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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 98. Ladung und Streitgedinge.

Die Mannitio war eine auf den ansässigen Mann berechnete Ladungs-
form11. Daneben hat schon das salische Recht subsidiäre Ladungs-
formen entwickelt. Eine solche erscheint als Einleitung des Rechts-
streites zwischen Antrustionen unter dem Namen rogatio. Der An-
trustio kann von seinem Genossen durch rogatio vorgeladen werden
überall, wo dieser ihn antrifft. Sich gegenseitig zu mannieren, ist den
Antrustionen, denen in älterer Zeit regelmässig ein eigenes Heim fehlte,
bei Busse verboten12. Ausserdem scheint das salische Recht eine Ladung
nicht ansässiger Personen (nuntiare) entwickelt zu haben, welche in
der Kirche oder im Ding stattfand. Wenigstens kann eine schwerver-
ständliche Stelle im Edikte Chilperichs dahin ausgelegt werden, dass
sie eine in der Kirche übliche Ladung durch die Ladung im Ding
ersetzt13. Auch die nordischen Rechte kannten eine Ladung im Ding14.

Die fränkische Mannitio verkündet dem Gegner den Streit und
setzt ihm eine bestimmte Frist, die für seine Pflicht, vor Gericht zu

11 Siehe oben I 198.
12 Lex Sal. 106, 2: si antrustio antrustionem pro qualibet causa manniret
aut fideiussores quesierit et eum secundum legem non rogaverit, XV sol. culp. iu-
dicetur, excepto quod legem propter causam illius anno integro nullatenus ter-
minetur. Mannitio oder Verlangen von Bürgschaft ist verboten, nur rogatio er-
laubt, ausgenommen, wenn der Kläger binnen Jahresfrist nicht zu seinem Rechte
gelangte. In Cod. 1 sind die Worte von legem bis excepto quod legem aus-
gefallen. Opet findet S. 132, dass im Tit. 106, 2 dieselbe Handlung, die im Titel
106, 1 als rogare erscheint, ausdrücklich als mannitio bezeichnet werde, eine Be-
merkung, welche wohl genügt, um mich hier einer Widerlegung aller einzelnen
Irrtümer zu entheben, welche Opets Ausführung über die fränkischen Rechte
aufweist.
13 Ed. Chilperici c. 9: Illas et marias, qui nuntiabantur ecclesias, nuntientur
consistentes ubi admallat. Marias von mari adnuntiatio zu marjan nuntiare. Vgl.
Lex Sal. 47, Cod. 10, wo nuntiare der übrigen Texte durch mannire ersetzt wird,
und Lex Sal. 84, wo nuntiare für Vorladung einer Dorfgemeinde gebraucht wird.
Jene Ladungen, die bisher in der Kirche verkündet wurden, sollen dort erfolgen,
wo man die ansässigen Leute (vgl. c. 10: et non habeat ubi consistat) belangt.
Admallare steht hier in der Bedeutung klagen. Flandrische Quellen kennen eine
Ladung in der Kirche und im Ding. Warnkönig, Flandr. RG III 279. Genter
Verordnung von 1178, c. 5: submoneatur ad domum suam, quod si non habeat,
submoneatur in placito. Die Delfter Dingtalen S. 34 (Sonderabdruck aus den Nieuwe
Bijdr. voor Rechtsgeleerdheit en Wetgeving, N. R. Dl. 4, 1878) gestatten neben der
Ladung an der Hausthüre eine Ladung im Ding. Werden die Schöffen (ansässige
Leute) vom Richter im Warf auf den nächsten Dingtag vorgeladen, so bittet sie
der Richter, sie möchten verwillküren, allhier ebenso getagt zu werden, also ob es
vor ihrer Hausthüre wäre. Sagen sie ja, so tagt er sie im Warf und lässt sich das
Urteil geben, dass die daghinghe also standhaft sei, als wäre sie vor ihren Haus-
thüren geschehen.
14 Lehmann und Schnorr v. Carolsfeld, Die Njalssaga S. 47.
§ 98. Ladung und Streitgedinge.

Die Mannitio war eine auf den ansässigen Mann berechnete Ladungs-
form11. Daneben hat schon das salische Recht subsidiäre Ladungs-
formen entwickelt. Eine solche erscheint als Einleitung des Rechts-
streites zwischen Antrustionen unter dem Namen rogatio. Der An-
trustio kann von seinem Genossen durch rogatio vorgeladen werden
überall, wo dieser ihn antrifft. Sich gegenseitig zu mannieren, ist den
Antrustionen, denen in älterer Zeit regelmäſsig ein eigenes Heim fehlte,
bei Buſse verboten12. Auſserdem scheint das salische Recht eine Ladung
nicht ansässiger Personen (nuntiare) entwickelt zu haben, welche in
der Kirche oder im Ding stattfand. Wenigstens kann eine schwerver-
ständliche Stelle im Edikte Chilperichs dahin ausgelegt werden, daſs
sie eine in der Kirche übliche Ladung durch die Ladung im Ding
ersetzt13. Auch die nordischen Rechte kannten eine Ladung im Ding14.

Die fränkische Mannitio verkündet dem Gegner den Streit und
setzt ihm eine bestimmte Frist, die für seine Pflicht, vor Gericht zu

11 Siehe oben I 198.
12 Lex Sal. 106, 2: si antrustio antrustionem pro qualibet causa manniret
aut fideiussores quesierit et eum secundum legem non rogaverit, XV sol. culp. iu-
dicetur, excepto quod legem propter causam illius anno integro nullatenus ter-
minetur. Mannitio oder Verlangen von Bürgschaft ist verboten, nur rogatio er-
laubt, ausgenommen, wenn der Kläger binnen Jahresfrist nicht zu seinem Rechte
gelangte. In Cod. 1 sind die Worte von legem bis excepto quod legem aus-
gefallen. Opet findet S. 132, daſs im Tit. 106, 2 dieselbe Handlung, die im Titel
106, 1 als rogare erscheint, ausdrücklich als mannitio bezeichnet werde, eine Be-
merkung, welche wohl genügt, um mich hier einer Widerlegung aller einzelnen
Irrtümer zu entheben, welche Opets Ausführung über die fränkischen Rechte
aufweist.
13 Ed. Chilperici c. 9: Illas et marias, qui nuntiabantur ecclesias, nuntientur
consistentes ubi admallat. Marias von mâri adnuntiatio zu mârjan nuntiare. Vgl.
Lex Sal. 47, Cod. 10, wo nuntiare der übrigen Texte durch mannire ersetzt wird,
und Lex Sal. 84, wo nuntiare für Vorladung einer Dorfgemeinde gebraucht wird.
Jene Ladungen, die bisher in der Kirche verkündet wurden, sollen dort erfolgen,
wo man die ansässigen Leute (vgl. c. 10: et non habeat ubi consistat) belangt.
Admallare steht hier in der Bedeutung klagen. Flandrische Quellen kennen eine
Ladung in der Kirche und im Ding. Warnkönig, Flandr. RG III 279. Genter
Verordnung von 1178, c. 5: submoneatur ad domum suam, quod si non habeat,
submoneatur in placito. Die Delfter Dingtalen S. 34 (Sonderabdruck aus den Nieuwe
Bijdr. voor Rechtsgeleerdheit en Wetgeving, N. R. Dl. 4, 1878) gestatten neben der
Ladung an der Hausthüre eine Ladung im Ding. Werden die Schöffen (ansässige
Leute) vom Richter im Warf auf den nächsten Dingtag vorgeladen, so bittet sie
der Richter, sie möchten verwillküren, allhier ebenso getagt zu werden, also ob es
vor ihrer Hausthüre wäre. Sagen sie ja, so tagt er sie im Warf und läſst sich das
Urteil geben, daſs die daghinghe also standhaft sei, als wäre sie vor ihren Haus-
thüren geschehen.
14 Lehmann und Schnorr v. Carolsfeld, Die Njálssaga S. 47.
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[334/0352] § 98. Ladung und Streitgedinge. Die Mannitio war eine auf den ansässigen Mann berechnete Ladungs- form 11. Daneben hat schon das salische Recht subsidiäre Ladungs- formen entwickelt. Eine solche erscheint als Einleitung des Rechts- streites zwischen Antrustionen unter dem Namen rogatio. Der An- trustio kann von seinem Genossen durch rogatio vorgeladen werden überall, wo dieser ihn antrifft. Sich gegenseitig zu mannieren, ist den Antrustionen, denen in älterer Zeit regelmäſsig ein eigenes Heim fehlte, bei Buſse verboten 12. Auſserdem scheint das salische Recht eine Ladung nicht ansässiger Personen (nuntiare) entwickelt zu haben, welche in der Kirche oder im Ding stattfand. Wenigstens kann eine schwerver- ständliche Stelle im Edikte Chilperichs dahin ausgelegt werden, daſs sie eine in der Kirche übliche Ladung durch die Ladung im Ding ersetzt 13. Auch die nordischen Rechte kannten eine Ladung im Ding 14. Die fränkische Mannitio verkündet dem Gegner den Streit und setzt ihm eine bestimmte Frist, die für seine Pflicht, vor Gericht zu 11 Siehe oben I 198. 12 Lex Sal. 106, 2: si antrustio antrustionem pro qualibet causa manniret aut fideiussores quesierit et eum secundum legem non rogaverit, XV sol. culp. iu- dicetur, excepto quod legem propter causam illius anno integro nullatenus ter- minetur. Mannitio oder Verlangen von Bürgschaft ist verboten, nur rogatio er- laubt, ausgenommen, wenn der Kläger binnen Jahresfrist nicht zu seinem Rechte gelangte. In Cod. 1 sind die Worte von legem bis excepto quod legem aus- gefallen. Opet findet S. 132, daſs im Tit. 106, 2 dieselbe Handlung, die im Titel 106, 1 als rogare erscheint, ausdrücklich als mannitio bezeichnet werde, eine Be- merkung, welche wohl genügt, um mich hier einer Widerlegung aller einzelnen Irrtümer zu entheben, welche Opets Ausführung über die fränkischen Rechte aufweist. 13 Ed. Chilperici c. 9: Illas et marias, qui nuntiabantur ecclesias, nuntientur consistentes ubi admallat. Marias von mâri adnuntiatio zu mârjan nuntiare. Vgl. Lex Sal. 47, Cod. 10, wo nuntiare der übrigen Texte durch mannire ersetzt wird, und Lex Sal. 84, wo nuntiare für Vorladung einer Dorfgemeinde gebraucht wird. Jene Ladungen, die bisher in der Kirche verkündet wurden, sollen dort erfolgen, wo man die ansässigen Leute (vgl. c. 10: et non habeat ubi consistat) belangt. Admallare steht hier in der Bedeutung klagen. Flandrische Quellen kennen eine Ladung in der Kirche und im Ding. Warnkönig, Flandr. RG III 279. Genter Verordnung von 1178, c. 5: submoneatur ad domum suam, quod si non habeat, submoneatur in placito. Die Delfter Dingtalen S. 34 (Sonderabdruck aus den Nieuwe Bijdr. voor Rechtsgeleerdheit en Wetgeving, N. R. Dl. 4, 1878) gestatten neben der Ladung an der Hausthüre eine Ladung im Ding. Werden die Schöffen (ansässige Leute) vom Richter im Warf auf den nächsten Dingtag vorgeladen, so bittet sie der Richter, sie möchten verwillküren, allhier ebenso getagt zu werden, also ob es vor ihrer Hausthüre wäre. Sagen sie ja, so tagt er sie im Warf und läſst sich das Urteil geben, daſs die daghinghe also standhaft sei, als wäre sie vor ihren Haus- thüren geschehen. 14 Lehmann und Schnorr v. Carolsfeld, Die Njálssaga S. 47.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/352>, abgerufen am 21.11.2024.