Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

§ 64. Der Königsbann.
auf den Bannbruch, d. h. auf die Übertretung des Befehles, gesetzt
ist 4. Bann vermag aber drittens auch einen Rechtszustand zu be-
zeichnen, welcher durch den Befehl herbeigeführt werden soll; so
einerseits den durch Friedensbann gewirkten Frieden 5, andererseits den
Unfrieden, in welchen der Friedlose gebannt wird 6. Jünger und erst
in der folgenden Periode nachweisbar ist das Wort Bann im Sinne
der Banngewalt, als des Rechtes, bei Strafe zu gebieten und zu ver-
bieten.

Die Banngewalt, "das imperium der deutschen Verfassung" 7,
erscheint als das Merkmal der Obrigkeit. Sie ist eine verschiedene,
je nach der Höhe der Strafe, die sie auf den Ungehorsam zu setzen
vermag. Die höchste Banngewalt hat der König. Aber auch sie ist
keine schrankenlose. Soweit nicht königliches Amt oder Gefolgs-
genossenschaft ein näheres Verhältnis zum König begründen oder die
militärische Strafgewalt eingreift 8, trifft den Übertreter des königlichen
Befehls nur eine Vermögensstrafe. Schon früh müssen sich für be-
stimmte Bannfälle feste Bannbussen ausgebildet haben. Denn bereits
in der Lex Salica ist die Busse für Missachtung gewisser königlicher
Befehle rechtlich fixiert 9. Noch im sechsten Jahrhundert begegnet
uns zunächst in Austrasien die Sechzigschillingbusse als königliche
Bannbusse. Sie erscheint zuerst in dem zweiten Teile der Lex
Ribuaria 10, bald darauf in einem Gesetze Childeberts II. von 596 11.

Wortes: Chilpericus rex de pauperibus et iunioribus ecclesiae . . bannos iussit exigi,
pro eo quod in exercitu non ambulassent.
4 Ein Analogon bietet ags. mund, einerseits Schutz, Friede, andererseits die
durch dessen Verletzung verwirkte Busse. Schmid, Ges. d. Ags. S. 634. Das seit
Edward I. vorkommende oferhyrnes (wörtlich Überhören) drückt nicht nur die Miss-
achtung des königlichen Befehles aus, sondern auch die Busse, die dafür zu zahlen
ist. Dem ags. oferhyrnes entspricht das sächsische overhöre, uberhore im Stadt-
recht von Goslar und anderen ostfälischen Stadtrechten, ein Wort, das den Un-
gehorsam und den über die Person des Ungehorsamen oder dessen Gut ausgespro-
chenen Bann bezeichnet. Planck, Gerichtsverfahren II 275.
5 Vgl. oben I 147 Anm. 22 über Furbann, Vorbann, ferner W. Sickel, Zur
Geschichte des Bannes S. 28, Nr. 11. Cartul. Langob. Nr. 20. 25.
6 Cap. v. J. 801 -- 813 c. 13, I 172. Cap. v. J. 809 c. 4, I 148. Sohm,
Reichs- und Gerichtsverfassung S. 162 Anm. 76. Vgl. unten § 113.
7 Sohm a. O. S. 103.
8 Greg. Tur. Hist. Franc. II 37. VIII 30.
9 Lex Sal. 56 i. f. setzt eine Busse von 15 Solidi, wenn jemand den Friedlosen
gegen das durch die Friedloslegung ausgesprochene Verbot des Königs haust
oder hoft. Ebenso Lex Sal. 106.
10 Lex Rib. 35, 3; 60, 3. Siehe oben I 305. 306 Anm. 1. 307.
11 Cap. I 17, c. 9: si quis centenario aut cuilibet iudici noluerit ad male-
3*

§ 64. Der Königsbann.
auf den Bannbruch, d. h. auf die Übertretung des Befehles, gesetzt
ist 4. Bann vermag aber drittens auch einen Rechtszustand zu be-
zeichnen, welcher durch den Befehl herbeigeführt werden soll; so
einerseits den durch Friedensbann gewirkten Frieden 5, andererseits den
Unfrieden, in welchen der Friedlose gebannt wird 6. Jünger und erst
in der folgenden Periode nachweisbar ist das Wort Bann im Sinne
der Banngewalt, als des Rechtes, bei Strafe zu gebieten und zu ver-
bieten.

Die Banngewalt, „das imperium der deutschen Verfassung“ 7,
erscheint als das Merkmal der Obrigkeit. Sie ist eine verschiedene,
je nach der Höhe der Strafe, die sie auf den Ungehorsam zu setzen
vermag. Die höchste Banngewalt hat der König. Aber auch sie ist
keine schrankenlose. Soweit nicht königliches Amt oder Gefolgs-
genossenschaft ein näheres Verhältnis zum König begründen oder die
militärische Strafgewalt eingreift 8, trifft den Übertreter des königlichen
Befehls nur eine Vermögensstrafe. Schon früh müssen sich für be-
stimmte Bannfälle feste Bannbuſsen ausgebildet haben. Denn bereits
in der Lex Salica ist die Buſse für Miſsachtung gewisser königlicher
Befehle rechtlich fixiert 9. Noch im sechsten Jahrhundert begegnet
uns zunächst in Austrasien die Sechzigschillingbuſse als königliche
Bannbuſse. Sie erscheint zuerst in dem zweiten Teile der Lex
Ribuaria 10, bald darauf in einem Gesetze Childeberts II. von 596 11.

Wortes: Chilpericus rex de pauperibus et iunioribus ecclesiae . . bannos iussit exigi,
pro eo quod in exercitu non ambulassent.
4 Ein Analogon bietet ags. mund, einerseits Schutz, Friede, andererseits die
durch dessen Verletzung verwirkte Buſse. Schmid, Ges. d. Ags. S. 634. Das seit
Edward I. vorkommende oferhýrnes (wörtlich Überhören) drückt nicht nur die Miſs-
achtung des königlichen Befehles aus, sondern auch die Buſse, die dafür zu zahlen
ist. Dem ags. oferhýrnes entspricht das sächsische overhöre, uberhore im Stadt-
recht von Goslar und anderen ostfälischen Stadtrechten, ein Wort, das den Un-
gehorsam und den über die Person des Ungehorsamen oder dessen Gut ausgespro-
chenen Bann bezeichnet. Planck, Gerichtsverfahren II 275.
5 Vgl. oben I 147 Anm. 22 über Furbann, Vorbann, ferner W. Sickel, Zur
Geschichte des Bannes S. 28, Nr. 11. Cartul. Langob. Nr. 20. 25.
6 Cap. v. J. 801 — 813 c. 13, I 172. Cap. v. J. 809 c. 4, I 148. Sohm,
Reichs- und Gerichtsverfassung S. 162 Anm. 76. Vgl. unten § 113.
7 Sohm a. O. S. 103.
8 Greg. Tur. Hist. Franc. II 37. VIII 30.
9 Lex Sal. 56 i. f. setzt eine Buſse von 15 Solidi, wenn jemand den Friedlosen
gegen das durch die Friedloslegung ausgesprochene Verbot des Königs haust
oder hoft. Ebenso Lex Sal. 106.
10 Lex Rib. 35, 3; 60, 3. Siehe oben I 305. 306 Anm. 1. 307.
11 Cap. I 17, c. 9: si quis centenario aut cuilibet iudici noluerit ad male-
3*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0053" n="35"/><fw place="top" type="header">§ 64. Der Königsbann.</fw><lb/>
auf den Bannbruch, d. h. auf die Übertretung des Befehles, gesetzt<lb/>
ist <note place="foot" n="4">Ein Analogon bietet ags. mund, einerseits Schutz, Friede, andererseits die<lb/>
durch dessen Verletzung verwirkte Bu&#x017F;se. <hi rendition="#g">Schmid</hi>, Ges. d. Ags. S. 634. Das seit<lb/>
Edward I. vorkommende oferhýrnes (wörtlich Überhören) drückt nicht nur die Mi&#x017F;s-<lb/>
achtung des königlichen Befehles aus, sondern auch die Bu&#x017F;se, die dafür zu zahlen<lb/>
ist. Dem ags. oferhýrnes entspricht das sächsische overhöre, uberhore im Stadt-<lb/>
recht von Goslar und anderen ostfälischen Stadtrechten, ein Wort, das den Un-<lb/>
gehorsam und den über die Person des Ungehorsamen oder dessen Gut ausgespro-<lb/>
chenen Bann bezeichnet. <hi rendition="#g">Planck</hi>, Gerichtsverfahren II 275.</note>. Bann vermag aber drittens auch einen Rechtszustand zu be-<lb/>
zeichnen, welcher durch den Befehl herbeigeführt werden soll; so<lb/>
einerseits den durch Friedensbann gewirkten Frieden <note place="foot" n="5">Vgl. oben I 147 Anm. 22 über Furbann, Vorbann, ferner W. <hi rendition="#g">Sickel</hi>, Zur<lb/>
Geschichte des Bannes S. 28, Nr. 11. Cartul. Langob. Nr. 20. 25.</note>, andererseits den<lb/>
Unfrieden, in welchen der Friedlose gebannt wird <note place="foot" n="6">Cap. v. J. 801 &#x2014; 813 c. 13, I 172. Cap. v. J. 809 c. 4, I 148. <hi rendition="#g">Sohm</hi>,<lb/>
Reichs- und Gerichtsverfassung S. 162 Anm. 76. Vgl. unten § 113.</note>. Jünger und erst<lb/>
in der folgenden Periode nachweisbar ist das Wort Bann im Sinne<lb/>
der Banngewalt, als des Rechtes, bei Strafe zu gebieten und zu ver-<lb/>
bieten.</p><lb/>
            <p>Die Banngewalt, &#x201E;das imperium der deutschen Verfassung&#x201C; <note place="foot" n="7"><hi rendition="#g">Sohm</hi> a. O. S. 103.</note>,<lb/>
erscheint als das Merkmal der Obrigkeit. Sie ist eine verschiedene,<lb/>
je nach der Höhe der Strafe, die sie auf den Ungehorsam zu setzen<lb/>
vermag. Die höchste Banngewalt hat der König. Aber auch sie ist<lb/>
keine schrankenlose. Soweit nicht königliches Amt oder Gefolgs-<lb/>
genossenschaft ein näheres Verhältnis zum König begründen oder die<lb/>
militärische Strafgewalt eingreift <note place="foot" n="8">Greg. Tur. Hist. Franc. II 37. VIII 30.</note>, trifft den Übertreter des königlichen<lb/>
Befehls nur eine Vermögensstrafe. Schon früh müssen sich für be-<lb/>
stimmte Bannfälle feste Bannbu&#x017F;sen ausgebildet haben. Denn bereits<lb/>
in der Lex Salica ist die Bu&#x017F;se für Mi&#x017F;sachtung gewisser königlicher<lb/>
Befehle rechtlich fixiert <note place="foot" n="9">Lex Sal. 56 i. f. setzt eine Bu&#x017F;se von 15 Solidi, wenn jemand den Friedlosen<lb/>
gegen das durch die Friedloslegung ausgesprochene Verbot des Königs haust<lb/>
oder hoft. Ebenso Lex Sal. 106.</note>. Noch im sechsten Jahrhundert begegnet<lb/>
uns zunächst in Austrasien die Sechzigschillingbu&#x017F;se als königliche<lb/>
Bannbu&#x017F;se. Sie erscheint zuerst in dem zweiten Teile der Lex<lb/>
Ribuaria <note place="foot" n="10">Lex Rib. 35, 3; 60, 3. Siehe oben I 305. 306 Anm. 1. 307.</note>, bald darauf in einem Gesetze Childeberts II. von 596 <note xml:id="seg2pn_8_1" next="#seg2pn_8_2" place="foot" n="11">Cap. I 17, c. 9: si quis centenario aut cuilibet iudici noluerit ad male-</note>.<lb/><note xml:id="seg2pn_7_2" prev="#seg2pn_7_1" place="foot" n="3">Wortes: Chilpericus rex de pauperibus et iunioribus ecclesiae . . bannos iussit exigi,<lb/>
pro eo quod in exercitu non ambulassent.</note><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">3*</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0053] § 64. Der Königsbann. auf den Bannbruch, d. h. auf die Übertretung des Befehles, gesetzt ist 4. Bann vermag aber drittens auch einen Rechtszustand zu be- zeichnen, welcher durch den Befehl herbeigeführt werden soll; so einerseits den durch Friedensbann gewirkten Frieden 5, andererseits den Unfrieden, in welchen der Friedlose gebannt wird 6. Jünger und erst in der folgenden Periode nachweisbar ist das Wort Bann im Sinne der Banngewalt, als des Rechtes, bei Strafe zu gebieten und zu ver- bieten. Die Banngewalt, „das imperium der deutschen Verfassung“ 7, erscheint als das Merkmal der Obrigkeit. Sie ist eine verschiedene, je nach der Höhe der Strafe, die sie auf den Ungehorsam zu setzen vermag. Die höchste Banngewalt hat der König. Aber auch sie ist keine schrankenlose. Soweit nicht königliches Amt oder Gefolgs- genossenschaft ein näheres Verhältnis zum König begründen oder die militärische Strafgewalt eingreift 8, trifft den Übertreter des königlichen Befehls nur eine Vermögensstrafe. Schon früh müssen sich für be- stimmte Bannfälle feste Bannbuſsen ausgebildet haben. Denn bereits in der Lex Salica ist die Buſse für Miſsachtung gewisser königlicher Befehle rechtlich fixiert 9. Noch im sechsten Jahrhundert begegnet uns zunächst in Austrasien die Sechzigschillingbuſse als königliche Bannbuſse. Sie erscheint zuerst in dem zweiten Teile der Lex Ribuaria 10, bald darauf in einem Gesetze Childeberts II. von 596 11. 3 4 Ein Analogon bietet ags. mund, einerseits Schutz, Friede, andererseits die durch dessen Verletzung verwirkte Buſse. Schmid, Ges. d. Ags. S. 634. Das seit Edward I. vorkommende oferhýrnes (wörtlich Überhören) drückt nicht nur die Miſs- achtung des königlichen Befehles aus, sondern auch die Buſse, die dafür zu zahlen ist. Dem ags. oferhýrnes entspricht das sächsische overhöre, uberhore im Stadt- recht von Goslar und anderen ostfälischen Stadtrechten, ein Wort, das den Un- gehorsam und den über die Person des Ungehorsamen oder dessen Gut ausgespro- chenen Bann bezeichnet. Planck, Gerichtsverfahren II 275. 5 Vgl. oben I 147 Anm. 22 über Furbann, Vorbann, ferner W. Sickel, Zur Geschichte des Bannes S. 28, Nr. 11. Cartul. Langob. Nr. 20. 25. 6 Cap. v. J. 801 — 813 c. 13, I 172. Cap. v. J. 809 c. 4, I 148. Sohm, Reichs- und Gerichtsverfassung S. 162 Anm. 76. Vgl. unten § 113. 7 Sohm a. O. S. 103. 8 Greg. Tur. Hist. Franc. II 37. VIII 30. 9 Lex Sal. 56 i. f. setzt eine Buſse von 15 Solidi, wenn jemand den Friedlosen gegen das durch die Friedloslegung ausgesprochene Verbot des Königs haust oder hoft. Ebenso Lex Sal. 106. 10 Lex Rib. 35, 3; 60, 3. Siehe oben I 305. 306 Anm. 1. 307. 11 Cap. I 17, c. 9: si quis centenario aut cuilibet iudici noluerit ad male- 3 Wortes: Chilpericus rex de pauperibus et iunioribus ecclesiae . . bannos iussit exigi, pro eo quod in exercitu non ambulassent. 3*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/53
Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/53>, abgerufen am 23.11.2024.