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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 81. Die Grafen.
trug bei den Franken im allgemeinen fünfzehn Schillinge 36, bei den
Chamaven nur vier 37. Nach den Stammesrechten, die nicht beweg-
liche, sondern feste Friedensgelder hatten, scheint das kleinere Frie-
densgeld von zwölf Solidi oder eine Quote desselben den Grafenbann
gebildet zu haben. So kannten die Schwaben neben einem Herzogs-
bann von zwölf einen Grafenbann von sechs Solidi 38. Der bairische
Grafenbann dürfte ursprünglich zwölf Solidi betragen haben, später
aber unter fränkischem Einfluss auf fünfzehn erhöht worden sein 39.
Umgekehrt wurde bei den Sachsen zunächst die fränkische Bannbusse
von fünfzehn Solidi eingeführt 40, griff man aber bald darnach auf das
ständisch abgestufte Friedensgeld der Sachsen von 12, 6 und 4 Solidi
zurück, welches 797 zum sächsischen Grafenbann erhoben wurde 41.
Die Existenz eines besonderen Grafenbannes lässt ersehen, dass dem
Grafen die allgemeine Vollmacht fehlte, den Königsbann zu hand-
haben. Aber abgesehen von vereinzelten Fällen, in welchen das
fränkische Reichsrecht eine Verdoppelung des Grafenbannes eintreten
liess 42, stand dem Grafen ausnahmsweise auch der Sechzigschillings-
bann zu Gebote. Er hatte ihn auf Grund königlichen Spezialmandats 43;
ausserdem war er in gewissen Angelegenheiten bevollmächtigt, im
Namen des Königs zu gebieten. Er erhielt das Recht, bei Königs-
bann Frieden zu wirken 44, Grundstücke zu fronen 45, zur Verfolgung
von Verbrechern aufzubieten 46, ein Rügeverfahren einzuleiten, fiska-

36 Arg. Cap. legg. add. v. J. 803, c. 2, I 113, und Cap. de partibus Saxoniae
c. 31 verglichen mit Cap. Sax. c. 3. 4 und Lex Sax. c. 36.
37 Lex Cham. c. 34 ff.
38 Lex Alam. 27, 1.
39 Arg. Lex Baiuw. II 14. Soviel betrug hier auch der Herzogsbann nach
II 13, wogegen Decr. Niuh. c. 15, LL III 467 einen solchen von 40 Solidi vor-
aussetzen.
40 Cap. de part. Sax. c. 31.
41 Cap. Sax. c. 3. Vgl. Lex Sax. 36 und v. Richthofen in LL V 87,
Anm. 14.
42 Cap. legg. add. v. J. 803, c. 2, I 113: das erste Gebot des Grafen, dass
der Verbrecher ausgeliefert werde, ergeht bei 15, das zweite bei 30 Solidi, das
dritte bei der Drohung, die Unthat des Verbrechers büssen zu müssen. Vgl. Decr.
Niuh. c. 15.
43 Unter diesen Gesichtspunkt fallen die von Sohm a. O. S. 177, Anm. 130
angeführten Citate.
44 So war er schon nach Lex Sal. Hessels 72 ermächtigt, die Witwe in verbum
regis aufzunehmen, wodurch er ihr im Namen des Königs einen Sonderfrieden er-
wirkte. Siehe oben S. 37, Anm. 22.
45 Über die missio in bannum regis siehe unten § 112.
46 Decr. Child. c. 9, wo dies Recht auch der Centenar hat. Conv. Carisiac.
v. J. 873, c. 3, Pertz, LL 1 519.

§ 81. Die Grafen.
trug bei den Franken im allgemeinen fünfzehn Schillinge 36, bei den
Chamaven nur vier 37. Nach den Stammesrechten, die nicht beweg-
liche, sondern feste Friedensgelder hatten, scheint das kleinere Frie-
densgeld von zwölf Solidi oder eine Quote desselben den Grafenbann
gebildet zu haben. So kannten die Schwaben neben einem Herzogs-
bann von zwölf einen Grafenbann von sechs Solidi 38. Der bairische
Grafenbann dürfte ursprünglich zwölf Solidi betragen haben, später
aber unter fränkischem Einfluſs auf fünfzehn erhöht worden sein 39.
Umgekehrt wurde bei den Sachsen zunächst die fränkische Bannbuſse
von fünfzehn Solidi eingeführt 40, griff man aber bald darnach auf das
ständisch abgestufte Friedensgeld der Sachsen von 12, 6 und 4 Solidi
zurück, welches 797 zum sächsischen Grafenbann erhoben wurde 41.
Die Existenz eines besonderen Grafenbannes läſst ersehen, daſs dem
Grafen die allgemeine Vollmacht fehlte, den Königsbann zu hand-
haben. Aber abgesehen von vereinzelten Fällen, in welchen das
fränkische Reichsrecht eine Verdoppelung des Grafenbannes eintreten
lieſs 42, stand dem Grafen ausnahmsweise auch der Sechzigschillings-
bann zu Gebote. Er hatte ihn auf Grund königlichen Spezialmandats 43;
auſserdem war er in gewissen Angelegenheiten bevollmächtigt, im
Namen des Königs zu gebieten. Er erhielt das Recht, bei Königs-
bann Frieden zu wirken 44, Grundstücke zu fronen 45, zur Verfolgung
von Verbrechern aufzubieten 46, ein Rügeverfahren einzuleiten, fiska-

36 Arg. Cap. legg. add. v. J. 803, c. 2, I 113, und Cap. de partibus Saxoniae
c. 31 verglichen mit Cap. Sax. c. 3. 4 und Lex Sax. c. 36.
37 Lex Cham. c. 34 ff.
38 Lex Alam. 27, 1.
39 Arg. Lex Baiuw. II 14. Soviel betrug hier auch der Herzogsbann nach
II 13, wogegen Decr. Niuh. c. 15, LL III 467 einen solchen von 40 Solidi vor-
aussetzen.
40 Cap. de part. Sax. c. 31.
41 Cap. Sax. c. 3. Vgl. Lex Sax. 36 und v. Richthofen in LL V 87,
Anm. 14.
42 Cap. legg. add. v. J. 803, c. 2, I 113: das erste Gebot des Grafen, daſs
der Verbrecher ausgeliefert werde, ergeht bei 15, das zweite bei 30 Solidi, das
dritte bei der Drohung, die Unthat des Verbrechers büſsen zu müssen. Vgl. Decr.
Niuh. c. 15.
43 Unter diesen Gesichtspunkt fallen die von Sohm a. O. S. 177, Anm. 130
angeführten Citate.
44 So war er schon nach Lex Sal. Hessels 72 ermächtigt, die Witwe in verbum
regis aufzunehmen, wodurch er ihr im Namen des Königs einen Sonderfrieden er-
wirkte. Siehe oben S. 37, Anm. 22.
45 Über die missio in bannum regis siehe unten § 112.
46 Decr. Child. c. 9, wo dies Recht auch der Centenar hat. Conv. Carisiac.
v. J. 873, c. 3, Pertz, LL 1 519.
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[167/0185] § 81. Die Grafen. trug bei den Franken im allgemeinen fünfzehn Schillinge 36, bei den Chamaven nur vier 37. Nach den Stammesrechten, die nicht beweg- liche, sondern feste Friedensgelder hatten, scheint das kleinere Frie- densgeld von zwölf Solidi oder eine Quote desselben den Grafenbann gebildet zu haben. So kannten die Schwaben neben einem Herzogs- bann von zwölf einen Grafenbann von sechs Solidi 38. Der bairische Grafenbann dürfte ursprünglich zwölf Solidi betragen haben, später aber unter fränkischem Einfluſs auf fünfzehn erhöht worden sein 39. Umgekehrt wurde bei den Sachsen zunächst die fränkische Bannbuſse von fünfzehn Solidi eingeführt 40, griff man aber bald darnach auf das ständisch abgestufte Friedensgeld der Sachsen von 12, 6 und 4 Solidi zurück, welches 797 zum sächsischen Grafenbann erhoben wurde 41. Die Existenz eines besonderen Grafenbannes läſst ersehen, daſs dem Grafen die allgemeine Vollmacht fehlte, den Königsbann zu hand- haben. Aber abgesehen von vereinzelten Fällen, in welchen das fränkische Reichsrecht eine Verdoppelung des Grafenbannes eintreten lieſs 42, stand dem Grafen ausnahmsweise auch der Sechzigschillings- bann zu Gebote. Er hatte ihn auf Grund königlichen Spezialmandats 43; auſserdem war er in gewissen Angelegenheiten bevollmächtigt, im Namen des Königs zu gebieten. Er erhielt das Recht, bei Königs- bann Frieden zu wirken 44, Grundstücke zu fronen 45, zur Verfolgung von Verbrechern aufzubieten 46, ein Rügeverfahren einzuleiten, fiska- 36 Arg. Cap. legg. add. v. J. 803, c. 2, I 113, und Cap. de partibus Saxoniae c. 31 verglichen mit Cap. Sax. c. 3. 4 und Lex Sax. c. 36. 37 Lex Cham. c. 34 ff. 38 Lex Alam. 27, 1. 39 Arg. Lex Baiuw. II 14. Soviel betrug hier auch der Herzogsbann nach II 13, wogegen Decr. Niuh. c. 15, LL III 467 einen solchen von 40 Solidi vor- aussetzen. 40 Cap. de part. Sax. c. 31. 41 Cap. Sax. c. 3. Vgl. Lex Sax. 36 und v. Richthofen in LL V 87, Anm. 14. 42 Cap. legg. add. v. J. 803, c. 2, I 113: das erste Gebot des Grafen, daſs der Verbrecher ausgeliefert werde, ergeht bei 15, das zweite bei 30 Solidi, das dritte bei der Drohung, die Unthat des Verbrechers büſsen zu müssen. Vgl. Decr. Niuh. c. 15. 43 Unter diesen Gesichtspunkt fallen die von Sohm a. O. S. 177, Anm. 130 angeführten Citate. 44 So war er schon nach Lex Sal. Hessels 72 ermächtigt, die Witwe in verbum regis aufzunehmen, wodurch er ihr im Namen des Königs einen Sonderfrieden er- wirkte. Siehe oben S. 37, Anm. 22. 45 Über die missio in bannum regis siehe unten § 112. 46 Decr. Child. c. 9, wo dies Recht auch der Centenar hat. Conv. Carisiac. v. J. 873, c. 3, Pertz, LL 1 519.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/185>, abgerufen am 24.05.2024.