippinum aut ante comitem palatii illius .. 25 Ficker, Forschungen I 312 ff.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/130>, abgerufen am 21.11.2024.