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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 96. Die Kirche.
Papstes anzuerkennen51, wogegen er allerdings geltend machte, dass
auch der Papst sich über die Gesetze der Kaiser nicht hinwegsetzen
dürfe52.

Die Reichssynoden gerieten in Abhängigkeit vom Papste, wäh-
rend sie im Verhältnis zum Könige selbständiger wurden. Unter Lud-
wig I. machte sich zunächst eine zunehmende Sonderung von Synode
und Reichstag geltend. Unter seinen Nachfolgern nahm der Papst
das Recht der Einberufung in Anspruch. Nikolaus I. erklärte, dass
die Autorität der Konzilien der Mitwirkung oder der Bestätigung des
Papstes bedürfe53.

Das Recht der Besetzung der Bistümer wusste das Königtum
trotz vereinzelter Schwankungen im ganzen mit Erfolg zu wahren.
Ein Versprechen Ludwigs I., dass die Bistümer nach kanonischer
Wahl besetzt werden sollen, wollte die königliche Mitwirkung nicht
ausschliessen54. Das Bestätigungsrecht des Königs wagten selbst die
kirchlichen Gewalten nicht zu bestreiten, und das äusserste, was
die kirchliche Reformpartei unter Benutzung günstiger Verhältnisse
durchzusetzen sich bemühte, war eine der königlichen Ernennung
vorausgehende Bischofswahl55.

In dem Depositionsverfahren gegen angeschuldigte Bischöfe eman-
cipierte sich die kirchliche Synode von dem Einflusse des Königtums,
um unter den des Papsttums zu geraten. Dem Papste wurde das
Recht zugestanden, den Spruch der Synode zu bestätigen, wogegen
jener noch weiter ging und die Befugnis beanspruchte, den an-
geklagten Bischof allein zu richten und eventuell abzusetzen56.

Die in merowingischer Zeit geltende Vorschrift, dass der Eintritt
in den Klerus die Genehmigung der Staatsgewalt erfordere, war noch

51 In dem Schreiben an Papst Hadrian II., Dümmler, Gesch. des ostfränk.
Reiches II 345 ff.: quod ex apostolicae sedis nomine secundum sanctarum scriptu-
rarum tramitem praedicationemque maiorum et orthodoxorum decreta scribitur
sequendum et tenendum non ignoravimus. Cap. Papiense v. J. 876, c. 2, II 101:
et quae secundum sacrum ministerium suum auctoritate apostolica decreverit, cum
summa veneratione ab omnibus suscipiantur et debita illa oboedientia in omnibus
conservetur.
52 In dem citierten Schreiben: quas etiam leges principali auctoritate promul-
gatas (ab imperatoribus et regibus) non solum a quibuscumque episcopis, sed etiam
ab ipsis apostolicae sedis pontificibus ipsius primae sedis antistites observari de-
bere scripserunt.
53 Hinschius, Kirchenrecht III 554 ff. 717.
54 Capitulare ecclesiasticum 818--819, c. 2, I 276.
55 Hinschius, Kirchenrecht II 527.
56 Vgl. Nissl a. O. S. 85.

§ 96. Die Kirche.
Papstes anzuerkennen51, wogegen er allerdings geltend machte, daſs
auch der Papst sich über die Gesetze der Kaiser nicht hinwegsetzen
dürfe52.

Die Reichssynoden gerieten in Abhängigkeit vom Papste, wäh-
rend sie im Verhältnis zum Könige selbständiger wurden. Unter Lud-
wig I. machte sich zunächst eine zunehmende Sonderung von Synode
und Reichstag geltend. Unter seinen Nachfolgern nahm der Papst
das Recht der Einberufung in Anspruch. Nikolaus I. erklärte, daſs
die Autorität der Konzilien der Mitwirkung oder der Bestätigung des
Papstes bedürfe53.

Das Recht der Besetzung der Bistümer wuſste das Königtum
trotz vereinzelter Schwankungen im ganzen mit Erfolg zu wahren.
Ein Versprechen Ludwigs I., daſs die Bistümer nach kanonischer
Wahl besetzt werden sollen, wollte die königliche Mitwirkung nicht
ausschlieſsen54. Das Bestätigungsrecht des Königs wagten selbst die
kirchlichen Gewalten nicht zu bestreiten, und das äuſserste, was
die kirchliche Reformpartei unter Benutzung günstiger Verhältnisse
durchzusetzen sich bemühte, war eine der königlichen Ernennung
vorausgehende Bischofswahl55.

In dem Depositionsverfahren gegen angeschuldigte Bischöfe eman-
cipierte sich die kirchliche Synode von dem Einflusse des Königtums,
um unter den des Papsttums zu geraten. Dem Papste wurde das
Recht zugestanden, den Spruch der Synode zu bestätigen, wogegen
jener noch weiter ging und die Befugnis beanspruchte, den an-
geklagten Bischof allein zu richten und eventuell abzusetzen56.

Die in merowingischer Zeit geltende Vorschrift, daſs der Eintritt
in den Klerus die Genehmigung der Staatsgewalt erfordere, war noch

51 In dem Schreiben an Papst Hadrian II., Dümmler, Gesch. des ostfränk.
Reiches II 345 ff.: quod ex apostolicae sedis nomine secundum sanctarum scriptu-
rarum tramitem praedicationemque maiorum et orthodoxorum decreta scribitur
sequendum et tenendum non ignoravimus. Cap. Papiense v. J. 876, c. 2, II 101:
et quae secundum sacrum ministerium suum auctoritate apostolica decreverit, cum
summa veneratione ab omnibus suscipiantur et debita illa oboedientia in omnibus
conservetur.
52 In dem citierten Schreiben: quas etiam leges principali auctoritate promul-
gatas (ab imperatoribus et regibus) non solum a quibuscumque episcopis, sed etiam
ab ipsis apostolicae sedis pontificibus ipsius primae sedis antistites observari de-
bere scripserunt.
53 Hinschius, Kirchenrecht III 554 ff. 717.
54 Capitulare ecclesiasticum 818—819, c. 2, I 276.
55 Hinschius, Kirchenrecht II 527.
56 Vgl. Niſsl a. O. S. 85.
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[324/0342] § 96. Die Kirche. Papstes anzuerkennen 51, wogegen er allerdings geltend machte, daſs auch der Papst sich über die Gesetze der Kaiser nicht hinwegsetzen dürfe 52. Die Reichssynoden gerieten in Abhängigkeit vom Papste, wäh- rend sie im Verhältnis zum Könige selbständiger wurden. Unter Lud- wig I. machte sich zunächst eine zunehmende Sonderung von Synode und Reichstag geltend. Unter seinen Nachfolgern nahm der Papst das Recht der Einberufung in Anspruch. Nikolaus I. erklärte, daſs die Autorität der Konzilien der Mitwirkung oder der Bestätigung des Papstes bedürfe 53. Das Recht der Besetzung der Bistümer wuſste das Königtum trotz vereinzelter Schwankungen im ganzen mit Erfolg zu wahren. Ein Versprechen Ludwigs I., daſs die Bistümer nach kanonischer Wahl besetzt werden sollen, wollte die königliche Mitwirkung nicht ausschlieſsen 54. Das Bestätigungsrecht des Königs wagten selbst die kirchlichen Gewalten nicht zu bestreiten, und das äuſserste, was die kirchliche Reformpartei unter Benutzung günstiger Verhältnisse durchzusetzen sich bemühte, war eine der königlichen Ernennung vorausgehende Bischofswahl 55. In dem Depositionsverfahren gegen angeschuldigte Bischöfe eman- cipierte sich die kirchliche Synode von dem Einflusse des Königtums, um unter den des Papsttums zu geraten. Dem Papste wurde das Recht zugestanden, den Spruch der Synode zu bestätigen, wogegen jener noch weiter ging und die Befugnis beanspruchte, den an- geklagten Bischof allein zu richten und eventuell abzusetzen 56. Die in merowingischer Zeit geltende Vorschrift, daſs der Eintritt in den Klerus die Genehmigung der Staatsgewalt erfordere, war noch 51 In dem Schreiben an Papst Hadrian II., Dümmler, Gesch. des ostfränk. Reiches II 345 ff.: quod ex apostolicae sedis nomine secundum sanctarum scriptu- rarum tramitem praedicationemque maiorum et orthodoxorum decreta scribitur sequendum et tenendum non ignoravimus. Cap. Papiense v. J. 876, c. 2, II 101: et quae secundum sacrum ministerium suum auctoritate apostolica decreverit, cum summa veneratione ab omnibus suscipiantur et debita illa oboedientia in omnibus conservetur. 52 In dem citierten Schreiben: quas etiam leges principali auctoritate promul- gatas (ab imperatoribus et regibus) non solum a quibuscumque episcopis, sed etiam ab ipsis apostolicae sedis pontificibus ipsius primae sedis antistites observari de- bere scripserunt. 53 Hinschius, Kirchenrecht III 554 ff. 717. 54 Capitulare ecclesiasticum 818—819, c. 2, I 276. 55 Hinschius, Kirchenrecht II 527. 56 Vgl. Niſsl a. O. S. 85.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/342>, abgerufen am 22.11.2024.