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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 121. Das königsgerichtliche Verfahren.
mit Einschluss der königlichen Benefizien und Eigenklöster, auf ver-
mögensrechtliche Amtsbefugnisse, Gefälle und Nutzungsrechte der
Krone. Durch königliche Privilegien wurde das ius inquisitionis könig-
lichen Eigenklöstern bestätigt, ausserdem zahlreichen anderen Kirchen
verliehen. Unter Ludwig I. versuchte die fränkische Geistlichkeit die
gesetzliche Ausdehnung des Inquisitionsrechtes auf sämtliches Kirchen-
gut zu erwirken. Doch drang sie mit diesem Streben nicht durch,
sondern erreichte auf dem Wormser Reichstage nur, dass jede Kirche,
wenn sie sich auf dreissigjährigen Besitz des Streitgutes berief, diesen
durch Inquisitio feststellen lassen durfte8. In Privilegien für könig-
liche Schutzjuden wird diesen zwar nicht schlechtweg das ius inquisi-
tionis verliehen, aber dem Grafen Vollmacht und Auftrag erteilt, in
Prozessen zwischen Christen und Juden zur Inquisitio zu schreiten,
wenn die Zeugen mit Rücksicht auf die gegenseitige nationale Ab-
neigung sich weigern sollten, gegen ihren Volksgenossen Zeugnis zu
leisten.

Die praktischen Vorteile, die der Inquisitionsbeweis gewährte,
beruhten darin, dass er der Partei den Beweis ihres Rechtes er-
möglichte, wenn sie nicht in der Lage war, Gemeindezeugen zu ge-
winnen, ferner darin, dass das Ergebnis der Inquisitio von keinem der
beiden Streitteile durch Herausforderung zum Zweikampfe angefochten
werden konnte.

Bei der Bevölkerung des fränkischen Reiches war das neue Be-
weisverfahren, das unter den Karolingern eine gesteigerte Anwendung
erfuhr, in hohem Masse unbeliebt. Karl der Grosse sah sich veranlasst,
seinen Missi den Schutz und die Sicherheit der Geschworenen ans
Herz zu legen, die in Fiskalsachen zu Ungunsten von Gaugenossen
die Rechte der Krone bezeugt hatten9. Die urkundliche Bestätigung
des Inquisitionsrechtes, wie es die königlichen Kirchen als solche be-
sassen, wird gelegentlich damit motiviert, dass ihm die Gaugenossen
die Anerkennung verweigerten. Als Ludwig II. über Italien herrschte,
beschwerten sich seine Unterthanen, dass sie in seinen und seines
Vaters Tagen durch überflüssige Inquisitionen gequält worden seien,
und musste ihnen der König versprechen, dass die Inquisitio nur in
dem Umfang, wie unter Karl dem Grossen und Ludwig I., zur An-
wendung kommen sollte10.


8 Cap. Worm. v. J. 829, c. 8, II 13. Siehe oben S. 53, Anm. 29.
9 Cap. a missis cognita facta 803--813, c. 8, I 146. Cap. miss. gen. v. J.
802, c. 31, I 97. Cap. miss. spec. v. J. 802, c. 16, I 101. Cap. miss. v. J. 802 (?),
c. 55, I 104.
10 Cap. Pap. pro lege ten. v. J. 856, c. 3, II 90 f.

§ 121. Das königsgerichtliche Verfahren.
mit Einschluſs der königlichen Benefizien und Eigenklöster, auf ver-
mögensrechtliche Amtsbefugnisse, Gefälle und Nutzungsrechte der
Krone. Durch königliche Privilegien wurde das ius inquisitionis könig-
lichen Eigenklöstern bestätigt, auſserdem zahlreichen anderen Kirchen
verliehen. Unter Ludwig I. versuchte die fränkische Geistlichkeit die
gesetzliche Ausdehnung des Inquisitionsrechtes auf sämtliches Kirchen-
gut zu erwirken. Doch drang sie mit diesem Streben nicht durch,
sondern erreichte auf dem Wormser Reichstage nur, daſs jede Kirche,
wenn sie sich auf dreiſsigjährigen Besitz des Streitgutes berief, diesen
durch Inquisitio feststellen lassen durfte8. In Privilegien für könig-
liche Schutzjuden wird diesen zwar nicht schlechtweg das ius inquisi-
tionis verliehen, aber dem Grafen Vollmacht und Auftrag erteilt, in
Prozessen zwischen Christen und Juden zur Inquisitio zu schreiten,
wenn die Zeugen mit Rücksicht auf die gegenseitige nationale Ab-
neigung sich weigern sollten, gegen ihren Volksgenossen Zeugnis zu
leisten.

Die praktischen Vorteile, die der Inquisitionsbeweis gewährte,
beruhten darin, daſs er der Partei den Beweis ihres Rechtes er-
möglichte, wenn sie nicht in der Lage war, Gemeindezeugen zu ge-
winnen, ferner darin, daſs das Ergebnis der Inquisitio von keinem der
beiden Streitteile durch Herausforderung zum Zweikampfe angefochten
werden konnte.

Bei der Bevölkerung des fränkischen Reiches war das neue Be-
weisverfahren, das unter den Karolingern eine gesteigerte Anwendung
erfuhr, in hohem Maſse unbeliebt. Karl der Groſse sah sich veranlaſst,
seinen Missi den Schutz und die Sicherheit der Geschworenen ans
Herz zu legen, die in Fiskalsachen zu Ungunsten von Gaugenossen
die Rechte der Krone bezeugt hatten9. Die urkundliche Bestätigung
des Inquisitionsrechtes, wie es die königlichen Kirchen als solche be-
saſsen, wird gelegentlich damit motiviert, daſs ihm die Gaugenossen
die Anerkennung verweigerten. Als Ludwig II. über Italien herrschte,
beschwerten sich seine Unterthanen, daſs sie in seinen und seines
Vaters Tagen durch überflüssige Inquisitionen gequält worden seien,
und muſste ihnen der König versprechen, daſs die Inquisitio nur in
dem Umfang, wie unter Karl dem Groſsen und Ludwig I., zur An-
wendung kommen sollte10.


8 Cap. Worm. v. J. 829, c. 8, II 13. Siehe oben S. 53, Anm. 29.
9 Cap. a missis cognita facta 803—813, c. 8, I 146. Cap. miss. gen. v. J.
802, c. 31, I 97. Cap. miss. spec. v. J. 802, c. 16, I 101. Cap. miss. v. J. 802 (?),
c. 55, I 104.
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[526/0544] § 121. Das königsgerichtliche Verfahren. mit Einschluſs der königlichen Benefizien und Eigenklöster, auf ver- mögensrechtliche Amtsbefugnisse, Gefälle und Nutzungsrechte der Krone. Durch königliche Privilegien wurde das ius inquisitionis könig- lichen Eigenklöstern bestätigt, auſserdem zahlreichen anderen Kirchen verliehen. Unter Ludwig I. versuchte die fränkische Geistlichkeit die gesetzliche Ausdehnung des Inquisitionsrechtes auf sämtliches Kirchen- gut zu erwirken. Doch drang sie mit diesem Streben nicht durch, sondern erreichte auf dem Wormser Reichstage nur, daſs jede Kirche, wenn sie sich auf dreiſsigjährigen Besitz des Streitgutes berief, diesen durch Inquisitio feststellen lassen durfte 8. In Privilegien für könig- liche Schutzjuden wird diesen zwar nicht schlechtweg das ius inquisi- tionis verliehen, aber dem Grafen Vollmacht und Auftrag erteilt, in Prozessen zwischen Christen und Juden zur Inquisitio zu schreiten, wenn die Zeugen mit Rücksicht auf die gegenseitige nationale Ab- neigung sich weigern sollten, gegen ihren Volksgenossen Zeugnis zu leisten. Die praktischen Vorteile, die der Inquisitionsbeweis gewährte, beruhten darin, daſs er der Partei den Beweis ihres Rechtes er- möglichte, wenn sie nicht in der Lage war, Gemeindezeugen zu ge- winnen, ferner darin, daſs das Ergebnis der Inquisitio von keinem der beiden Streitteile durch Herausforderung zum Zweikampfe angefochten werden konnte. Bei der Bevölkerung des fränkischen Reiches war das neue Be- weisverfahren, das unter den Karolingern eine gesteigerte Anwendung erfuhr, in hohem Maſse unbeliebt. Karl der Groſse sah sich veranlaſst, seinen Missi den Schutz und die Sicherheit der Geschworenen ans Herz zu legen, die in Fiskalsachen zu Ungunsten von Gaugenossen die Rechte der Krone bezeugt hatten 9. Die urkundliche Bestätigung des Inquisitionsrechtes, wie es die königlichen Kirchen als solche be- saſsen, wird gelegentlich damit motiviert, daſs ihm die Gaugenossen die Anerkennung verweigerten. Als Ludwig II. über Italien herrschte, beschwerten sich seine Unterthanen, daſs sie in seinen und seines Vaters Tagen durch überflüssige Inquisitionen gequält worden seien, und muſste ihnen der König versprechen, daſs die Inquisitio nur in dem Umfang, wie unter Karl dem Groſsen und Ludwig I., zur An- wendung kommen sollte 10. 8 Cap. Worm. v. J. 829, c. 8, II 13. Siehe oben S. 53, Anm. 29. 9 Cap. a missis cognita facta 803—813, c. 8, I 146. Cap. miss. gen. v. J. 802, c. 31, I 97. Cap. miss. spec. v. J. 802, c. 16, I 101. Cap. miss. v. J. 802 (?), c. 55, I 104. 10 Cap. Pap. pro lege ten. v. J. 856, c. 3, II 90 f.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 526. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/544>, abgerufen am 22.11.2024.