so haftet er dem Eigentümer für Ersatz, da dieser die Annahme des nicht 'gesunden' Schwertes oder Werkzeuges verweigern kann. Um solche Ersatzpflicht auszuschliessen, kam es bei den Angelsachsen vor, dass Schwertfeger und Schmiede Waffen und Werkzeuge nur unter Vorbehalt haftungsfreier Aufbewahrung in Arbeit nahmen 33. Der Ge- danke, dass den Unfall büssen müsse, wer das leblose Werkzeug be- nutzt, das ihn herbeigeführt, geht auf heidnisch-religiöse Anschauungen zurück und berührt sich mit einem in Norwegen bestehenden, sicher- lich uralten Aberglauben, welcher verlangt, dass derartige Gegenstände nicht in Gebrauch genommen, sondern gleich Götzenbildern aufbe- wahrt werden, während man ihnen andererseits eine besondere Heil- kraft zuschreibt 34.
Sucht man nach einem gemeinsamen Ausgangspunkt für die Aus- lieferung des Knechtes, des Haustieres und lebloser Gegenstände, so liegt die Vermutung nahe, dass ihr die Idee eines Opfers zu Grunde liege, welches in Todschlagsfällen der Seele des Getöteten dargebracht werden sollte.
§ 127. Der Versuch und die Versuchsverbrechen.
Wilda, Strafrecht S. 598. Osenbrüggen, Strafrecht der Langobarden S. 36 ff. Derselbe, Alamannisches Strafrecht S. 144. Dahn, Westgoth. Studien S. 148. Pertile, Storia del diritto ital. V. 75. H. Luden, Abhandlungen aus dem ge- meinen deutschen Strafrechte I (1836) S. 302 ff. Zachariae, Die Lehre vom Ver- suche der Verbrechen 1836, S. 164 ff. Brandt, Forelaesninger II 55.
Der Strafbarkeit ungewollter Missethat entspricht die grundsätz- liche Straflosigkeit des Versuches. Eine Rechtsordnung, die in dem zuge- fügten Übel den Ausdruck des verbrecherischen Willens zu sehen pflegte, musste weit davon entfernt sein, die unvollendete oder miss- lungene Missethat nach Analogie des vollendeten und gelungenen Ver- brechens zu strafen. Sämtliche deutschen Volksrechte lassen in der Fülle ihrer strafrechtlichen Satzungen den allgemeinen Begriff des strafbaren Versuches vermissen. Wie aber Thatbestände, bei welchen man das Fehlen der Absicht präsumierte, nicht als Friedensbrüche,
33 Alfred 19: gif sweord-hweita odres monnes waepn to feormunge onfo, odde smid monnes andweorc (l. handweorc, manufactile, schwedisch handavaerki), heie hit gesund begen agifan, swa hit hwaeder hiora aer onfenge, bauton hiora hwaeder aer thingode, thaet he hit angylde (auf Ersatzpflicht) healdan ne thorfte. Leges Henrici primi 87, 3.
34Liebrecht, Zur Volkskunde 1879, S. 313. Vgl. oben S. 476.
§ 127. Der Versuch und die Versuchsverbrechen.
so haftet er dem Eigentümer für Ersatz, da dieser die Annahme des nicht ‘gesunden’ Schwertes oder Werkzeuges verweigern kann. Um solche Ersatzpflicht auszuschlieſsen, kam es bei den Angelsachsen vor, daſs Schwertfeger und Schmiede Waffen und Werkzeuge nur unter Vorbehalt haftungsfreier Aufbewahrung in Arbeit nahmen 33. Der Ge- danke, daſs den Unfall büſsen müsse, wer das leblose Werkzeug be- nutzt, das ihn herbeigeführt, geht auf heidnisch-religiöse Anschauungen zurück und berührt sich mit einem in Norwegen bestehenden, sicher- lich uralten Aberglauben, welcher verlangt, daſs derartige Gegenstände nicht in Gebrauch genommen, sondern gleich Götzenbildern aufbe- wahrt werden, während man ihnen andererseits eine besondere Heil- kraft zuschreibt 34.
Sucht man nach einem gemeinsamen Ausgangspunkt für die Aus- lieferung des Knechtes, des Haustieres und lebloser Gegenstände, so liegt die Vermutung nahe, daſs ihr die Idee eines Opfers zu Grunde liege, welches in Todschlagsfällen der Seele des Getöteten dargebracht werden sollte.
§ 127. Der Versuch und die Versuchsverbrechen.
Wilda, Strafrecht S. 598. Osenbrüggen, Strafrecht der Langobarden S. 36 ff. Derselbe, Alamannisches Strafrecht S. 144. Dahn, Westgoth. Studien S. 148. Pertile, Storia del diritto ital. V. 75. H. Luden, Abhandlungen aus dem ge- meinen deutschen Strafrechte I (1836) S. 302 ff. Zachariae, Die Lehre vom Ver- suche der Verbrechen 1836, S. 164 ff. Brandt, Forelæsninger II 55.
Der Strafbarkeit ungewollter Missethat entspricht die grundsätz- liche Straflosigkeit des Versuches. Eine Rechtsordnung, die in dem zuge- fügten Übel den Ausdruck des verbrecherischen Willens zu sehen pflegte, muſste weit davon entfernt sein, die unvollendete oder miſs- lungene Missethat nach Analogie des vollendeten und gelungenen Ver- brechens zu strafen. Sämtliche deutschen Volksrechte lassen in der Fülle ihrer strafrechtlichen Satzungen den allgemeinen Begriff des strafbaren Versuches vermissen. Wie aber Thatbestände, bei welchen man das Fehlen der Absicht präsumierte, nicht als Friedensbrüche,
33 Alfred 19: gif sweord-hwîta ôđres monnes wæ̂pn tô feormunge onfô, ođđe smiđ monnes andweorc (l. handweorc, manufactile, schwedisch handaværki), hîe hit gesund bêgen âgifan, swâ hit hwæđer hiora æ̂r onfênge, bûton hiora hwæđer æ̂r þingode, þæt he hit angylde (auf Ersatzpflicht) healdan ne þorfte. Leges Henrici primi 87, 3.
34Liebrecht, Zur Volkskunde 1879, S. 313. Vgl. oben S. 476.
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so haftet er dem Eigentümer für Ersatz, da dieser die Annahme des
nicht ‘gesunden’ Schwertes oder Werkzeuges verweigern kann. Um
solche Ersatzpflicht auszuschlieſsen, kam es bei den Angelsachsen vor,
daſs Schwertfeger und Schmiede Waffen und Werkzeuge nur unter
Vorbehalt haftungsfreier Aufbewahrung in Arbeit nahmen 33. Der Ge-
danke, daſs den Unfall büſsen müsse, wer das leblose Werkzeug be-
nutzt, das ihn herbeigeführt, geht auf heidnisch-religiöse Anschauungen
zurück und berührt sich mit einem in Norwegen bestehenden, sicher-
lich uralten Aberglauben, welcher verlangt, daſs derartige Gegenstände
nicht in Gebrauch genommen, sondern gleich Götzenbildern aufbe-
wahrt werden, während man ihnen andererseits eine besondere Heil-
kraft zuschreibt 34.
Sucht man nach einem gemeinsamen Ausgangspunkt für die Aus-
lieferung des Knechtes, des Haustieres und lebloser Gegenstände, so
liegt die Vermutung nahe, daſs ihr die Idee eines Opfers zu Grunde
liege, welches in Todschlagsfällen der Seele des Getöteten dargebracht
werden sollte.
§ 127. Der Versuch und die Versuchsverbrechen.
Wilda, Strafrecht S. 598. Osenbrüggen, Strafrecht der Langobarden S. 36 ff.
Derselbe, Alamannisches Strafrecht S. 144. Dahn, Westgoth. Studien S. 148.
Pertile, Storia del diritto ital. V. 75. H. Luden, Abhandlungen aus dem ge-
meinen deutschen Strafrechte I (1836) S. 302 ff. Zachariae, Die Lehre vom Ver-
suche der Verbrechen 1836, S. 164 ff. Brandt, Forelæsninger II 55.
Der Strafbarkeit ungewollter Missethat entspricht die grundsätz-
liche Straflosigkeit des Versuches. Eine Rechtsordnung, die in dem zuge-
fügten Übel den Ausdruck des verbrecherischen Willens zu sehen
pflegte, muſste weit davon entfernt sein, die unvollendete oder miſs-
lungene Missethat nach Analogie des vollendeten und gelungenen Ver-
brechens zu strafen. Sämtliche deutschen Volksrechte lassen in der
Fülle ihrer strafrechtlichen Satzungen den allgemeinen Begriff des
strafbaren Versuches vermissen. Wie aber Thatbestände, bei welchen
man das Fehlen der Absicht präsumierte, nicht als Friedensbrüche,
33 Alfred 19: gif sweord-hwîta ôđres monnes wæ̂pn tô feormunge onfô, ođđe
smiđ monnes andweorc (l. handweorc, manufactile, schwedisch handaværki), hîe hit
gesund bêgen âgifan, swâ hit hwæđer hiora æ̂r onfênge, bûton hiora hwæđer æ̂r
þingode, þæt he hit angylde (auf Ersatzpflicht) healdan ne þorfte. Leges Henrici
primi 87, 3.
34 Liebrecht, Zur Volkskunde 1879, S. 313. Vgl. oben S. 476.
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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 558. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/576>, abgerufen am 26.06.2024.
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