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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 87. Wehrpflicht und Heerwesen.
achten Jahrhundert war es geradezu Regel, dass die Bischöfe ihre
Hintersassen ins Feld führten. Eine Verordnung v. J. 744, die wenig-
stens die Äbte von der Heerfahrt ausschloss, wurde nicht auf die
Dauer festgehalten. Unter den karolingischen Königen beruhte es
auf besonderem königlichem Privilegium, wenn ein Kloster vom Heer-
dienst befreit war 57, was dann nicht bloss für den Abt, sondern auch
für die Zinsbauern der gefreiten Kirche galt 58. Auch einzelne welt-
liche Personen erhielten durch Königsbrief die Freiheit vom Heer-
dienste zugesichert. Wurde ein solcher wegen körperlicher Untaug-
lichkeit gewährt, so befreite er vom Beweise echter Not und schützte
gegen Willkürhandlungen des Grafen. Dispensiert waren die Vassallen,
deren der König zu seinem persönlichen Dienste bedurfte. Ein be-
schränktes Dispensationsrecht hatten Senioren und Grafen, welche im
Interesse der Hauswirtschaft und des Amtes eine bestimmte Zahl
von Wehrpflichtigen des Auszuges entbinden konnten 59.

Zur Verteidigung des Landes gegen feindliche Einfälle waren alle
verpflichtet, selbst die Geistlichen nicht ausgenommen 60. In solchem
Falle konnte das Heer von einem Missus des Königs oder vom Grafen
aufgeboten werden. Das Massenaufgebot hiess lantweri, Landwehr.
So wird es zuerst in einem Kapitular von 847 genannt. Demjenigen,
der sich der Landwehr entzog, drohte der Verlust des Lebens 61.

Auf eigenmächtiges Verlassen des Heeres, herisliz, stand nach

57 Über die notitia de servitio monasteriorum siehe oben S. 70.
58 Die Befreiung erstreckte sich sicherlich nicht auf die Vassallen der Kirche.
Kempten erhielt 834 von Ludwig I., Mühlbacher Nr. 900, ein Privilegium, worin
der Abt mit den tributarii der Kirche befreit wird. Dagegen heisst es daselbst:
nobiliores quoque personae de rebus memorati monasterii beneficia habentes non
excludimus, sed ad ea solvenda sicut et ceteri beneficiati praeparati habeantur.
59 Cap. miss. de exerc. promov. v. J. 808, c. 4, I 137. Cap. Bonon. v. J.
811, c. 9, I 167. Cap. miss. v. J. 819, c. 27, I 291. Cap. de exped. Corsicana
v. J. 825, c. 2, I 325, wo die unfreien austaldi schlechtweg als dispensiert er-
scheinen. Cap. Olonn. primum v. J. 825, c. 4, I 326, wo den Kirchen je zwei
dienstfreie Vögte nachgelassen werden.
60 Conv. apud Marsnam I v. J. 847, Adnunt. Karoli c. 5, Cap. II 71. Conv.
Silvac. v. J. 853, c. 10, Pertz, LL I 425. Ed. Pist. v. J. 864, c. 27, a. O. S. 495.
Conv. Carisiac. v. J. 877, c. 10, a. O. S. 539. Widonis Cap. Pap. v. J. 891, c. 4,
II 108.
61 Mem. Olonnae comitibus data 822--823, c. 18, Cap. I 319, wo die Todes-
strafe nur für den Fall angedroht wird, wenn der Feind wirklich ins Land ein-
drang. Ed. Pist. v. J. 864, c. 27, Pertz, LL I 495. Damit stimmt es überein,
wenn von Ludwig dem Kinde und Heinrich I. erzählt wird, dass sie bei Lebens-
strafe zur Landesverteidigung aufboten. Waitz, VG VIII 146. Wido a. O. setzt
die Strafe des Wergeldes.

§ 87. Wehrpflicht und Heerwesen.
achten Jahrhundert war es geradezu Regel, daſs die Bischöfe ihre
Hintersassen ins Feld führten. Eine Verordnung v. J. 744, die wenig-
stens die Äbte von der Heerfahrt ausschloſs, wurde nicht auf die
Dauer festgehalten. Unter den karolingischen Königen beruhte es
auf besonderem königlichem Privilegium, wenn ein Kloster vom Heer-
dienst befreit war 57, was dann nicht bloſs für den Abt, sondern auch
für die Zinsbauern der gefreiten Kirche galt 58. Auch einzelne welt-
liche Personen erhielten durch Königsbrief die Freiheit vom Heer-
dienste zugesichert. Wurde ein solcher wegen körperlicher Untaug-
lichkeit gewährt, so befreite er vom Beweise echter Not und schützte
gegen Willkürhandlungen des Grafen. Dispensiert waren die Vassallen,
deren der König zu seinem persönlichen Dienste bedurfte. Ein be-
schränktes Dispensationsrecht hatten Senioren und Grafen, welche im
Interesse der Hauswirtschaft und des Amtes eine bestimmte Zahl
von Wehrpflichtigen des Auszuges entbinden konnten 59.

Zur Verteidigung des Landes gegen feindliche Einfälle waren alle
verpflichtet, selbst die Geistlichen nicht ausgenommen 60. In solchem
Falle konnte das Heer von einem Missus des Königs oder vom Grafen
aufgeboten werden. Das Massenaufgebot hieſs lantwêri, Landwehr.
So wird es zuerst in einem Kapitular von 847 genannt. Demjenigen,
der sich der Landwehr entzog, drohte der Verlust des Lebens 61.

Auf eigenmächtiges Verlassen des Heeres, herisliz, stand nach

57 Über die notitia de servitio monasteriorum siehe oben S. 70.
58 Die Befreiung erstreckte sich sicherlich nicht auf die Vassallen der Kirche.
Kempten erhielt 834 von Ludwig I., Mühlbacher Nr. 900, ein Privilegium, worin
der Abt mit den tributarii der Kirche befreit wird. Dagegen heiſst es daselbst:
nobiliores quoque personae de rebus memorati monasterii beneficia habentes non
excludimus, sed ad ea solvenda sicut et ceteri beneficiati praeparati habeantur.
59 Cap. miss. de exerc. promov. v. J. 808, c. 4, I 137. Cap. Bonon. v. J.
811, c. 9, I 167. Cap. miss. v. J. 819, c. 27, I 291. Cap. de exped. Corsicana
v. J. 825, c. 2, I 325, wo die unfreien austaldi schlechtweg als dispensiert er-
scheinen. Cap. Olonn. primum v. J. 825, c. 4, I 326, wo den Kirchen je zwei
dienstfreie Vögte nachgelassen werden.
60 Conv. apud Marsnam I v. J. 847, Adnunt. Karoli c. 5, Cap. II 71. Conv.
Silvac. v. J. 853, c. 10, Pertz, LL I 425. Ed. Pist. v. J. 864, c. 27, a. O. S. 495.
Conv. Carisiac. v. J. 877, c. 10, a. O. S. 539. Widonis Cap. Pap. v. J. 891, c. 4,
II 108.
61 Mem. Olonnae comitibus data 822—823, c. 18, Cap. I 319, wo die Todes-
strafe nur für den Fall angedroht wird, wenn der Feind wirklich ins Land ein-
drang. Ed. Pist. v. J. 864, c. 27, Pertz, LL I 495. Damit stimmt es überein,
wenn von Ludwig dem Kinde und Heinrich I. erzählt wird, daſs sie bei Lebens-
strafe zur Landesverteidigung aufboten. Waitz, VG VIII 146. Wido a. O. setzt
die Strafe des Wergeldes.
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[215/0233] § 87. Wehrpflicht und Heerwesen. achten Jahrhundert war es geradezu Regel, daſs die Bischöfe ihre Hintersassen ins Feld führten. Eine Verordnung v. J. 744, die wenig- stens die Äbte von der Heerfahrt ausschloſs, wurde nicht auf die Dauer festgehalten. Unter den karolingischen Königen beruhte es auf besonderem königlichem Privilegium, wenn ein Kloster vom Heer- dienst befreit war 57, was dann nicht bloſs für den Abt, sondern auch für die Zinsbauern der gefreiten Kirche galt 58. Auch einzelne welt- liche Personen erhielten durch Königsbrief die Freiheit vom Heer- dienste zugesichert. Wurde ein solcher wegen körperlicher Untaug- lichkeit gewährt, so befreite er vom Beweise echter Not und schützte gegen Willkürhandlungen des Grafen. Dispensiert waren die Vassallen, deren der König zu seinem persönlichen Dienste bedurfte. Ein be- schränktes Dispensationsrecht hatten Senioren und Grafen, welche im Interesse der Hauswirtschaft und des Amtes eine bestimmte Zahl von Wehrpflichtigen des Auszuges entbinden konnten 59. Zur Verteidigung des Landes gegen feindliche Einfälle waren alle verpflichtet, selbst die Geistlichen nicht ausgenommen 60. In solchem Falle konnte das Heer von einem Missus des Königs oder vom Grafen aufgeboten werden. Das Massenaufgebot hieſs lantwêri, Landwehr. So wird es zuerst in einem Kapitular von 847 genannt. Demjenigen, der sich der Landwehr entzog, drohte der Verlust des Lebens 61. Auf eigenmächtiges Verlassen des Heeres, herisliz, stand nach 57 Über die notitia de servitio monasteriorum siehe oben S. 70. 58 Die Befreiung erstreckte sich sicherlich nicht auf die Vassallen der Kirche. Kempten erhielt 834 von Ludwig I., Mühlbacher Nr. 900, ein Privilegium, worin der Abt mit den tributarii der Kirche befreit wird. Dagegen heiſst es daselbst: nobiliores quoque personae de rebus memorati monasterii beneficia habentes non excludimus, sed ad ea solvenda sicut et ceteri beneficiati praeparati habeantur. 59 Cap. miss. de exerc. promov. v. J. 808, c. 4, I 137. Cap. Bonon. v. J. 811, c. 9, I 167. Cap. miss. v. J. 819, c. 27, I 291. Cap. de exped. Corsicana v. J. 825, c. 2, I 325, wo die unfreien austaldi schlechtweg als dispensiert er- scheinen. Cap. Olonn. primum v. J. 825, c. 4, I 326, wo den Kirchen je zwei dienstfreie Vögte nachgelassen werden. 60 Conv. apud Marsnam I v. J. 847, Adnunt. Karoli c. 5, Cap. II 71. Conv. Silvac. v. J. 853, c. 10, Pertz, LL I 425. Ed. Pist. v. J. 864, c. 27, a. O. S. 495. Conv. Carisiac. v. J. 877, c. 10, a. O. S. 539. Widonis Cap. Pap. v. J. 891, c. 4, II 108. 61 Mem. Olonnae comitibus data 822—823, c. 18, Cap. I 319, wo die Todes- strafe nur für den Fall angedroht wird, wenn der Feind wirklich ins Land ein- drang. Ed. Pist. v. J. 864, c. 27, Pertz, LL I 495. Damit stimmt es überein, wenn von Ludwig dem Kinde und Heinrich I. erzählt wird, daſs sie bei Lebens- strafe zur Landesverteidigung aufboten. Waitz, VG VIII 146. Wido a. O. setzt die Strafe des Wergeldes.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/233>, abgerufen am 24.11.2024.