lautbaren. Versäumt er dies, so trägt er die Gefahr des Schadens, der dem Tiere zustösst, und verwirkt ausserdem die Diebstahlsbusse 17.
Meldet sich der Eigentümer, so sind ihm die gepfändeten Tiere herauszugeben, sobald er sie durch Erstattung des abgeschätzten Schadens auslöst, oder die Zahlung der Lösungssumme gelobt 18. Bis zum Ablauf der Einlösungsfrist muss der Pfandnehmer das fremde Vieh wie sein eigenes warten und füttern.
Unterliess es der Eigentümer trotz der Anzeige für den Schaden einzustehen, so wurde dies nach älterem Rechte vermutlich als Preis- gabe aufgefasst, während das Tier nach jenen Volksrechten, die sich ausdrücklich äussern, einer näher bestimmten Art der Vergeltung verfiel. Bei den Langobarden und ebenso nach jüngeren deutschen Rechtsquellen durfte der Pfandnehmer Genugthuung nehmen, indem er das Tier hungern liess. Er konnte es in befristeter Haft behalten, ohne es zu füttern 19. Bei den Westgoten steigerte sich die Ersatz- pflicht des Tiereigentümers auf das Doppelte, wogegen der Pfand- nehmer die Tiere drei Tage lang fasten lassen durfte und dann aus- treiben sollte 20. Nach der Lex Burgundionum musste schweifendes Vieh, welches Schaden angerichtet hatte, drei Tage nach vergeblichem Aufgebot über die Grenze gejagt werden 21. Im jüngeren Rechte haftet das geschüttete Vieh regelmässig nach Art eines Pfandes, aus dem der Gläubiger seine Befriedigung suchen darf 22. Dagegen wissen die Volksrechte noch nichts von einer solchen dinglichen Haftung. Nach ihnen dient, so viel sich ersehen lässt, die Schüttung nicht zur vermögensrechtlichen Befriedigung des Beschädigten, sondern sie er- scheint, abgesehen von dem Beweiszwecke, als ein Zwangsverfahren, welches sich in der Vorenthaltung der Tiere, in der Befreiung des
17 Lex Sal. 9, 2 (Diebstahlsbusse von 35 Solidi). Lex Burg. 49, 1. 3 (drei- facher Ersatz wie bei Diebstahl). Roth. 343 (neunfacher Ersatz wie bei Diebstahl). Vgl. Lex Wisig. VIII 3, 15. Siehe unten § 139.
18 Nach langob. Recht durch Bürgenstellung oder durch Hingabe eines minderwerthigen Pfandes, ein Akt, der in Roth. 346 dispignerare genannt wird.
19 Nach Roth. 346 soll der Pfandnehmer das Tier neun Nächte lang be- halten: aqua tantum ei dit et de damnum in hoc sibi sit contentus, eo quod novem noctis ipsum peculium tenuit. Nach deutschen Weistümern erhielt das Vieh einen Kübel mit Steinen und ein Sieb mit Wasser. Auf Island durfte das Tier im Hungerpferch eingeschlossen werden. v. Amira, Obligationenrecht II 257.
20 Lex Wisig. VIII 3, 15: adaquentur tantummodo ac triduo teneantur inclusa.
21 Lex Burg. 49, 3.
22 Das Recht des Pfandnehmers ist nicht eigentliches Pfandrecht, sondern Zurückbehaltungsrecht mit pfandrechtlichen Wirkungen nach Art des kaufmänni- schen Retentionsrechtes.
§ 123. Die Schüttung.
lautbaren. Versäumt er dies, so trägt er die Gefahr des Schadens, der dem Tiere zustöſst, und verwirkt auſserdem die Diebstahlsbuſse 17.
Meldet sich der Eigentümer, so sind ihm die gepfändeten Tiere herauszugeben, sobald er sie durch Erstattung des abgeschätzten Schadens auslöst, oder die Zahlung der Lösungssumme gelobt 18. Bis zum Ablauf der Einlösungsfrist muſs der Pfandnehmer das fremde Vieh wie sein eigenes warten und füttern.
Unterlieſs es der Eigentümer trotz der Anzeige für den Schaden einzustehen, so wurde dies nach älterem Rechte vermutlich als Preis- gabe aufgefaſst, während das Tier nach jenen Volksrechten, die sich ausdrücklich äuſsern, einer näher bestimmten Art der Vergeltung verfiel. Bei den Langobarden und ebenso nach jüngeren deutschen Rechtsquellen durfte der Pfandnehmer Genugthuung nehmen, indem er das Tier hungern lieſs. Er konnte es in befristeter Haft behalten, ohne es zu füttern 19. Bei den Westgoten steigerte sich die Ersatz- pflicht des Tiereigentümers auf das Doppelte, wogegen der Pfand- nehmer die Tiere drei Tage lang fasten lassen durfte und dann aus- treiben sollte 20. Nach der Lex Burgundionum muſste schweifendes Vieh, welches Schaden angerichtet hatte, drei Tage nach vergeblichem Aufgebot über die Grenze gejagt werden 21. Im jüngeren Rechte haftet das geschüttete Vieh regelmäſsig nach Art eines Pfandes, aus dem der Gläubiger seine Befriedigung suchen darf 22. Dagegen wissen die Volksrechte noch nichts von einer solchen dinglichen Haftung. Nach ihnen dient, so viel sich ersehen läſst, die Schüttung nicht zur vermögensrechtlichen Befriedigung des Beschädigten, sondern sie er- scheint, abgesehen von dem Beweiszwecke, als ein Zwangsverfahren, welches sich in der Vorenthaltung der Tiere, in der Befreiung des
17 Lex Sal. 9, 2 (Diebstahlsbuſse von 35 Solidi). Lex Burg. 49, 1. 3 (drei- facher Ersatz wie bei Diebstahl). Roth. 343 (neunfacher Ersatz wie bei Diebstahl). Vgl. Lex Wisig. VIII 3, 15. Siehe unten § 139.
18 Nach langob. Recht durch Bürgenstellung oder durch Hingabe eines minderwerthigen Pfandes, ein Akt, der in Roth. 346 dispignerare genannt wird.
19 Nach Roth. 346 soll der Pfandnehmer das Tier neun Nächte lang be- halten: aqua tantum ei dit et de damnum in hoc sibi sit contentus, eo quod novem noctis ipsum peculium tenuit. Nach deutschen Weistümern erhielt das Vieh einen Kübel mit Steinen und ein Sieb mit Wasser. Auf Island durfte das Tier im Hungerpferch eingeschlossen werden. v. Amira, Obligationenrecht II 257.
20 Lex Wisig. VIII 3, 15: adaquentur tantummodo ac triduo teneantur inclusa.
21 Lex Burg. 49, 3.
22 Das Recht des Pfandnehmers ist nicht eigentliches Pfandrecht, sondern Zurückbehaltungsrecht mit pfandrechtlichen Wirkungen nach Art des kaufmänni- schen Retentionsrechtes.
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[534/0552]
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lautbaren. Versäumt er dies, so trägt er die Gefahr des Schadens,
der dem Tiere zustöſst, und verwirkt auſserdem die Diebstahlsbuſse 17.
Meldet sich der Eigentümer, so sind ihm die gepfändeten Tiere
herauszugeben, sobald er sie durch Erstattung des abgeschätzten
Schadens auslöst, oder die Zahlung der Lösungssumme gelobt 18. Bis
zum Ablauf der Einlösungsfrist muſs der Pfandnehmer das fremde
Vieh wie sein eigenes warten und füttern.
Unterlieſs es der Eigentümer trotz der Anzeige für den Schaden
einzustehen, so wurde dies nach älterem Rechte vermutlich als Preis-
gabe aufgefaſst, während das Tier nach jenen Volksrechten, die
sich ausdrücklich äuſsern, einer näher bestimmten Art der Vergeltung
verfiel. Bei den Langobarden und ebenso nach jüngeren deutschen
Rechtsquellen durfte der Pfandnehmer Genugthuung nehmen, indem
er das Tier hungern lieſs. Er konnte es in befristeter Haft behalten,
ohne es zu füttern 19. Bei den Westgoten steigerte sich die Ersatz-
pflicht des Tiereigentümers auf das Doppelte, wogegen der Pfand-
nehmer die Tiere drei Tage lang fasten lassen durfte und dann aus-
treiben sollte 20. Nach der Lex Burgundionum muſste schweifendes
Vieh, welches Schaden angerichtet hatte, drei Tage nach vergeblichem
Aufgebot über die Grenze gejagt werden 21. Im jüngeren Rechte
haftet das geschüttete Vieh regelmäſsig nach Art eines Pfandes, aus
dem der Gläubiger seine Befriedigung suchen darf 22. Dagegen wissen
die Volksrechte noch nichts von einer solchen dinglichen Haftung.
Nach ihnen dient, so viel sich ersehen läſst, die Schüttung nicht zur
vermögensrechtlichen Befriedigung des Beschädigten, sondern sie er-
scheint, abgesehen von dem Beweiszwecke, als ein Zwangsverfahren,
welches sich in der Vorenthaltung der Tiere, in der Befreiung des
17 Lex Sal. 9, 2 (Diebstahlsbuſse von 35 Solidi). Lex Burg. 49, 1. 3 (drei-
facher Ersatz wie bei Diebstahl). Roth. 343 (neunfacher Ersatz wie bei Diebstahl).
Vgl. Lex Wisig. VIII 3, 15. Siehe unten § 139.
18 Nach langob. Recht durch Bürgenstellung oder durch Hingabe eines
minderwerthigen Pfandes, ein Akt, der in Roth. 346 dispignerare genannt wird.
19 Nach Roth. 346 soll der Pfandnehmer das Tier neun Nächte lang be-
halten: aqua tantum ei dit et de damnum in hoc sibi sit contentus, eo quod novem
noctis ipsum peculium tenuit. Nach deutschen Weistümern erhielt das Vieh einen
Kübel mit Steinen und ein Sieb mit Wasser. Auf Island durfte das Tier im
Hungerpferch eingeschlossen werden. v. Amira, Obligationenrecht II 257.
20 Lex Wisig. VIII 3, 15: adaquentur tantummodo ac triduo teneantur inclusa.
21 Lex Burg. 49, 3.
22 Das Recht des Pfandnehmers ist nicht eigentliches Pfandrecht, sondern
Zurückbehaltungsrecht mit pfandrechtlichen Wirkungen nach Art des kaufmänni-
schen Retentionsrechtes.
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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 534. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/552>, abgerufen am 17.06.2024.
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