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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 111. Die gerichtliche Auspfändung.
Hinderungsgrund zu haben, die Auspfändung weder selbst vornimmt,
noch durch seinen Missus vornehmen lässt, büsst mit dem Leben oder
mit seinem Wergelde. Dieselbe Ahndung tritt ein, wenn er mehr
pfändet, als rechtlich erlaubt ist 11.

Das Verfahren, wie es sich durch die Verbindung volksrechtlicher
Anpfändung und königsrechtlicher Auspfändung bei den Salfranken
gestaltete, nachdem die Funktionen des Thungins auf den Grafen
übergegangen waren, dürfte dem Pfändungsverfahren ziemlich nahe
stehen, welches uns seit dem fünfzehnten Jahrhundert in der Land-
schaft Drente begegnet. Das Drenter Recht unterscheidet aenpan-
dinghe und uitpandinghe. Jene geschieht durch den Schultheiss und
muss der Bauerschaft bekanntgegeben werden. Erst drei Wochen
nach der Anpfändung erfolgt die Auspfändung, die der Schultheiss mit
zwei erbgesessenen Bauern als Schätzleuten vornimmt 12.

Die fränkische Strud gab dem Gläubiger an den genommenen
Gegenständen sofortiges Eigentum 13. Sie wurden ihm an Zahlungs-
statt überwiesen. In gleicher Weise ist die den nordischen Rechten
bekannte Exekution eine solche, welche Eigentum begründet.

Wie die aussergerichtliche Pfandnahme, so war auch die als Ersatz
derselben zulässige gräfliche Auspfändung bei den Franken anfäng-
lich auf den Fall beschränkt, dass rechtsförmliche fides facta vorlag.
Hatte der Beklagte es verweigert, die Erfüllung des Urteils zu ver-
sprechen, so konnte nur die Friedloslegung Platz greifen. Auf diesem
Standpunkte steht auch noch die Novelle zur Lex Salica, welche den

sich daraus erklären, dass der Schuldner durch die Auspfändung behandelt wird,
wie man früher den Friedlosen behandelte, und im Falle des Widerstandes -- wie
nach den nordischen Rechten -- busslos getötet werden durfte.
11 Lex Sal. 51. Aus der Androhung des Todes folgt, dass Titel 51 Bestand-
teil einer königlichen Satzung war, derjenigen, der auch Lex Salica 50, 3 ent-
stammt. Siehe oben S. 78. Vgl. Ed. Chilp. c. 8. Lex Rib. 51 setzt bei rechts-
widrigem Pfändungsbegehren und bei übermässiger Auspfändung nur noch eine
Busse von 45 Solidi.
12 Seerp Gratama a. O. S. 259. Drenter Landrecht v. J. 1608, hrsgeg.
von M. O. Gratama (1883) II 22. 23. Der Schultheiss weist die Güter an, die Bauern
schätzen sie bei ihrem Eide. Schätzen sie zu hoch, so kann der Gläubiger ver-
langen, dass sie die Pfänder selbst zum Schätzungswerte übernehmen. Ob eine Aus-
pfändung auch ohne Gegenwart des Schultheiss vorgenommen werden könne, ist
noch 1484 Gegenstand eines langwierigen Streites.
13 Von einer Einlösungsfrist, die dem Schuldner zustände, ist nicht die Rede.
Für die Wegnahme zu Eigen spricht der Ausdruck infiscare, confiscare. Nach dem
Rechte von Drente werden die dem Gläubiger überwiesenen Güter dessen Eigen-
tum und vermindert sich die Schuld um deren abgeschätzten Wert. Seerp Gra-
tama
a. O. S. 270.

§ 111. Die gerichtliche Auspfändung.
Hinderungsgrund zu haben, die Auspfändung weder selbst vornimmt,
noch durch seinen Missus vornehmen läſst, büſst mit dem Leben oder
mit seinem Wergelde. Dieselbe Ahndung tritt ein, wenn er mehr
pfändet, als rechtlich erlaubt ist 11.

Das Verfahren, wie es sich durch die Verbindung volksrechtlicher
Anpfändung und königsrechtlicher Auspfändung bei den Salfranken
gestaltete, nachdem die Funktionen des Thungins auf den Grafen
übergegangen waren, dürfte dem Pfändungsverfahren ziemlich nahe
stehen, welches uns seit dem fünfzehnten Jahrhundert in der Land-
schaft Drente begegnet. Das Drenter Recht unterscheidet aenpan-
dinghe und uitpandinghe. Jene geschieht durch den Schultheiſs und
muſs der Bauerschaft bekanntgegeben werden. Erst drei Wochen
nach der Anpfändung erfolgt die Auspfändung, die der Schultheiſs mit
zwei erbgesessenen Bauern als Schätzleuten vornimmt 12.

Die fränkische Strud gab dem Gläubiger an den genommenen
Gegenständen sofortiges Eigentum 13. Sie wurden ihm an Zahlungs-
statt überwiesen. In gleicher Weise ist die den nordischen Rechten
bekannte Exekution eine solche, welche Eigentum begründet.

Wie die auſsergerichtliche Pfandnahme, so war auch die als Ersatz
derselben zulässige gräfliche Auspfändung bei den Franken anfäng-
lich auf den Fall beschränkt, daſs rechtsförmliche fides facta vorlag.
Hatte der Beklagte es verweigert, die Erfüllung des Urteils zu ver-
sprechen, so konnte nur die Friedloslegung Platz greifen. Auf diesem
Standpunkte steht auch noch die Novelle zur Lex Salica, welche den

sich daraus erklären, daſs der Schuldner durch die Auspfändung behandelt wird,
wie man früher den Friedlosen behandelte, und im Falle des Widerstandes — wie
nach den nordischen Rechten — buſslos getötet werden durfte.
11 Lex Sal. 51. Aus der Androhung des Todes folgt, daſs Titel 51 Bestand-
teil einer königlichen Satzung war, derjenigen, der auch Lex Salica 50, 3 ent-
stammt. Siehe oben S. 78. Vgl. Ed. Chilp. c. 8. Lex Rib. 51 setzt bei rechts-
widrigem Pfändungsbegehren und bei übermäſsiger Auspfändung nur noch eine
Buſse von 45 Solidi.
12 Seerp Gratama a. O. S. 259. Drenter Landrecht v. J. 1608, hrsgeg.
von M. O. Gratama (1883) II 22. 23. Der Schultheiſs weist die Güter an, die Bauern
schätzen sie bei ihrem Eide. Schätzen sie zu hoch, so kann der Gläubiger ver-
langen, daſs sie die Pfänder selbst zum Schätzungswerte übernehmen. Ob eine Aus-
pfändung auch ohne Gegenwart des Schultheiſs vorgenommen werden könne, ist
noch 1484 Gegenstand eines langwierigen Streites.
13 Von einer Einlösungsfrist, die dem Schuldner zustände, ist nicht die Rede.
Für die Wegnahme zu Eigen spricht der Ausdruck infiscare, confiscare. Nach dem
Rechte von Drente werden die dem Gläubiger überwiesenen Güter dessen Eigen-
tum und vermindert sich die Schuld um deren abgeschätzten Wert. Seerp Gra-
tama
a. O. S. 270.
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[455/0473] § 111. Die gerichtliche Auspfändung. Hinderungsgrund zu haben, die Auspfändung weder selbst vornimmt, noch durch seinen Missus vornehmen läſst, büſst mit dem Leben oder mit seinem Wergelde. Dieselbe Ahndung tritt ein, wenn er mehr pfändet, als rechtlich erlaubt ist 11. Das Verfahren, wie es sich durch die Verbindung volksrechtlicher Anpfändung und königsrechtlicher Auspfändung bei den Salfranken gestaltete, nachdem die Funktionen des Thungins auf den Grafen übergegangen waren, dürfte dem Pfändungsverfahren ziemlich nahe stehen, welches uns seit dem fünfzehnten Jahrhundert in der Land- schaft Drente begegnet. Das Drenter Recht unterscheidet aenpan- dinghe und uitpandinghe. Jene geschieht durch den Schultheiſs und muſs der Bauerschaft bekanntgegeben werden. Erst drei Wochen nach der Anpfändung erfolgt die Auspfändung, die der Schultheiſs mit zwei erbgesessenen Bauern als Schätzleuten vornimmt 12. Die fränkische Strud gab dem Gläubiger an den genommenen Gegenständen sofortiges Eigentum 13. Sie wurden ihm an Zahlungs- statt überwiesen. In gleicher Weise ist die den nordischen Rechten bekannte Exekution eine solche, welche Eigentum begründet. Wie die auſsergerichtliche Pfandnahme, so war auch die als Ersatz derselben zulässige gräfliche Auspfändung bei den Franken anfäng- lich auf den Fall beschränkt, daſs rechtsförmliche fides facta vorlag. Hatte der Beklagte es verweigert, die Erfüllung des Urteils zu ver- sprechen, so konnte nur die Friedloslegung Platz greifen. Auf diesem Standpunkte steht auch noch die Novelle zur Lex Salica, welche den 10 11 Lex Sal. 51. Aus der Androhung des Todes folgt, daſs Titel 51 Bestand- teil einer königlichen Satzung war, derjenigen, der auch Lex Salica 50, 3 ent- stammt. Siehe oben S. 78. Vgl. Ed. Chilp. c. 8. Lex Rib. 51 setzt bei rechts- widrigem Pfändungsbegehren und bei übermäſsiger Auspfändung nur noch eine Buſse von 45 Solidi. 12 Seerp Gratama a. O. S. 259. Drenter Landrecht v. J. 1608, hrsgeg. von M. O. Gratama (1883) II 22. 23. Der Schultheiſs weist die Güter an, die Bauern schätzen sie bei ihrem Eide. Schätzen sie zu hoch, so kann der Gläubiger ver- langen, daſs sie die Pfänder selbst zum Schätzungswerte übernehmen. Ob eine Aus- pfändung auch ohne Gegenwart des Schultheiſs vorgenommen werden könne, ist noch 1484 Gegenstand eines langwierigen Streites. 13 Von einer Einlösungsfrist, die dem Schuldner zustände, ist nicht die Rede. Für die Wegnahme zu Eigen spricht der Ausdruck infiscare, confiscare. Nach dem Rechte von Drente werden die dem Gläubiger überwiesenen Güter dessen Eigen- tum und vermindert sich die Schuld um deren abgeschätzten Wert. Seerp Gra- tama a. O. S. 270. 10 sich daraus erklären, daſs der Schuldner durch die Auspfändung behandelt wird, wie man früher den Friedlosen behandelte, und im Falle des Widerstandes — wie nach den nordischen Rechten — buſslos getötet werden durfte.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/473>, abgerufen am 22.11.2024.