Waitz, Das alte Recht der salischen Franken 1846, S. 134 ff. Derselbe, VG I 265. 360. II 1, S. 97. II 2, S. 12. 131. 165. Sohm, Reichs- und Gerichts- verfassung I 67 ff. Geppert, Beiträge zur Lehre von der Gerichtsverfassung der Lex Salica 1878. Hermann, Über die Entwicklung des altdeutschen Schöffen- gerichts 1881, S. 135 ff. H. O. Lehmann, Der Rechtsschutz gegenüber Eingriffen von Staatsbeamten nach altfränkischem Recht 1883. Wilhelm Sickel in den Mitth. des Instituts für österr. Geschichtsforschung IV 624. Thonissen, L'organi- sation judiciaire .. de la loi Salique 1881, S. 32 ff. Beauchet, Histoire de l'or- ganisation judiciaire en France, epoque franque 1886, S. 9 ff. Platon, Le mal- lus ante theoda vel thunginum et le mallus legitimus, 1889. H. Brunner in Z2 f. RG XI 206. Kögel, Sagibaro, in der Z. f. DA 1889, XXXIII 13 ff.
Die Lex Salica zeigt uns ein Ämterwesen, das sich in wesent- lichen Zügen von demjenigen abhebt, welches uns seit dem sechsten Jahrhundert im fränkischen Reiche vor Augen tritt. Sie kennt als Volksbeamte den Thungin und den Centenar, als königliche Beamte den Sacebaro und den Grafen. Von ihnen sind zwei, der Thungin und der Sacebaro, nachmals verschwunden. Der Graf, später der ordentliche Richter der fränkischen Gerichtsverfassung, entbehrt in der Lex Salica noch der eigentlich richterlichen Funktionen. Er ist nur Verwaltungsbeamter; die richterliche Stellung, die er später hat, nimmt noch der Thungin ein. Der Centenar der Lex, dessen deutsche Be- nennung vermutlich hunno lautete 1, ist der vom Volke bestellte Hundertschaftsbeamte, dessen richterliche Thätigkeit sich zu der des Thungins in ähnlicher Weise verhält wie später zu der des Grafen.
Das Amt des Grafen und das des Centenars sollen unten im Zu- sammenhange ihrer geschichtlichen Entwickelung besprochen werden 2. Hier haben wir es zunächst mit den der Lex Salica eigentümlichen Beamten, mit dem Thungin und dem Sacebaro, zu thun.
Den Thungin, thunginus, thunzinus, thuncginus, tunchinus, nennt die Lex Salica an vier Stellen als Richter 3. Die vielfach gesuchte Grundbedeutung 4 des Wortes ist wahrscheinlich placitator im Sinne
1 Hunno für centurio in Glossen und in Notkers Psalmenübersetzung. Graff, Sprachsch. IV 976. Siehe oben I 118, Anm. 30 und Waitz, VG I 218, Anm. 2.
2 Siehe unten §§ 81, 82.
3 Lex Sal. 44, 1 bei Zahlung des reipus, 46, 1. 4. 6 bei der Affatomie, 50, 2 bei dem Verfahren aus fides facta, 60, 1 bei der Entsippung. Sonst wird der Thungin nur noch in einer Formel des Cartul. Langob. IV 599 erwähnt, die auf Grundlage von Lex Sal. 44, 1 ausgearbeitet und für die Stellung des Thungins wertlos ist.
4 Nach Müllenhoff bei Waitz, Altes Recht, venerabilis, ehrwürdig mit Be-
§ 79. Das Ämterwesen der Lex Salica.
§ 79. Das Ämterwesen der Lex Salica.
Waitz, Das alte Recht der salischen Franken 1846, S. 134 ff. Derselbe, VG I 265. 360. II 1, S. 97. II 2, S. 12. 131. 165. Sohm, Reichs- und Gerichts- verfassung I 67 ff. Geppert, Beiträge zur Lehre von der Gerichtsverfassung der Lex Salica 1878. Hermann, Über die Entwicklung des altdeutschen Schöffen- gerichts 1881, S. 135 ff. H. O. Lehmann, Der Rechtsschutz gegenüber Eingriffen von Staatsbeamten nach altfränkischem Recht 1883. Wilhelm Sickel in den Mitth. des Instituts für österr. Geschichtsforschung IV 624. Thonissen, L’organi- sation judiciaire .. de la loi Salique 1881, S. 32 ff. Beauchet, Histoire de l’or- ganisation judiciaire en France, époque franque 1886, S. 9 ff. Platon, Le mal- lus ante theoda vel thunginum et le mallus legitimus, 1889. H. Brunner in Z2 f. RG XI 206. Kögel, Sagibaro, in der Z. f. DA 1889, XXXIII 13 ff.
Die Lex Salica zeigt uns ein Ämterwesen, das sich in wesent- lichen Zügen von demjenigen abhebt, welches uns seit dem sechsten Jahrhundert im fränkischen Reiche vor Augen tritt. Sie kennt als Volksbeamte den Thungin und den Centenar, als königliche Beamte den Sacebaro und den Grafen. Von ihnen sind zwei, der Thungin und der Sacebaro, nachmals verschwunden. Der Graf, später der ordentliche Richter der fränkischen Gerichtsverfassung, entbehrt in der Lex Salica noch der eigentlich richterlichen Funktionen. Er ist nur Verwaltungsbeamter; die richterliche Stellung, die er später hat, nimmt noch der Thungin ein. Der Centenar der Lex, dessen deutsche Be- nennung vermutlich hunno lautete 1, ist der vom Volke bestellte Hundertschaftsbeamte, dessen richterliche Thätigkeit sich zu der des Thungins in ähnlicher Weise verhält wie später zu der des Grafen.
Das Amt des Grafen und das des Centenars sollen unten im Zu- sammenhange ihrer geschichtlichen Entwickelung besprochen werden 2. Hier haben wir es zunächst mit den der Lex Salica eigentümlichen Beamten, mit dem Thungin und dem Sacebaro, zu thun.
Den Thungin, thunginus, thunzinus, thuncginus, tunchinus, nennt die Lex Salica an vier Stellen als Richter 3. Die vielfach gesuchte Grundbedeutung 4 des Wortes ist wahrscheinlich placitator im Sinne
1 Hunno für centurio in Glossen und in Notkers Psalmenübersetzung. Graff, Sprachsch. IV 976. Siehe oben I 118, Anm. 30 und Waitz, VG I 218, Anm. 2.
2 Siehe unten §§ 81, 82.
3 Lex Sal. 44, 1 bei Zahlung des reipus, 46, 1. 4. 6 bei der Affatomie, 50, 2 bei dem Verfahren aus fides facta, 60, 1 bei der Entsippung. Sonst wird der Thungin nur noch in einer Formel des Cartul. Langob. IV 599 erwähnt, die auf Grundlage von Lex Sal. 44, 1 ausgearbeitet und für die Stellung des Thungins wertlos ist.
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§ 79. Das Ämterwesen der Lex Salica.
§ 79. Das Ämterwesen der Lex Salica.
Waitz, Das alte Recht der salischen Franken 1846, S. 134 ff. Derselbe, VG
I 265. 360. II 1, S. 97. II 2, S. 12. 131. 165. Sohm, Reichs- und Gerichts-
verfassung I 67 ff. Geppert, Beiträge zur Lehre von der Gerichtsverfassung der
Lex Salica 1878. Hermann, Über die Entwicklung des altdeutschen Schöffen-
gerichts 1881, S. 135 ff. H. O. Lehmann, Der Rechtsschutz gegenüber Eingriffen
von Staatsbeamten nach altfränkischem Recht 1883. Wilhelm Sickel in den
Mitth. des Instituts für österr. Geschichtsforschung IV 624. Thonissen, L’organi-
sation judiciaire .. de la loi Salique 1881, S. 32 ff. Beauchet, Histoire de l’or-
ganisation judiciaire en France, époque franque 1886, S. 9 ff. Platon, Le mal-
lus ante theoda vel thunginum et le mallus legitimus, 1889. H. Brunner in Z2
f. RG XI 206. Kögel, Sagibaro, in der Z. f. DA 1889, XXXIII 13 ff.
Die Lex Salica zeigt uns ein Ämterwesen, das sich in wesent-
lichen Zügen von demjenigen abhebt, welches uns seit dem sechsten
Jahrhundert im fränkischen Reiche vor Augen tritt. Sie kennt als
Volksbeamte den Thungin und den Centenar, als königliche Beamte
den Sacebaro und den Grafen. Von ihnen sind zwei, der Thungin
und der Sacebaro, nachmals verschwunden. Der Graf, später der
ordentliche Richter der fränkischen Gerichtsverfassung, entbehrt in der
Lex Salica noch der eigentlich richterlichen Funktionen. Er ist nur
Verwaltungsbeamter; die richterliche Stellung, die er später hat, nimmt
noch der Thungin ein. Der Centenar der Lex, dessen deutsche Be-
nennung vermutlich hunno lautete 1, ist der vom Volke bestellte
Hundertschaftsbeamte, dessen richterliche Thätigkeit sich zu der des
Thungins in ähnlicher Weise verhält wie später zu der des Grafen.
Das Amt des Grafen und das des Centenars sollen unten im Zu-
sammenhange ihrer geschichtlichen Entwickelung besprochen werden 2.
Hier haben wir es zunächst mit den der Lex Salica eigentümlichen
Beamten, mit dem Thungin und dem Sacebaro, zu thun.
Den Thungin, thunginus, thunzinus, thuncginus, tunchinus, nennt
die Lex Salica an vier Stellen als Richter 3. Die vielfach gesuchte
Grundbedeutung 4 des Wortes ist wahrscheinlich placitator im Sinne
1 Hunno für centurio in Glossen und in Notkers Psalmenübersetzung. Graff,
Sprachsch. IV 976. Siehe oben I 118, Anm. 30 und Waitz, VG I 218, Anm. 2.
2 Siehe unten §§ 81, 82.
3 Lex Sal. 44, 1 bei Zahlung des reipus, 46, 1. 4. 6 bei der Affatomie, 50, 2
bei dem Verfahren aus fides facta, 60, 1 bei der Entsippung. Sonst wird der
Thungin nur noch in einer Formel des Cartul. Langob. IV 599 erwähnt, die auf
Grundlage von Lex Sal. 44, 1 ausgearbeitet und für die Stellung des Thungins
wertlos ist.
4 Nach Müllenhoff bei Waitz, Altes Recht, venerabilis, ehrwürdig mit Be-
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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/167>, abgerufen am 21.11.2024.
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