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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 112. Die Fronung.

Das langobardische und das ältere westgotische Recht bieten uns
eine richterliche Pfändung dar, die der aussergerichtlichen Pfand-
nahme des Gläubigers nachgebildet ist und mit ihr gemein hat, dass
der Gläubiger das Pfand nicht zu Eigentum erhält. Nach altlango-
bardischem Rechte erwirbt er an dem vom Schultheiss genommenen
Pfande den Besitz, bezw. das Gebrauchs- und Nutzungsrecht, bis der
Schuldner es durch Zahlung der Schuld einlöst 20. Nach den west-
gotischen Fragmenten der Provence überweist der Sagio das Pfand
dem Gläubiger, damit er es solange behalte, bis die Schuld bezahlt
wird 21.

Das fränkische Verwaltungsrecht kennt eine administrative Aus-
pfändung, durch welche Bannbussen, Steuern und andere fiskalische
Gefälle beigetrieben wurden. Sie war nicht von einer vorausgegan-
genen fides facta abhängig und nicht an die rechtlichen Voraussetzungen
der gerichtlichen Pfändung gebunden 22. Gleichen Charakter hatte
wohl auch die der Lex Baiuwariorum bekannte Pfändung auf Grund
herzoglichen Befehls 23.

§ 112. Die Fronung.

v. Bethmann-Hollweg, Civilprozess V 177. v. Meibom, Pfandrecht S. 97 ff.
Sohm, Reichs- und Gerichtsverfassung I 117 ff. Z2 f. RG IV 240. Waitz,
VG IV 516 ff. Esmein, Etudes sur les contrats dans le tres ancien droit francais
1882, S. 157. Ficker, Forschungen I 33 ff.

Sowohl die aussergerichtliche Pfandnahme als auch die gericht-
liche Auspfändung erstreckten sich nach älterem Rechte nur auf die
Fahrhabe. Eine Zwangsvollstreckung in Liegenschaften war ihm un-
bekannt 1. Solche konnten dem Eigentümer nur im Wege des Acht-

rufen, welcher durch sein Urteil entscheidet, ob die Pfandwehrung goet oder quaet
war. Im ersteren Falle hat der Gläubiger, im letzteren der Schuldner Busse zu
zahlen. Seerp Gratama a. O. S. 264 ff.
20 Ro. 251: tunc sculdahis tollat bobes aut caballos ipsius et ponat eos post
creditorem, dum usque ei iustitia faciat.
21 Siehe oben S. 451, Anm. 34.
22 Oben S. 41. Administrative Pfändung ist auch diejenige, welche nach
dem Sendrecht der Mainwenden der Schultheiss vornimmt, wenn jemand sich wei-
gert, vor dem geistlichen Gerichte zu erscheinen. Das Pfand verfällt der Kirche,
wenn der Gepfändete nicht binnen Wochenfrist zu Recht steht. Bei dauerndem
Ungehorsam tritt Konfiskation des gesamten Vermögens ein.
23 Lex Baiuw. XIII 3.
1 Für das fränkische Recht besteht in dieser Beziehung kein Zweifel. Auch
die Lex Baiuwariorum weiss noch nichts von einer Fronung. Sie kennt nur die
§ 112. Die Fronung.

Das langobardische und das ältere westgotische Recht bieten uns
eine richterliche Pfändung dar, die der auſsergerichtlichen Pfand-
nahme des Gläubigers nachgebildet ist und mit ihr gemein hat, daſs
der Gläubiger das Pfand nicht zu Eigentum erhält. Nach altlango-
bardischem Rechte erwirbt er an dem vom Schultheiſs genommenen
Pfande den Besitz, bezw. das Gebrauchs- und Nutzungsrecht, bis der
Schuldner es durch Zahlung der Schuld einlöst 20. Nach den west-
gotischen Fragmenten der Provence überweist der Sagio das Pfand
dem Gläubiger, damit er es solange behalte, bis die Schuld bezahlt
wird 21.

Das fränkische Verwaltungsrecht kennt eine administrative Aus-
pfändung, durch welche Bannbuſsen, Steuern und andere fiskalische
Gefälle beigetrieben wurden. Sie war nicht von einer vorausgegan-
genen fides facta abhängig und nicht an die rechtlichen Voraussetzungen
der gerichtlichen Pfändung gebunden 22. Gleichen Charakter hatte
wohl auch die der Lex Baiuwariorum bekannte Pfändung auf Grund
herzoglichen Befehls 23.

§ 112. Die Fronung.

v. Bethmann-Hollweg, Civilprozeſs V 177. v. Meibom, Pfandrecht S. 97 ff.
Sohm, Reichs- und Gerichtsverfassung I 117 ff. Z2 f. RG IV 240. Waitz,
VG IV 516 ff. Esmein, Études sur les contrats dans le très ancien droit français
1882, S. 157. Ficker, Forschungen I 33 ff.

Sowohl die auſsergerichtliche Pfandnahme als auch die gericht-
liche Auspfändung erstreckten sich nach älterem Rechte nur auf die
Fahrhabe. Eine Zwangsvollstreckung in Liegenschaften war ihm un-
bekannt 1. Solche konnten dem Eigentümer nur im Wege des Acht-

rufen, welcher durch sein Urteil entscheidet, ob die Pfandwehrung goet oder quaet
war. Im ersteren Falle hat der Gläubiger, im letzteren der Schuldner Buſse zu
zahlen. Seerp Gratama a. O. S. 264 ff.
20 Ro. 251: tunc sculdahis tollat bobes aut caballos ipsius et ponat eos post
creditorem, dum usque ei iustitia faciat.
21 Siehe oben S. 451, Anm. 34.
22 Oben S. 41. Administrative Pfändung ist auch diejenige, welche nach
dem Sendrecht der Mainwenden der Schultheiſs vornimmt, wenn jemand sich wei-
gert, vor dem geistlichen Gerichte zu erscheinen. Das Pfand verfällt der Kirche,
wenn der Gepfändete nicht binnen Wochenfrist zu Recht steht. Bei dauerndem
Ungehorsam tritt Konfiskation des gesamten Vermögens ein.
23 Lex Baiuw. XIII 3.
1 Für das fränkische Recht besteht in dieser Beziehung kein Zweifel. Auch
die Lex Baiuwariorum weiſs noch nichts von einer Fronung. Sie kennt nur die
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[457/0475] § 112. Die Fronung. Das langobardische und das ältere westgotische Recht bieten uns eine richterliche Pfändung dar, die der auſsergerichtlichen Pfand- nahme des Gläubigers nachgebildet ist und mit ihr gemein hat, daſs der Gläubiger das Pfand nicht zu Eigentum erhält. Nach altlango- bardischem Rechte erwirbt er an dem vom Schultheiſs genommenen Pfande den Besitz, bezw. das Gebrauchs- und Nutzungsrecht, bis der Schuldner es durch Zahlung der Schuld einlöst 20. Nach den west- gotischen Fragmenten der Provence überweist der Sagio das Pfand dem Gläubiger, damit er es solange behalte, bis die Schuld bezahlt wird 21. Das fränkische Verwaltungsrecht kennt eine administrative Aus- pfändung, durch welche Bannbuſsen, Steuern und andere fiskalische Gefälle beigetrieben wurden. Sie war nicht von einer vorausgegan- genen fides facta abhängig und nicht an die rechtlichen Voraussetzungen der gerichtlichen Pfändung gebunden 22. Gleichen Charakter hatte wohl auch die der Lex Baiuwariorum bekannte Pfändung auf Grund herzoglichen Befehls 23. § 112. Die Fronung. v. Bethmann-Hollweg, Civilprozeſs V 177. v. Meibom, Pfandrecht S. 97 ff. Sohm, Reichs- und Gerichtsverfassung I 117 ff. Z2 f. RG IV 240. Waitz, VG IV 516 ff. Esmein, Études sur les contrats dans le très ancien droit français 1882, S. 157. Ficker, Forschungen I 33 ff. Sowohl die auſsergerichtliche Pfandnahme als auch die gericht- liche Auspfändung erstreckten sich nach älterem Rechte nur auf die Fahrhabe. Eine Zwangsvollstreckung in Liegenschaften war ihm un- bekannt 1. Solche konnten dem Eigentümer nur im Wege des Acht- 19 20 Ro. 251: tunc sculdahis tollat bobes aut caballos ipsius et ponat eos post creditorem, dum usque ei iustitia faciat. 21 Siehe oben S. 451, Anm. 34. 22 Oben S. 41. Administrative Pfändung ist auch diejenige, welche nach dem Sendrecht der Mainwenden der Schultheiſs vornimmt, wenn jemand sich wei- gert, vor dem geistlichen Gerichte zu erscheinen. Das Pfand verfällt der Kirche, wenn der Gepfändete nicht binnen Wochenfrist zu Recht steht. Bei dauerndem Ungehorsam tritt Konfiskation des gesamten Vermögens ein. 23 Lex Baiuw. XIII 3. 1 Für das fränkische Recht besteht in dieser Beziehung kein Zweifel. Auch die Lex Baiuwariorum weiſs noch nichts von einer Fronung. Sie kennt nur die 19 rufen, welcher durch sein Urteil entscheidet, ob die Pfandwehrung goet oder quaet war. Im ersteren Falle hat der Gläubiger, im letzteren der Schuldner Buſse zu zahlen. Seerp Gratama a. O. S. 264 ff.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/475>, abgerufen am 22.11.2024.