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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 76. Volksversammlungen und Hoftage.
Gegenwart des Königs dort, wohin er sie beruft, die zweite Anfang
Oktober an dem Orte, den die Bischöfe im März vereinbaren. Ver-
mutlich in Anlehnung an die damals vorgeschriebenen beiden Synoden
bildete sich der Brauch aus, alljährlich zwei Hoftage abzuhalten. Hof-
tage, auf welchen sich die geistlichen und weltlichen Grossen des
Landes zusammenfanden, haben nachweislich auch bei den Herzogen
der Baiern stattgefunden.

Näheren Einblick haben wir in die Formen, in denen die Hof-
tage der glänzendsten karolingischen Zeit sich bewegten. Nach der Dar-
stellung, welche uns Hinkmar von Reims im Anschluss an Adalhard
von der karolingischen Hofordnung giebt, fanden zur Beratung der
Reichsangelegenheiten jährlich zwei Versammlungen statt, eine grössere
und eine kleinere. Die grössere, placitum generale, conventus genera-
lis, synodus, concilium 31, fiel in das Frühjahr, war ein Reichstag, da
sie aus der Gesamtheit der geistlichen und weltlichen Grossen be-
stand, und diente zur Beratung und Ordnung der Sachen des laufen-
den Jahres. Die kleinere, zu welcher nur die angesehensten und
vertrautesten Räte zugezogen wurden, trat im Herbste zusammen, um
dringende Sachen zu erledigen und unter dem Siegel des Geheim-
nisses über die Vorlagen zu beraten, die vor die Frühlingsversamm-
lung des nächsten Jahres gebracht werden sollen 32.

Die Frühlingsversammlung fiel mit dem Maifelde zusammen, wenn
und solange ein solches stattfand. In den Quellen ist sie unter dem
Maifelde inbegriffen und wird sie geradezu Maifeld genannt. Die
Grossen werden nicht zum Reichstag und ausserdem zum Maifeld,
sondern nur ad campum Madium oder ad placitum generale geladen,

lung des Märzfeldes in ein Maifeld ignorierten. Vom kirchlichen Standpunkte aus
konnten und mussten sie so verfahren, da nach diesem die Synode weder mit dem
Reichstage noch mit dem Märzfelde zusammenfiel und die Änderung nur für letz-
teres beschlossen worden war. Dadurch war natürlich nicht ausgeschlossen, dass
der König auch die Synode in den Mai berief.
31 Seltener colloquium oder curia (siehe oben S. 96, Anm. 1).
32 Nach dem Text von Hinkmars De ordine palatii, wie er in den älteren
Ausgaben vorliegt, hätte in der kleineren Versammlung die Darbringung der Jahres-
geschenke stattgefunden, nämlich in derjenigen, von der in c. 30 die Rede ist: caeterum
propter dona generaliter danda aliud placitum cum senioribus tantum et praecipuis con-
siliariis habebatur. v. Daniels, a. O. I 582, Anm. 22, will emendieren: praeter placi-
tum ad dona generaliter danda. Allein viel einfacher erledigt sich die Schwierigkeit,
wenn man c. 30 mit den Worten: Aliud placitum, beginnt und das vorausgehende
als Schlussworte von c. 29 giebt, wo von der grösseren, im Frühjahr stattfindenden
Versammlung die Rede ist. So jetzt Prou in seiner Ausgabe. Vgl. Waitz, VG
III 555, Anm. 1, und S. 557, Anm. 1.
9*

§ 76. Volksversammlungen und Hoftage.
Gegenwart des Königs dort, wohin er sie beruft, die zweite Anfang
Oktober an dem Orte, den die Bischöfe im März vereinbaren. Ver-
mutlich in Anlehnung an die damals vorgeschriebenen beiden Synoden
bildete sich der Brauch aus, alljährlich zwei Hoftage abzuhalten. Hof-
tage, auf welchen sich die geistlichen und weltlichen Groſsen des
Landes zusammenfanden, haben nachweislich auch bei den Herzogen
der Baiern stattgefunden.

Näheren Einblick haben wir in die Formen, in denen die Hof-
tage der glänzendsten karolingischen Zeit sich bewegten. Nach der Dar-
stellung, welche uns Hinkmar von Reims im Anschluſs an Adalhard
von der karolingischen Hofordnung giebt, fanden zur Beratung der
Reichsangelegenheiten jährlich zwei Versammlungen statt, eine gröſsere
und eine kleinere. Die gröſsere, placitum generale, conventus genera-
lis, synodus, concilium 31, fiel in das Frühjahr, war ein Reichstag, da
sie aus der Gesamtheit der geistlichen und weltlichen Groſsen be-
stand, und diente zur Beratung und Ordnung der Sachen des laufen-
den Jahres. Die kleinere, zu welcher nur die angesehensten und
vertrautesten Räte zugezogen wurden, trat im Herbste zusammen, um
dringende Sachen zu erledigen und unter dem Siegel des Geheim-
nisses über die Vorlagen zu beraten, die vor die Frühlingsversamm-
lung des nächsten Jahres gebracht werden sollen 32.

Die Frühlingsversammlung fiel mit dem Maifelde zusammen, wenn
und solange ein solches stattfand. In den Quellen ist sie unter dem
Maifelde inbegriffen und wird sie geradezu Maifeld genannt. Die
Groſsen werden nicht zum Reichstag und auſserdem zum Maifeld,
sondern nur ad campum Madium oder ad placitum generale geladen,

lung des Märzfeldes in ein Maifeld ignorierten. Vom kirchlichen Standpunkte aus
konnten und muſsten sie so verfahren, da nach diesem die Synode weder mit dem
Reichstage noch mit dem Märzfelde zusammenfiel und die Änderung nur für letz-
teres beschlossen worden war. Dadurch war natürlich nicht ausgeschlossen, daſs
der König auch die Synode in den Mai berief.
31 Seltener colloquium oder curia (siehe oben S. 96, Anm. 1).
32 Nach dem Text von Hinkmars De ordine palatii, wie er in den älteren
Ausgaben vorliegt, hätte in der kleineren Versammlung die Darbringung der Jahres-
geschenke stattgefunden, nämlich in derjenigen, von der in c. 30 die Rede ist: caeterum
propter dona generaliter danda aliud placitum cum senioribus tantum et praecipuis con-
siliariis habebatur. v. Daniels, a. O. I 582, Anm. 22, will emendieren: praeter placi-
tum ad dona generaliter danda. Allein viel einfacher erledigt sich die Schwierigkeit,
wenn man c. 30 mit den Worten: Aliud placitum, beginnt und das vorausgehende
als Schluſsworte von c. 29 giebt, wo von der gröſseren, im Frühjahr stattfindenden
Versammlung die Rede ist. So jetzt Prou in seiner Ausgabe. Vgl. Waitz, VG
III 555, Anm. 1, und S. 557, Anm. 1.
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[131/0149] § 76. Volksversammlungen und Hoftage. Gegenwart des Königs dort, wohin er sie beruft, die zweite Anfang Oktober an dem Orte, den die Bischöfe im März vereinbaren. Ver- mutlich in Anlehnung an die damals vorgeschriebenen beiden Synoden bildete sich der Brauch aus, alljährlich zwei Hoftage abzuhalten. Hof- tage, auf welchen sich die geistlichen und weltlichen Groſsen des Landes zusammenfanden, haben nachweislich auch bei den Herzogen der Baiern stattgefunden. Näheren Einblick haben wir in die Formen, in denen die Hof- tage der glänzendsten karolingischen Zeit sich bewegten. Nach der Dar- stellung, welche uns Hinkmar von Reims im Anschluſs an Adalhard von der karolingischen Hofordnung giebt, fanden zur Beratung der Reichsangelegenheiten jährlich zwei Versammlungen statt, eine gröſsere und eine kleinere. Die gröſsere, placitum generale, conventus genera- lis, synodus, concilium 31, fiel in das Frühjahr, war ein Reichstag, da sie aus der Gesamtheit der geistlichen und weltlichen Groſsen be- stand, und diente zur Beratung und Ordnung der Sachen des laufen- den Jahres. Die kleinere, zu welcher nur die angesehensten und vertrautesten Räte zugezogen wurden, trat im Herbste zusammen, um dringende Sachen zu erledigen und unter dem Siegel des Geheim- nisses über die Vorlagen zu beraten, die vor die Frühlingsversamm- lung des nächsten Jahres gebracht werden sollen 32. Die Frühlingsversammlung fiel mit dem Maifelde zusammen, wenn und solange ein solches stattfand. In den Quellen ist sie unter dem Maifelde inbegriffen und wird sie geradezu Maifeld genannt. Die Groſsen werden nicht zum Reichstag und auſserdem zum Maifeld, sondern nur ad campum Madium oder ad placitum generale geladen, 30 31 Seltener colloquium oder curia (siehe oben S. 96, Anm. 1). 32 Nach dem Text von Hinkmars De ordine palatii, wie er in den älteren Ausgaben vorliegt, hätte in der kleineren Versammlung die Darbringung der Jahres- geschenke stattgefunden, nämlich in derjenigen, von der in c. 30 die Rede ist: caeterum propter dona generaliter danda aliud placitum cum senioribus tantum et praecipuis con- siliariis habebatur. v. Daniels, a. O. I 582, Anm. 22, will emendieren: praeter placi- tum ad dona generaliter danda. Allein viel einfacher erledigt sich die Schwierigkeit, wenn man c. 30 mit den Worten: Aliud placitum, beginnt und das vorausgehende als Schluſsworte von c. 29 giebt, wo von der gröſseren, im Frühjahr stattfindenden Versammlung die Rede ist. So jetzt Prou in seiner Ausgabe. Vgl. Waitz, VG III 555, Anm. 1, und S. 557, Anm. 1. 30 lung des Märzfeldes in ein Maifeld ignorierten. Vom kirchlichen Standpunkte aus konnten und muſsten sie so verfahren, da nach diesem die Synode weder mit dem Reichstage noch mit dem Märzfelde zusammenfiel und die Änderung nur für letz- teres beschlossen worden war. Dadurch war natürlich nicht ausgeschlossen, daſs der König auch die Synode in den Mai berief. 9*

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/149>, abgerufen am 21.11.2024.