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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 61. Titel, Ehrenzeichen und Regierungsantritt.
Aber schon früh begannen die Grossen des erledigten Reiches, den
unmündigen Thronerben auf den Thron zu erheben. Wahrscheinlich stets
mit einer Huldigung und mit der Übergabe der königlichen Insignien
verbunden 25, erscheint die Thronerhebung als eine Handlung, bei
welcher die aktive Hauptrolle nicht vom König, sondern von den-
jenigen gespielt wird, die ihn erheben. Seit der zweiten Hälfte des
siebenten Jahrhunderts wird die feierliche elevatio die Form, in welcher
die Grossen das von ihnen erkorene Mitglied des merowingischen
Hauses zum König bestellen. Sie bleibt nicht auf unmündige Könige
beschränkt und ist geradezu staatsrechtlicher Akt der Thronbesetzung.
Die elevatio fand in der hergebrachten Weise auch 751 bei Pippin
und 768 bei dessen Söhnen ihre Anwendung 26. Doch trat sie seitdem
regelmässig mit neuen Formen in Verbindung, welche die karolingische
Zeit für die feierliche Einsetzung in das Königtum zur Ausbildung
brachte.

Unter den Karolingern ist nämlich zuerst die kirchliche Salbung,
dann auch die Krönung des neuen Königs üblich geworden. Den
Merowingern waren beide Förmlichkeiten fremd. Die Salbung, auf
altjüdisches Vorbild zurückgehend 27, ist von Hause aus ein Monopol
der Geistlichkeit. Im fränkischen Reiche ist sie vermutlich nach
angelsächsischem Muster 28 eingebürgert worden. Zuerst wurde Pippin

dericus frater eius elevatus est rex Francorum; c. 49: Childebertus in regno
statutus est; c. 52: Franci .. Danielem .. in regnum stabiliunt; c. 53: Franci
Theudericum ... regem super se statuunt.
25 Fredeg. Cont. c. 54 (137): Carlus et Carlomannus .. a proceribus eorum
... sublimati sunt in regno. Ann. Lauriss. z. J. 768: Carolus et Carlomannus
elevati sunt in regnum. Ann. Einhardi z. J. 768: Karlus et Karlomannus consensu
omnium Francorum reges creati .. insignia regni susceperunt.
26 Siehe unten S. 29, Anm. 31.
27 Ludwig II. schreibt MG SS III 521 an den oströmischen Kaiser Basilius, wenn
dieser d[unleserliches Material - 2 Zeichen fehlen] Salbung des römischen Bischofs nicht anerkenne, so müsse er auch Sa-
muel [unleserliches Material - 3 Zeichen fehlen]erfen, der mit Hintansetzung Sauls den David zum König gesalbt habe.
In dem Krönungsakt von 877, Pertz, LL I 544, lautet das Gebet bei der Salbung:
oleo gratiae spiritus sancti tui perunge, unde unxisti sacerdotes reges prophetas
et martyres ...
28 Die Salbung war allerdings im siebenten Jahrhundert bei den Westgoten
üblich. Sie ist zuerst in Bezug auf Wamba 672 sicher bezeugt. Dass aber das
Vorbild des längst untergegangenen Westgotenreiches auf die Erhebung Pippins
einen Einfluss ausgeübt hätte, ist, wie bereits Waitz III 66, Anm. 1 bemerkt,
wenig wahrscheinlich. Älter als die westgotischen Zeugnisse ist das Zeugnis des
Gildas c. 21 über die Salbung der Könige der Briten. Von Columba sagt dessen
Vita, dass er (574) Aedan mac Gabrain "in regem ordinavit". Nach britischem Vor-
bilde mag sich der Brauch bei den Angelsachsen eingebürgert haben. Aller-
2*

§ 61. Titel, Ehrenzeichen und Regierungsantritt.
Aber schon früh begannen die Groſsen des erledigten Reiches, den
unmündigen Thronerben auf den Thron zu erheben. Wahrscheinlich stets
mit einer Huldigung und mit der Übergabe der königlichen Insignien
verbunden 25, erscheint die Thronerhebung als eine Handlung, bei
welcher die aktive Hauptrolle nicht vom König, sondern von den-
jenigen gespielt wird, die ihn erheben. Seit der zweiten Hälfte des
siebenten Jahrhunderts wird die feierliche elevatio die Form, in welcher
die Groſsen das von ihnen erkorene Mitglied des merowingischen
Hauses zum König bestellen. Sie bleibt nicht auf unmündige Könige
beschränkt und ist geradezu staatsrechtlicher Akt der Thronbesetzung.
Die elevatio fand in der hergebrachten Weise auch 751 bei Pippin
und 768 bei dessen Söhnen ihre Anwendung 26. Doch trat sie seitdem
regelmäſsig mit neuen Formen in Verbindung, welche die karolingische
Zeit für die feierliche Einsetzung in das Königtum zur Ausbildung
brachte.

Unter den Karolingern ist nämlich zuerst die kirchliche Salbung,
dann auch die Krönung des neuen Königs üblich geworden. Den
Merowingern waren beide Förmlichkeiten fremd. Die Salbung, auf
altjüdisches Vorbild zurückgehend 27, ist von Hause aus ein Monopol
der Geistlichkeit. Im fränkischen Reiche ist sie vermutlich nach
angelsächsischem Muster 28 eingebürgert worden. Zuerst wurde Pippin

dericus frater eius elevatus est rex Francorum; c. 49: Childebertus in regno
statutus est; c. 52: Franci .. Danielem .. in regnum stabiliunt; c. 53: Franci
Theudericum … regem super se statuunt.
25 Fredeg. Cont. c. 54 (137): Carlus et Carlomannus .. a proceribus eorum
… sublimati sunt in regno. Ann. Lauriss. z. J. 768: Carolus et Carlomannus
elevati sunt in regnum. Ann. Einhardi z. J. 768: Karlus et Karlomannus consensu
omnium Francorum reges creati .. insignia regni susceperunt.
26 Siehe unten S. 29, Anm. 31.
27 Ludwig II. schreibt MG SS III 521 an den oströmischen Kaiser Basilius, wenn
dieser d[unleserliches Material – 2 Zeichen fehlen] Salbung des römischen Bischofs nicht anerkenne, so müsse er auch Sa-
muel [unleserliches Material – 3 Zeichen fehlen]erfen, der mit Hintansetzung Sauls den David zum König gesalbt habe.
In dem Krönungsakt von 877, Pertz, LL I 544, lautet das Gebet bei der Salbung:
oleo gratiae spiritus sancti tui perunge, unde unxisti sacerdotes reges prophetas
et martyres …
28 Die Salbung war allerdings im siebenten Jahrhundert bei den Westgoten
üblich. Sie ist zuerst in Bezug auf Wamba 672 sicher bezeugt. Daſs aber das
Vorbild des längst untergegangenen Westgotenreiches auf die Erhebung Pippins
einen Einfluſs ausgeübt hätte, ist, wie bereits Waitz III 66, Anm. 1 bemerkt,
wenig wahrscheinlich. Älter als die westgotischen Zeugnisse ist das Zeugnis des
Gildas c. 21 über die Salbung der Könige der Briten. Von Columba sagt dessen
Vita, daſs er (574) Aedan mac Gabrain „in regem ordinavit“. Nach britischem Vor-
bilde mag sich der Brauch bei den Angelsachsen eingebürgert haben. Aller-
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[19/0037] § 61. Titel, Ehrenzeichen und Regierungsantritt. Aber schon früh begannen die Groſsen des erledigten Reiches, den unmündigen Thronerben auf den Thron zu erheben. Wahrscheinlich stets mit einer Huldigung und mit der Übergabe der königlichen Insignien verbunden 25, erscheint die Thronerhebung als eine Handlung, bei welcher die aktive Hauptrolle nicht vom König, sondern von den- jenigen gespielt wird, die ihn erheben. Seit der zweiten Hälfte des siebenten Jahrhunderts wird die feierliche elevatio die Form, in welcher die Groſsen das von ihnen erkorene Mitglied des merowingischen Hauses zum König bestellen. Sie bleibt nicht auf unmündige Könige beschränkt und ist geradezu staatsrechtlicher Akt der Thronbesetzung. Die elevatio fand in der hergebrachten Weise auch 751 bei Pippin und 768 bei dessen Söhnen ihre Anwendung 26. Doch trat sie seitdem regelmäſsig mit neuen Formen in Verbindung, welche die karolingische Zeit für die feierliche Einsetzung in das Königtum zur Ausbildung brachte. Unter den Karolingern ist nämlich zuerst die kirchliche Salbung, dann auch die Krönung des neuen Königs üblich geworden. Den Merowingern waren beide Förmlichkeiten fremd. Die Salbung, auf altjüdisches Vorbild zurückgehend 27, ist von Hause aus ein Monopol der Geistlichkeit. Im fränkischen Reiche ist sie vermutlich nach angelsächsischem Muster 28 eingebürgert worden. Zuerst wurde Pippin 24 25 Fredeg. Cont. c. 54 (137): Carlus et Carlomannus .. a proceribus eorum … sublimati sunt in regno. Ann. Lauriss. z. J. 768: Carolus et Carlomannus elevati sunt in regnum. Ann. Einhardi z. J. 768: Karlus et Karlomannus consensu omnium Francorum reges creati .. insignia regni susceperunt. 26 Siehe unten S. 29, Anm. 31. 27 Ludwig II. schreibt MG SS III 521 an den oströmischen Kaiser Basilius, wenn dieser d__ Salbung des römischen Bischofs nicht anerkenne, so müsse er auch Sa- muel ___erfen, der mit Hintansetzung Sauls den David zum König gesalbt habe. In dem Krönungsakt von 877, Pertz, LL I 544, lautet das Gebet bei der Salbung: oleo gratiae spiritus sancti tui perunge, unde unxisti sacerdotes reges prophetas et martyres … 28 Die Salbung war allerdings im siebenten Jahrhundert bei den Westgoten üblich. Sie ist zuerst in Bezug auf Wamba 672 sicher bezeugt. Daſs aber das Vorbild des längst untergegangenen Westgotenreiches auf die Erhebung Pippins einen Einfluſs ausgeübt hätte, ist, wie bereits Waitz III 66, Anm. 1 bemerkt, wenig wahrscheinlich. Älter als die westgotischen Zeugnisse ist das Zeugnis des Gildas c. 21 über die Salbung der Könige der Briten. Von Columba sagt dessen Vita, daſs er (574) Aedan mac Gabrain „in regem ordinavit“. Nach britischem Vor- bilde mag sich der Brauch bei den Angelsachsen eingebürgert haben. Aller- 24 dericus frater eius elevatus est rex Francorum; c. 49: Childebertus in regno statutus est; c. 52: Franci .. Danielem .. in regnum stabiliunt; c. 53: Franci Theudericum … regem super se statuunt. 2*

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/37>, abgerufen am 21.11.2024.