Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.§ 123. Die Schüttung. im allgemeinen die Tötungsbefugnis aus. Doch tritt das Verbot nichtselten in einer Form auf, die ein Fortleben der ursprünglichen Rechts- anschauung erschliessen lässt 3. Auch blieb in Ausnahmefällen die Tötung noch gestattet. So durfte nach einer angelsächsischen Satzung das Rind erschlagen werden, das den Zaun durchbrochen hatte 4, eben- so nach norwegischem Rechte fremdes Vieh im zweiten Betretungsfalle 5. Burgundisches und langobardisches Recht gestatteten dem Beschädigten, eines von mehreren Schweinen zu töten 6. Ziemlich allgemein findet sich nachmals das Tötungsrecht in Bezug auf Gänse, Enten und Hühner, von denen das Rechtssprichwort sagt, dass sie auf fremdem Graslande keinen Frieden haben 7. Auch begegnet die sicherlich in alte Zeit zurückreichende Rechtssitte, das Tier in der Form der Hinrich- tung zu töten, indem man es etwa an einem 'Galgen' aufhängt, ein Brauch, der zugleich als Verlautbarung des Racheaktes dient 8. In der Regel durfte der Beschädigte die Tiere nicht mehr töten, 3 Lex Sal. 9, 1: penitus eum vastare non debet. Wird die Tötung des Viehes freiwillig bekannt, so ist sie busslos und nur Schadenersatz zu leisten. Die Lex Wisig. setzt VIII 3, 15 den Fall, dass der Eigentümer der Tiere sie durch Er- stattung des Schadens auslösen will et ille (der Beschädigte) non adquiescat volens pecora interficere. 4 Ine 42, 1. 5 Gulathingslög 82. v. Amira, Vollstr. S. 216 f. Derselbe, Obligationenr. II 256. 6 Roth. 349. 350. Liu. 151. Lex Burg. 23, 4; 89. Vgl. Lex Wisig. VIII 5, 1. Dagegen Lex Baiuw. XIV 17. An Schweinen hat der Beschädigte unter Umständen das Recht der Aneignung in Wäldern als Ersatz des Zehnten, während er sonst das getötete Tier sich nicht aneignen darf, sondern Fleisch und Haut dem Tiereigentümer bleibt. Vgl. v. Amira, a. O. I 248. Ausgedehnter ist das Tötungs- recht bei den Burgundern, wenn fremdes Vieh in Weinberge übertritt. 7 Graf und Dietherr, Rechtssprichwörter S. 116, Nr. 304. Vgl. Nr. 303: Gänse bezahlen mit dem Kopfe. 8 Grimm, RA S. 595. Osenbrüggen, Alam. Strafr. S. 327. Gierke, Humor S. 46. v. Amira, Thierstrafen S. 593. Fockema Andreae, Stadregt van Vollenhove I 316. 9 Lex Sal. 9, 2. 5. Lex Rib. 82. Lex Baiuw. XIV 17. Lex Burg. 23, 1; 49. Lex Wisig. VIII 3, 13. Roth. 343. 346. Liu. 86. Cap. Sax. bei Ansegis App. 2, 35. 10 Nhd. schützen, aber mit der Bedeutung, einen Verschluss machen, ein-
schliessen. Vgl. ags. skyttan verriegeln. Kluge, WB s. v. Schutz. Schiller und Lübben, WB s. v. schutten. In Norwegen heisst die Pfandnahme innsetja, § 123. Die Schüttung. im allgemeinen die Tötungsbefugnis aus. Doch tritt das Verbot nichtselten in einer Form auf, die ein Fortleben der ursprünglichen Rechts- anschauung erschlieſsen läſst 3. Auch blieb in Ausnahmefällen die Tötung noch gestattet. So durfte nach einer angelsächsischen Satzung das Rind erschlagen werden, das den Zaun durchbrochen hatte 4, eben- so nach norwegischem Rechte fremdes Vieh im zweiten Betretungsfalle 5. Burgundisches und langobardisches Recht gestatteten dem Beschädigten, eines von mehreren Schweinen zu töten 6. Ziemlich allgemein findet sich nachmals das Tötungsrecht in Bezug auf Gänse, Enten und Hühner, von denen das Rechtssprichwort sagt, daſs sie auf fremdem Graslande keinen Frieden haben 7. Auch begegnet die sicherlich in alte Zeit zurückreichende Rechtssitte, das Tier in der Form der Hinrich- tung zu töten, indem man es etwa an einem ‘Galgen’ aufhängt, ein Brauch, der zugleich als Verlautbarung des Racheaktes dient 8. In der Regel durfte der Beschädigte die Tiere nicht mehr töten, 3 Lex Sal. 9, 1: penitus eum vastare non debet. Wird die Tötung des Viehes freiwillig bekannt, so ist sie buſslos und nur Schadenersatz zu leisten. Die Lex Wisig. setzt VIII 3, 15 den Fall, daſs der Eigentümer der Tiere sie durch Er- stattung des Schadens auslösen will et ille (der Beschädigte) non adquiescat volens pecora interficere. 4 Ine 42, 1. 5 Gulaþíngslög 82. v. Amira, Vollstr. S. 216 f. Derselbe, Obligationenr. II 256. 6 Roth. 349. 350. Liu. 151. Lex Burg. 23, 4; 89. Vgl. Lex Wisig. VIII 5, 1. Dagegen Lex Baiuw. XIV 17. An Schweinen hat der Beschädigte unter Umständen das Recht der Aneignung in Wäldern als Ersatz des Zehnten, während er sonst das getötete Tier sich nicht aneignen darf, sondern Fleisch und Haut dem Tiereigentümer bleibt. Vgl. v. Amira, a. O. I 248. Ausgedehnter ist das Tötungs- recht bei den Burgundern, wenn fremdes Vieh in Weinberge übertritt. 7 Graf und Dietherr, Rechtssprichwörter S. 116, Nr. 304. Vgl. Nr. 303: Gänse bezahlen mit dem Kopfe. 8 Grimm, RA S. 595. Osenbrüggen, Alam. Strafr. S. 327. Gierke, Humor S. 46. v. Amira, Thierstrafen S. 593. Fockema Andreae, Stadregt van Vollenhove I 316. 9 Lex Sal. 9, 2. 5. Lex Rib. 82. Lex Baiuw. XIV 17. Lex Burg. 23, 1; 49. Lex Wisig. VIII 3, 13. Roth. 343. 346. Liu. 86. Cap. Sax. bei Ansegis App. 2, 35. 10 Nhd. schützen, aber mit der Bedeutung, einen Verschluſs machen, ein-
schlieſsen. Vgl. ags. skyttan verriegeln. Kluge, WB s. v. Schutz. Schiller und Lübben, WB s. v. schutten. In Norwegen heiſst die Pfandnahme innsetja, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0550" n="532"/><fw place="top" type="header">§ 123. Die Schüttung.</fw><lb/> im allgemeinen die Tötungsbefugnis aus. Doch tritt das Verbot nicht<lb/> selten in einer Form auf, die ein Fortleben der ursprünglichen Rechts-<lb/> anschauung erschlieſsen läſst <note place="foot" n="3">Lex Sal. 9, 1: penitus eum vastare non debet. Wird die Tötung des Viehes<lb/> freiwillig bekannt, so ist sie buſslos und nur Schadenersatz zu leisten. Die Lex<lb/> Wisig. setzt VIII 3, 15 den Fall, daſs der Eigentümer der Tiere sie durch Er-<lb/> stattung des Schadens auslösen will et ille (der Beschädigte) non adquiescat volens<lb/> pecora interficere.</note>. Auch blieb in Ausnahmefällen die<lb/> Tötung noch gestattet. So durfte nach einer angelsächsischen Satzung<lb/> das Rind erschlagen werden, das den Zaun durchbrochen hatte <note place="foot" n="4">Ine 42, 1.</note>, eben-<lb/> so nach norwegischem Rechte fremdes Vieh im zweiten Betretungsfalle <note place="foot" n="5">Gulaþíngslög 82. v. <hi rendition="#g">Amira</hi>, Vollstr. S. 216 f. <hi rendition="#g">Derselbe</hi>, Obligationenr.<lb/> II 256.</note>.<lb/> Burgundisches und langobardisches Recht gestatteten dem Beschädigten,<lb/> eines von mehreren Schweinen zu töten <note place="foot" n="6">Roth. 349. 350. Liu. 151. Lex Burg. 23, 4; 89. Vgl. Lex Wisig. VIII<lb/> 5, 1. Dagegen Lex Baiuw. XIV 17. An Schweinen hat der Beschädigte unter<lb/> Umständen das Recht der Aneignung in Wäldern als Ersatz des Zehnten, während<lb/> er sonst das getötete Tier sich nicht aneignen darf, sondern Fleisch und Haut dem<lb/> Tiereigentümer bleibt. Vgl. v. <hi rendition="#g">Amira</hi>, a. O. I 248. Ausgedehnter ist das Tötungs-<lb/> recht bei den Burgundern, wenn fremdes Vieh in Weinberge übertritt.</note>. Ziemlich allgemein findet<lb/> sich nachmals das Tötungsrecht in Bezug auf Gänse, Enten und<lb/> Hühner, von denen das Rechtssprichwort sagt, daſs sie auf fremdem<lb/> Graslande keinen Frieden haben <note place="foot" n="7"><hi rendition="#g">Graf</hi> und <hi rendition="#g">Dietherr</hi>, Rechtssprichwörter S. 116, Nr. 304. Vgl. Nr. 303:<lb/> Gänse bezahlen mit dem Kopfe.</note>. Auch begegnet die sicherlich in alte<lb/> Zeit zurückreichende Rechtssitte, das Tier in der Form der Hinrich-<lb/> tung zu töten, indem man es etwa an einem ‘Galgen’ aufhängt, ein<lb/> Brauch, der zugleich als Verlautbarung des Racheaktes dient <note place="foot" n="8"><hi rendition="#g">Grimm</hi>, RA S. 595. <hi rendition="#g">Osenbrüggen</hi>, Alam. Strafr. S. 327. <hi rendition="#g">Gierke</hi>,<lb/> Humor S. 46. v. <hi rendition="#g">Amira</hi>, Thierstrafen S. 593. <hi rendition="#g">Fockema Andreae</hi>, Stadregt<lb/> van Vollenhove I 316.</note>.</p><lb/> <p>In der Regel durfte der Beschädigte die Tiere nicht mehr töten,<lb/> sondern war er nur noch befugt, sie in Haft zu nehmen und einzu-<lb/> schlieſsen <note place="foot" n="9">Lex Sal. 9, 2. 5. Lex Rib. 82. Lex Baiuw. XIV 17. Lex Burg. 23, 1;<lb/> 49. Lex Wisig. VIII 3, 13. Roth. 343. 346. Liu. 86. Cap. Sax. bei Ansegis<lb/> App. 2, 35.</note>, in clausuram, in parcum minare, includere, niederdeutsch<lb/> schütten <note xml:id="seg2pn_134_1" next="#seg2pn_134_2" place="foot" n="10">Nhd. schützen, aber mit der Bedeutung, einen Verschluſs machen, ein-<lb/> schlieſsen. Vgl. ags. skyttan verriegeln. <hi rendition="#g">Kluge</hi>, WB s. v. Schutz. <hi rendition="#g">Schiller</hi><lb/> und <hi rendition="#g">Lübben</hi>, WB s. v. schutten. In Norwegen heiſst die Pfandnahme innsetja,</note>, wovon der Akt der Beschlagnahme den Namen Schüttung,<lb/> schuttinge, niederl. geschut, schut, schot erhalten hat. Auch das ge-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [532/0550]
§ 123. Die Schüttung.
im allgemeinen die Tötungsbefugnis aus. Doch tritt das Verbot nicht
selten in einer Form auf, die ein Fortleben der ursprünglichen Rechts-
anschauung erschlieſsen läſst 3. Auch blieb in Ausnahmefällen die
Tötung noch gestattet. So durfte nach einer angelsächsischen Satzung
das Rind erschlagen werden, das den Zaun durchbrochen hatte 4, eben-
so nach norwegischem Rechte fremdes Vieh im zweiten Betretungsfalle 5.
Burgundisches und langobardisches Recht gestatteten dem Beschädigten,
eines von mehreren Schweinen zu töten 6. Ziemlich allgemein findet
sich nachmals das Tötungsrecht in Bezug auf Gänse, Enten und
Hühner, von denen das Rechtssprichwort sagt, daſs sie auf fremdem
Graslande keinen Frieden haben 7. Auch begegnet die sicherlich in alte
Zeit zurückreichende Rechtssitte, das Tier in der Form der Hinrich-
tung zu töten, indem man es etwa an einem ‘Galgen’ aufhängt, ein
Brauch, der zugleich als Verlautbarung des Racheaktes dient 8.
In der Regel durfte der Beschädigte die Tiere nicht mehr töten,
sondern war er nur noch befugt, sie in Haft zu nehmen und einzu-
schlieſsen 9, in clausuram, in parcum minare, includere, niederdeutsch
schütten 10, wovon der Akt der Beschlagnahme den Namen Schüttung,
schuttinge, niederl. geschut, schut, schot erhalten hat. Auch das ge-
3 Lex Sal. 9, 1: penitus eum vastare non debet. Wird die Tötung des Viehes
freiwillig bekannt, so ist sie buſslos und nur Schadenersatz zu leisten. Die Lex
Wisig. setzt VIII 3, 15 den Fall, daſs der Eigentümer der Tiere sie durch Er-
stattung des Schadens auslösen will et ille (der Beschädigte) non adquiescat volens
pecora interficere.
4 Ine 42, 1.
5 Gulaþíngslög 82. v. Amira, Vollstr. S. 216 f. Derselbe, Obligationenr.
II 256.
6 Roth. 349. 350. Liu. 151. Lex Burg. 23, 4; 89. Vgl. Lex Wisig. VIII
5, 1. Dagegen Lex Baiuw. XIV 17. An Schweinen hat der Beschädigte unter
Umständen das Recht der Aneignung in Wäldern als Ersatz des Zehnten, während
er sonst das getötete Tier sich nicht aneignen darf, sondern Fleisch und Haut dem
Tiereigentümer bleibt. Vgl. v. Amira, a. O. I 248. Ausgedehnter ist das Tötungs-
recht bei den Burgundern, wenn fremdes Vieh in Weinberge übertritt.
7 Graf und Dietherr, Rechtssprichwörter S. 116, Nr. 304. Vgl. Nr. 303:
Gänse bezahlen mit dem Kopfe.
8 Grimm, RA S. 595. Osenbrüggen, Alam. Strafr. S. 327. Gierke,
Humor S. 46. v. Amira, Thierstrafen S. 593. Fockema Andreae, Stadregt
van Vollenhove I 316.
9 Lex Sal. 9, 2. 5. Lex Rib. 82. Lex Baiuw. XIV 17. Lex Burg. 23, 1;
49. Lex Wisig. VIII 3, 13. Roth. 343. 346. Liu. 86. Cap. Sax. bei Ansegis
App. 2, 35.
10 Nhd. schützen, aber mit der Bedeutung, einen Verschluſs machen, ein-
schlieſsen. Vgl. ags. skyttan verriegeln. Kluge, WB s. v. Schutz. Schiller
und Lübben, WB s. v. schutten. In Norwegen heiſst die Pfandnahme innsetja,
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