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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 61. Titel, Ehrenzeichen und Regierungsantritt.

Eine Neuerung Karls des Grossen war es, dass er, höchst wahr-
scheinlich nach angelsächsischem Vorbilde 4, seit 768 die Demutsformel
gratia Dei gebrauchte 5, welche in der Folge auch durch synonyme
Wendungen ersetzt wurde 6. Sie entspricht der seit Pippin aufgekom-
menen Salbung und führt die Würde des gottgesalbten Königs auf
göttliche Fügung zurück. Übrigens war die Formel nicht auf das
Königtum beschränkt; vielmehr wurde sie schon früher gelegentlich
von geistlichen, nachmals auch von weltlichen Beamten gebraucht 7.

Von den Söhnen Karls des Grossen nannte sich bei Lebzeiten des
Vaters Pippin rex Langobardorum oder gentis Langobardorum, Ludwig
rex Aquitanorum. Bernhard, der Neffe Ludwigs I., urkundet als rex
Langobardorum, Ludwig der Deutsche 830 --833 als rex Baioariorum,

4 So auch Viollet, Histoire S. 273. Bei den Angelsachsen lässt sich der Ge-
brauch der Demutsformel mit Sicherheit bis in den Ausgang des siebenten Jahr-
hunderts verfolgen. Am häufigsten tritt sie zuerst bei den Königen von Mercien
auf. Birch, Cartularium Saxonicum Nr. 75: Christo donante rex Mercensium;
Nr. 137: ex divina dispensatione Merc. rex; Nr. 139: divina dispensante gratia
Merc. rex; Nr. 201: divina gubernante gratia rex Merciorum. Den Grundgedanken
der Formel entwickelt Nr. 230: Ego Offa deo cuncta pie dispensante, in cuius
manu sunt omnia regnorum, absque ullo antecidente merito rex Merciorum. Doch
taucht auch bei den Westsachsen die Formel frühzeitig auf. Ine nennt sich in
seinen Gesetzen, Schmid, Ges. der Ags. S. 21: Ic Ine mid Godes gife West-
seaxena kyning. Vgl. die von Kemble, Cod. dipl. I, Introduction p. XXVII, zu-
sammengestellten Formeln. Von den Urkunden, die Viollet S. 274, Anm. 1 citiert,
hat schon Kemble viele als verdächtig besternt. Dass die Formel so vielfach
variiert wird und häufig fehlt, hängt mit der angelsächsischen Sitte zusammen, den
Text der Urkunde vom Destinatär im Namen des Ausstellers niederschreiben zu
lassen. Siehe H. Brunner, Rechtsgeschichte der Urkunde S. 162.
5 Nicht schon Pippin. Th. Sickel, Beiträge zur Diplomatik III 182 ff.
Mühlbacher p. LXXIV.
6 Z. B. per misericordiam Dei in Karls Kaisertitel, divina ordinante provi-
dentia unter Ludwig I., divina favente gratia unter Ludwig dem Deutschen, divina
favente clementia unter Karl III.
7 Von Bischöfen Marculf II 40, Form. Bitur. 8, von Äbten Form. Bignon. 26,
Form. Merkel. 54, von Grafen Vaissete II 65. 79 aus d. J. 804, 813. Weitere Bei-
spiele bei Viollet, S. 274, Anm. 2. 3, und insbesondere bei W. Sickel, Gött.
gel. Anzeigen 1890, S. 571 ff. Bei den Angelsachsen kommt es seit dem achten
Jahrhundert vor. Birch, Cart. Sax. Nr. 203. 204 v. J. 770: Uhtredus deo donante
regulus Huicciorum. Nr. 217 v. J. 774: Milredus Christi tribuente gratia humilis
Huicciorum episcopus. Nr. 220 von 757--775: abbas dono Dei. Nr. 271 von
786--796: abbas gratia Dei. Aus dem neunten Jahrhundert führt Kemble a. O.
p. XXVIII an: aldormon mid godes gaefe, dei gratia presbyter, mid godes gifa
ancilla Dei. Auf die staatsrechtliche Stellung der Beamten dürfen aus dem Ge-
brauch der Formel keine Schlüsse gezogen werden.
§ 61. Titel, Ehrenzeichen und Regierungsantritt.

Eine Neuerung Karls des Groſsen war es, daſs er, höchst wahr-
scheinlich nach angelsächsischem Vorbilde 4, seit 768 die Demutsformel
gratia Dei gebrauchte 5, welche in der Folge auch durch synonyme
Wendungen ersetzt wurde 6. Sie entspricht der seit Pippin aufgekom-
menen Salbung und führt die Würde des gottgesalbten Königs auf
göttliche Fügung zurück. Übrigens war die Formel nicht auf das
Königtum beschränkt; vielmehr wurde sie schon früher gelegentlich
von geistlichen, nachmals auch von weltlichen Beamten gebraucht 7.

Von den Söhnen Karls des Groſsen nannte sich bei Lebzeiten des
Vaters Pippin rex Langobardorum oder gentis Langobardorum, Ludwig
rex Aquitanorum. Bernhard, der Neffe Ludwigs I., urkundet als rex
Langobardorum, Ludwig der Deutsche 830 —833 als rex Baioariorum,

4 So auch Viollet, Histoire S. 273. Bei den Angelsachsen läſst sich der Ge-
brauch der Demutsformel mit Sicherheit bis in den Ausgang des siebenten Jahr-
hunderts verfolgen. Am häufigsten tritt sie zuerst bei den Königen von Mercien
auf. Birch, Cartularium Saxonicum Nr. 75: Christo donante rex Mercensium;
Nr. 137: ex divina dispensatione Merc. rex; Nr. 139: divina dispensante gratia
Merc. rex; Nr. 201: divina gubernante gratia rex Merciorum. Den Grundgedanken
der Formel entwickelt Nr. 230: Ego Offa deo cuncta pie dispensante, in cuius
manu sunt omnia regnorum, absque ullo antecidente merito rex Merciorum. Doch
taucht auch bei den Westsachsen die Formel frühzeitig auf. Ine nennt sich in
seinen Gesetzen, Schmid, Ges. der Ags. S. 21: Ic Ine mid Godes gife West-
seaxena kyning. Vgl. die von Kemble, Cod. dipl. I, Introduction p. XXVII, zu-
sammengestellten Formeln. Von den Urkunden, die Viollet S. 274, Anm. 1 citiert,
hat schon Kemble viele als verdächtig besternt. Daſs die Formel so vielfach
variiert wird und häufig fehlt, hängt mit der angelsächsischen Sitte zusammen, den
Text der Urkunde vom Destinatär im Namen des Ausstellers niederschreiben zu
lassen. Siehe H. Brunner, Rechtsgeschichte der Urkunde S. 162.
5 Nicht schon Pippin. Th. Sickel, Beiträge zur Diplomatik III 182 ff.
Mühlbacher p. LXXIV.
6 Z. B. per misericordiam Dei in Karls Kaisertitel, divina ordinante provi-
dentia unter Ludwig I., divina favente gratia unter Ludwig dem Deutschen, divina
favente clementia unter Karl III.
7 Von Bischöfen Marculf II 40, Form. Bitur. 8, von Äbten Form. Bignon. 26,
Form. Merkel. 54, von Grafen Vaissete II 65. 79 aus d. J. 804, 813. Weitere Bei-
spiele bei Viollet, S. 274, Anm. 2. 3, und insbesondere bei W. Sickel, Gött.
gel. Anzeigen 1890, S. 571 ff. Bei den Angelsachsen kommt es seit dem achten
Jahrhundert vor. Birch, Cart. Sax. Nr. 203. 204 v. J. 770: Uhtredus deo donante
regulus Huicciorum. Nr. 217 v. J. 774: Milredus Christi tribuente gratia humilis
Huicciorum episcopus. Nr. 220 von 757—775: abbas dono Dei. Nr. 271 von
786—796: abbas gratia Dei. Aus dem neunten Jahrhundert führt Kemble a. O.
p. XXVIII an: aldormon mid godes gæfe, dei gratia presbyter, mid godes gifa
ancilla Dei. Auf die staatsrechtliche Stellung der Beamten dürfen aus dem Ge-
brauch der Formel keine Schlüsse gezogen werden.
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[15/0033] § 61. Titel, Ehrenzeichen und Regierungsantritt. Eine Neuerung Karls des Groſsen war es, daſs er, höchst wahr- scheinlich nach angelsächsischem Vorbilde 4, seit 768 die Demutsformel gratia Dei gebrauchte 5, welche in der Folge auch durch synonyme Wendungen ersetzt wurde 6. Sie entspricht der seit Pippin aufgekom- menen Salbung und führt die Würde des gottgesalbten Königs auf göttliche Fügung zurück. Übrigens war die Formel nicht auf das Königtum beschränkt; vielmehr wurde sie schon früher gelegentlich von geistlichen, nachmals auch von weltlichen Beamten gebraucht 7. Von den Söhnen Karls des Groſsen nannte sich bei Lebzeiten des Vaters Pippin rex Langobardorum oder gentis Langobardorum, Ludwig rex Aquitanorum. Bernhard, der Neffe Ludwigs I., urkundet als rex Langobardorum, Ludwig der Deutsche 830 —833 als rex Baioariorum, 4 So auch Viollet, Histoire S. 273. Bei den Angelsachsen läſst sich der Ge- brauch der Demutsformel mit Sicherheit bis in den Ausgang des siebenten Jahr- hunderts verfolgen. Am häufigsten tritt sie zuerst bei den Königen von Mercien auf. Birch, Cartularium Saxonicum Nr. 75: Christo donante rex Mercensium; Nr. 137: ex divina dispensatione Merc. rex; Nr. 139: divina dispensante gratia Merc. rex; Nr. 201: divina gubernante gratia rex Merciorum. Den Grundgedanken der Formel entwickelt Nr. 230: Ego Offa deo cuncta pie dispensante, in cuius manu sunt omnia regnorum, absque ullo antecidente merito rex Merciorum. Doch taucht auch bei den Westsachsen die Formel frühzeitig auf. Ine nennt sich in seinen Gesetzen, Schmid, Ges. der Ags. S. 21: Ic Ine mid Godes gife West- seaxena kyning. Vgl. die von Kemble, Cod. dipl. I, Introduction p. XXVII, zu- sammengestellten Formeln. Von den Urkunden, die Viollet S. 274, Anm. 1 citiert, hat schon Kemble viele als verdächtig besternt. Daſs die Formel so vielfach variiert wird und häufig fehlt, hängt mit der angelsächsischen Sitte zusammen, den Text der Urkunde vom Destinatär im Namen des Ausstellers niederschreiben zu lassen. Siehe H. Brunner, Rechtsgeschichte der Urkunde S. 162. 5 Nicht schon Pippin. Th. Sickel, Beiträge zur Diplomatik III 182 ff. Mühlbacher p. LXXIV. 6 Z. B. per misericordiam Dei in Karls Kaisertitel, divina ordinante provi- dentia unter Ludwig I., divina favente gratia unter Ludwig dem Deutschen, divina favente clementia unter Karl III. 7 Von Bischöfen Marculf II 40, Form. Bitur. 8, von Äbten Form. Bignon. 26, Form. Merkel. 54, von Grafen Vaissete II 65. 79 aus d. J. 804, 813. Weitere Bei- spiele bei Viollet, S. 274, Anm. 2. 3, und insbesondere bei W. Sickel, Gött. gel. Anzeigen 1890, S. 571 ff. Bei den Angelsachsen kommt es seit dem achten Jahrhundert vor. Birch, Cart. Sax. Nr. 203. 204 v. J. 770: Uhtredus deo donante regulus Huicciorum. Nr. 217 v. J. 774: Milredus Christi tribuente gratia humilis Huicciorum episcopus. Nr. 220 von 757—775: abbas dono Dei. Nr. 271 von 786—796: abbas gratia Dei. Aus dem neunten Jahrhundert führt Kemble a. O. p. XXVIII an: aldormon mid godes gæfe, dei gratia presbyter, mid godes gifa ancilla Dei. Auf die staatsrechtliche Stellung der Beamten dürfen aus dem Ge- brauch der Formel keine Schlüsse gezogen werden.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/33>, abgerufen am 21.11.2024.