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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 61. Titel, Ehrenzeichen und Regierungsantritt.
den karolingischen Kaisern die Krönung entweder in der Form eines
weltlichen oder in der Form eines kirchlichen Aktes 35. Nach dem
Vorbilde der abendländischen Kaiserkrönung entwickelte sich eine frän-
kische Königskrönung. Auch diese konnte, und zwar unabhängig von
der Salbung, als ein weltlicher Akt vollzogen werden 36. So wurde
Karl der Kahle 838 aus Anlass der Wehrhaftmachung von seinem
Vater gekrönt 37. Aber in der Regel gestaltete sich die Königskrönung
als ein kirchlicher Akt und wurde sie derart mit der Salbung ver-
bunden, dass diese vorausging. So liess sich Karl der Kahle 848 zu
Orleans, 869 zu Metz zuerst salben, dann von bischöflicher Hand
die Krone reichen 38. Die Förmlichkeiten der Salbung und Krönung
sind uns durch Aktenstücke der Jahre 869 und 877 überliefert 39.
Sie lassen ersehen, dass dafür im westfränkischen Reich bereits ein
festes Rituale bestand. Der Krönung folgte die förmliche Übergabe
des Scepters. Wahrscheinlich ist es, dass die Feierlichkeit stets mit
der Thronerhebung abschloss.

Weder die Salbung noch die Krönung haben staatsrechtliche Be-
deutung. Die Führung des Königstitels, die Erlangung königlicher
Gewalt sind davon unabhängig 40. Allerdings wird gemäss dem Sprach-
gebrauche des alten Testamentes die priesterliche Salbung in den
Quellen als ein konstitutiver Akt bezeichnet, als ein solcher, der die
Königswürde begründet 41. Wer die Salbung empfängt, wird in regem,

Chronographia S. 733, übertreibend berichten konnte, Karl der Grosse sei i. J. 800
vom Kopf bis zu den Füssen gesalbt worden.
35 Siehe unten § 70.
36 Von Arechis von Benevent erzählt Leo Marsicanus: ab episcopis ungi se
fecit et coronam sibi imposuit. Waitz, VG III 66, Anm. 2.
37 Vita Hludowici c. 59, SS II 643: dominus imperator filium suum Karolum
armis virilibus i. e. ense cinxit, corona regali caput insignivit. Nithard I 6:
Karolo arma et coronam necnon et quandam portionem regni .. dedit.
38 Dass 848 der Salbung eine Krönung folgte, ergiebt sich aus den Akten der
Synode von Savonnieres v. J. 859, c. 3, Pertz, LL I 462, wo über Wenilo von
Sens berichtet wird: apud Aurelianis civitatem .. me (Karolum) secundum traditio-
nem ecclesiasticam regem consecravit et in regni regimine chrismate sacro per-
unxit et diademate atque regni sceptro in regio solio sublimavit...
39 Krönung Karls des Kahlen in Metz 869, Pertz, LL I 512. Krönung
seines Sohnes, Ludwigs des Stammlers, zu Compiegne 877, Pertz, LL I 542.
40 Hinschius, Kirchenrecht IV 1 S. 158 Anm. 1.
41 Ann. Einh. z. J. 754 oben Anm. 31. Die oben Anm. 38 angeführte Stelle
fährt fort: a qua consecratione vel regni sublimitate supplantari vel proici non
debueram, saltem sine audientia et iudicio episcoporum, quorum ministerio in regem
sum consecratus.

§ 61. Titel, Ehrenzeichen und Regierungsantritt.
den karolingischen Kaisern die Krönung entweder in der Form eines
weltlichen oder in der Form eines kirchlichen Aktes 35. Nach dem
Vorbilde der abendländischen Kaiserkrönung entwickelte sich eine frän-
kische Königskrönung. Auch diese konnte, und zwar unabhängig von
der Salbung, als ein weltlicher Akt vollzogen werden 36. So wurde
Karl der Kahle 838 aus Anlaſs der Wehrhaftmachung von seinem
Vater gekrönt 37. Aber in der Regel gestaltete sich die Königskrönung
als ein kirchlicher Akt und wurde sie derart mit der Salbung ver-
bunden, daſs diese vorausging. So lieſs sich Karl der Kahle 848 zu
Orléans, 869 zu Metz zuerst salben, dann von bischöflicher Hand
die Krone reichen 38. Die Förmlichkeiten der Salbung und Krönung
sind uns durch Aktenstücke der Jahre 869 und 877 überliefert 39.
Sie lassen ersehen, daſs dafür im westfränkischen Reich bereits ein
festes Rituale bestand. Der Krönung folgte die förmliche Übergabe
des Scepters. Wahrscheinlich ist es, daſs die Feierlichkeit stets mit
der Thronerhebung abschloſs.

Weder die Salbung noch die Krönung haben staatsrechtliche Be-
deutung. Die Führung des Königstitels, die Erlangung königlicher
Gewalt sind davon unabhängig 40. Allerdings wird gemäſs dem Sprach-
gebrauche des alten Testamentes die priesterliche Salbung in den
Quellen als ein konstitutiver Akt bezeichnet, als ein solcher, der die
Königswürde begründet 41. Wer die Salbung empfängt, wird in regem,

Chronographia S. 733, übertreibend berichten konnte, Karl der Groſse sei i. J. 800
vom Kopf bis zu den Füſsen gesalbt worden.
35 Siehe unten § 70.
36 Von Arechis von Benevent erzählt Leo Marsicanus: ab episcopis ungi se
fecit et coronam sibi imposuit. Waitz, VG III 66, Anm. 2.
37 Vita Hludowici c. 59, SS II 643: dominus imperator filium suum Karolum
armis virilibus i. e. ense cinxit, corona regali caput insignivit. Nithard I 6:
Karolo arma et coronam necnon et quandam portionem regni .. dedit.
38 Daſs 848 der Salbung eine Krönung folgte, ergiebt sich aus den Akten der
Synode von Savonnières v. J. 859, c. 3, Pertz, LL I 462, wo über Wenilo von
Sens berichtet wird: apud Aurelianis civitatem .. me (Karolum) secundum traditio-
nem ecclesiasticam regem consecravit et in regni regimine chrismate sacro per-
unxit et diademate atque regni sceptro in regio solio sublimavit…
39 Krönung Karls des Kahlen in Metz 869, Pertz, LL I 512. Krönung
seines Sohnes, Ludwigs des Stammlers, zu Compiègne 877, Pertz, LL I 542.
40 Hinschius, Kirchenrecht IV 1 S. 158 Anm. 1.
41 Ann. Einh. z. J. 754 oben Anm. 31. Die oben Anm. 38 angeführte Stelle
fährt fort: a qua consecratione vel regni sublimitate supplantari vel proici non
debueram, saltem sine audientia et iudicio episcoporum, quorum ministerio in regem
sum consecratus.
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[21/0039] § 61. Titel, Ehrenzeichen und Regierungsantritt. den karolingischen Kaisern die Krönung entweder in der Form eines weltlichen oder in der Form eines kirchlichen Aktes 35. Nach dem Vorbilde der abendländischen Kaiserkrönung entwickelte sich eine frän- kische Königskrönung. Auch diese konnte, und zwar unabhängig von der Salbung, als ein weltlicher Akt vollzogen werden 36. So wurde Karl der Kahle 838 aus Anlaſs der Wehrhaftmachung von seinem Vater gekrönt 37. Aber in der Regel gestaltete sich die Königskrönung als ein kirchlicher Akt und wurde sie derart mit der Salbung ver- bunden, daſs diese vorausging. So lieſs sich Karl der Kahle 848 zu Orléans, 869 zu Metz zuerst salben, dann von bischöflicher Hand die Krone reichen 38. Die Förmlichkeiten der Salbung und Krönung sind uns durch Aktenstücke der Jahre 869 und 877 überliefert 39. Sie lassen ersehen, daſs dafür im westfränkischen Reich bereits ein festes Rituale bestand. Der Krönung folgte die förmliche Übergabe des Scepters. Wahrscheinlich ist es, daſs die Feierlichkeit stets mit der Thronerhebung abschloſs. Weder die Salbung noch die Krönung haben staatsrechtliche Be- deutung. Die Führung des Königstitels, die Erlangung königlicher Gewalt sind davon unabhängig 40. Allerdings wird gemäſs dem Sprach- gebrauche des alten Testamentes die priesterliche Salbung in den Quellen als ein konstitutiver Akt bezeichnet, als ein solcher, der die Königswürde begründet 41. Wer die Salbung empfängt, wird in regem, 34 35 Siehe unten § 70. 36 Von Arechis von Benevent erzählt Leo Marsicanus: ab episcopis ungi se fecit et coronam sibi imposuit. Waitz, VG III 66, Anm. 2. 37 Vita Hludowici c. 59, SS II 643: dominus imperator filium suum Karolum armis virilibus i. e. ense cinxit, corona regali caput insignivit. Nithard I 6: Karolo arma et coronam necnon et quandam portionem regni .. dedit. 38 Daſs 848 der Salbung eine Krönung folgte, ergiebt sich aus den Akten der Synode von Savonnières v. J. 859, c. 3, Pertz, LL I 462, wo über Wenilo von Sens berichtet wird: apud Aurelianis civitatem .. me (Karolum) secundum traditio- nem ecclesiasticam regem consecravit et in regni regimine chrismate sacro per- unxit et diademate atque regni sceptro in regio solio sublimavit… 39 Krönung Karls des Kahlen in Metz 869, Pertz, LL I 512. Krönung seines Sohnes, Ludwigs des Stammlers, zu Compiègne 877, Pertz, LL I 542. 40 Hinschius, Kirchenrecht IV 1 S. 158 Anm. 1. 41 Ann. Einh. z. J. 754 oben Anm. 31. Die oben Anm. 38 angeführte Stelle fährt fort: a qua consecratione vel regni sublimitate supplantari vel proici non debueram, saltem sine audientia et iudicio episcoporum, quorum ministerio in regem sum consecratus. 34 Chronographia S. 733, übertreibend berichten konnte, Karl der Groſse sei i. J. 800 vom Kopf bis zu den Füſsen gesalbt worden.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/39>, abgerufen am 21.11.2024.