im Sinne der oberdeutschen Quellen des jüngeren Mittelalters 4, dienten die Ausdrücke firintat, firina 5 und mein (ein Neutrum), altsächs. men, ags. man, auch meintat, meinwerk 6, meinvolle That 7, während das Nordische sie als Neidingswerke, Thaten eines niding, eines hassens- werten Menschen, kennzeichnet.
Missethat wird begangen durch rechtswidrige Zufügung eines Übels. Der Begriff der Missethat setzt daher ursprünglich einen schädlichen Erfolg 8 voraus. 'Die That tötet den Mann'. 'Le fait juge l'homme'. Auch wer im einzelnen Falle das Übel ohne Absicht und ohne Fahrlässigkeit zugefügt hat, ist einer Missethat schuldig ge- worden. Dabei geht aber das germanische Strafrecht nicht etwa davon aus, strafen zu wollen, wo es keinen Willen, keine Schuld sieht; es hat vielmehr die Tendenz, in der Missethat den verbrecherischen Willen zu strafen. Jedoch verlangt und betrachtet das Recht den schädlichen Erfolg der That als den sinnlichen Ausdruck des ver- brecherischen Willens. Weil es in der That den Willen sieht, verhängt es keine Strafe, wo ein Übel nicht verursacht wurde. 'Man kann falschen Mut nicht sehen, die That sei denn dabei' 9. Andererseits wird aus dem zugefügten Übel mit schroffer Konsequenz ohne Untersuchung des individuellen Falles auf das Dasein des ver- brecherischen Willens geschlossen. Das Strafrecht hat einen formellen, einen typischen Zuschnitt. Wie der Rechtsgang am Worte, klebt das Strafrecht an der That. Wie jener aus Worten, folgert dieses aus Werken den Willen. Soweit Ausnahmen sich Bahn brechen, sind sie typisch gestaltet. Im Gewande des Ungefährwerkes wandert die ab- sichtslose Schädigung aus dem Bereiche des Strafrechtes hinaus; mit dem Gepräge des Versuchsverbrechens zieht der unschädlich gebliebene Deliktswille in das Strafrecht ein.
4 Vgl. Osenbrüggen, Alamannisches Strafrecht S. 205.
5 Schon im neunten Jahrhundert nur noch in Zusammensetzungen vorhanden.
6 Mein bedeutet unrein, unheilig. Vgl. ahd. farmeinjan, beflecken, bairisch vermainen, unheilig machen, bezaubern, Schmeller, WB I 1612. Mhd. findet sich auch gamein, gemein. Gmayn ayd a. O. Eidreyne und nicht gemeyne bei Haltaus, Gl. Sp. 1336. Grimm, RA S. 718: se worden gemaket gemeine. Der Ausdruck mag dem Worte gemein, communis, zu seiner üblen Bedeutung verholfen haben. Grimm, WB IV 1. 2, S. 3217, VI 1912.
7 Manfull reaflac in Kemble, Cod. dipl. 499. Ahd. meinfol, Graff, Ahd. Sprachsch. II 780.
8 Got. skathjan bedeutet schaden und Unrecht thun. Schädlichen Mann nennt man in der Folge den Verbrecher. Schon das Ahd. braucht scado für latrocinium, fraus, unscadaleih für innocens, scadon für fraudare, calumniari.
9Graf und Dietherr, Rechtssprichwörter S. 292, Nr. 71.
§ 124. Begriff und Arten der Missethat.
im Sinne der oberdeutschen Quellen des jüngeren Mittelalters 4, dienten die Ausdrücke firintât, firina 5 und mein (ein Neutrum), altsächs. mên, ags. mân, auch meintât, meinwerk 6, meinvolle That 7, während das Nordische sie als Neidingswerke, Thaten eines níđing, eines hassens- werten Menschen, kennzeichnet.
Missethat wird begangen durch rechtswidrige Zufügung eines Übels. Der Begriff der Missethat setzt daher ursprünglich einen schädlichen Erfolg 8 voraus. ‘Die That tötet den Mann’. ‘Le fait juge l’homme’. Auch wer im einzelnen Falle das Übel ohne Absicht und ohne Fahrlässigkeit zugefügt hat, ist einer Missethat schuldig ge- worden. Dabei geht aber das germanische Strafrecht nicht etwa davon aus, strafen zu wollen, wo es keinen Willen, keine Schuld sieht; es hat vielmehr die Tendenz, in der Missethat den verbrecherischen Willen zu strafen. Jedoch verlangt und betrachtet das Recht den schädlichen Erfolg der That als den sinnlichen Ausdruck des ver- brecherischen Willens. Weil es in der That den Willen sieht, verhängt es keine Strafe, wo ein Übel nicht verursacht wurde. ‘Man kann falschen Mut nicht sehen, die That sei denn dabei’ 9. Andererseits wird aus dem zugefügten Übel mit schroffer Konsequenz ohne Untersuchung des individuellen Falles auf das Dasein des ver- brecherischen Willens geschlossen. Das Strafrecht hat einen formellen, einen typischen Zuschnitt. Wie der Rechtsgang am Worte, klebt das Strafrecht an der That. Wie jener aus Worten, folgert dieses aus Werken den Willen. Soweit Ausnahmen sich Bahn brechen, sind sie typisch gestaltet. Im Gewande des Ungefährwerkes wandert die ab- sichtslose Schädigung aus dem Bereiche des Strafrechtes hinaus; mit dem Gepräge des Versuchsverbrechens zieht der unschädlich gebliebene Deliktswille in das Strafrecht ein.
4 Vgl. Osenbrüggen, Alamannisches Strafrecht S. 205.
5 Schon im neunten Jahrhundert nur noch in Zusammensetzungen vorhanden.
6 Mein bedeutet unrein, unheilig. Vgl. ahd. farmeinjan, beflecken, bairisch vermainen, unheilig machen, bezaubern, Schmeller, WB I 1612. Mhd. findet sich auch gamein, gemein. Gmayn ayd a. O. Eidreyne und nicht gemeyne bei Haltaus, Gl. Sp. 1336. Grimm, RA S. 718: se worden gemaket gemeine. Der Ausdruck mag dem Worte gemein, communis, zu seiner üblen Bedeutung verholfen haben. Grimm, WB IV 1. 2, S. 3217, VI 1912.
7 Mánfull reáflác in Kemble, Cod. dipl. 499. Ahd. meinfol, Graff, Ahd. Sprachsch. II 780.
8 Got. skaþjan bedeutet schaden und Unrecht thun. Schädlichen Mann nennt man in der Folge den Verbrecher. Schon das Ahd. braucht scado für latrocinium, fraus, unscadalîh für innocens, scadôn für fraudare, calumniari.
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ags. mân, auch meintât, meinwerk 6, meinvolle That 7, während das
Nordische sie als Neidingswerke, Thaten eines níđing, eines hassens-
werten Menschen, kennzeichnet.
Missethat wird begangen durch rechtswidrige Zufügung eines
Übels. Der Begriff der Missethat setzt daher ursprünglich einen
schädlichen Erfolg 8 voraus. ‘Die That tötet den Mann’. ‘Le fait
juge l’homme’. Auch wer im einzelnen Falle das Übel ohne Absicht
und ohne Fahrlässigkeit zugefügt hat, ist einer Missethat schuldig ge-
worden. Dabei geht aber das germanische Strafrecht nicht etwa
davon aus, strafen zu wollen, wo es keinen Willen, keine Schuld
sieht; es hat vielmehr die Tendenz, in der Missethat den verbrecherischen
Willen zu strafen. Jedoch verlangt und betrachtet das Recht den
schädlichen Erfolg der That als den sinnlichen Ausdruck des ver-
brecherischen Willens. Weil es in der That den Willen sieht,
verhängt es keine Strafe, wo ein Übel nicht verursacht wurde.
‘Man kann falschen Mut nicht sehen, die That sei denn dabei’ 9.
Andererseits wird aus dem zugefügten Übel mit schroffer Konsequenz
ohne Untersuchung des individuellen Falles auf das Dasein des ver-
brecherischen Willens geschlossen. Das Strafrecht hat einen formellen,
einen typischen Zuschnitt. Wie der Rechtsgang am Worte, klebt das
Strafrecht an der That. Wie jener aus Worten, folgert dieses aus
Werken den Willen. Soweit Ausnahmen sich Bahn brechen, sind sie
typisch gestaltet. Im Gewande des Ungefährwerkes wandert die ab-
sichtslose Schädigung aus dem Bereiche des Strafrechtes hinaus; mit
dem Gepräge des Versuchsverbrechens zieht der unschädlich gebliebene
Deliktswille in das Strafrecht ein.
4 Vgl. Osenbrüggen, Alamannisches Strafrecht S. 205.
5 Schon im neunten Jahrhundert nur noch in Zusammensetzungen vorhanden.
6 Mein bedeutet unrein, unheilig. Vgl. ahd. farmeinjan, beflecken, bairisch
vermainen, unheilig machen, bezaubern, Schmeller, WB I 1612. Mhd. findet
sich auch gamein, gemein. Gmayn ayd a. O. Eidreyne und nicht gemeyne bei
Haltaus, Gl. Sp. 1336. Grimm, RA S. 718: se worden gemaket gemeine. Der
Ausdruck mag dem Worte gemein, communis, zu seiner üblen Bedeutung verholfen
haben. Grimm, WB IV 1. 2, S. 3217, VI 1912.
7 Mánfull reáflác in Kemble, Cod. dipl. 499. Ahd. meinfol, Graff, Ahd.
Sprachsch. II 780.
8 Got. skaþjan bedeutet schaden und Unrecht thun. Schädlichen Mann nennt
man in der Folge den Verbrecher. Schon das Ahd. braucht scado für latrocinium,
fraus, unscadalîh für innocens, scadôn für fraudare, calumniari.
9 Graf und Dietherr, Rechtssprichwörter S. 292, Nr. 71.
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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 537. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/555>, abgerufen am 26.06.2024.
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