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Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892.

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§ 128. Mitthäterschaft und Teilnahme.
Die Menge der Genossen wirkt ein auf die Strafbarkeit der Missethat.
So wird bei den Angelsachsen die Strafe verschieden bemessen, je
nachdem die Verbrecher eine Bande (7 bis 35 Mann) oder ein Heer
(35 oder mehr) bildeten 37. Da mit der bestimmten Menge die recht-
liche Qualifikation des Bandenverbrechens gegeben war, so bestand die
Tendenz, wenn der Teilnehmer im einzelnen Falle noch mehr waren,
die überschüssige Zahl straflos ausgehen zu lassen.

Bei Bestrafung des Bandenverbrechens werden verschiedene Grade
der Mitwirkung oder Teilnahme unterschieden, welche etwa die Gruppen
der Thäterschaft oder Mitthäterschaft, der handthätigen Teilnahme und
der passiven Gefolgschaft repräsentieren sollen, nur dass die Sonderung,
dem Geiste des älteren Rechtes gemäss, eine typische, ja geradezu
eine schematische und ziffermässige ist.

Drei Grade der Beteiligung unterscheiden regelmässig die fränki-
schen Rechte. Wenn eine Bande einen freien Mann in seinem Hause
überfällt und tötet, so zahlt nach der Lex Salica von den Todschlägern
jeder das dreifache Wergeld. Als solche können aber nur drei Per-
sonen in Anspruch genommen werden, vorausgesetzt, dass der Leich-
nam des Erschlagenen drei oder mehr Wunden aufweist 38. Von den
übrigen Genossen der Bande büssen die drei ersten 90 Schillinge,
drei andere 45 Schillinge 39. Wurde der Todschlag auf freiem Felde,
also ohne Verletzung des Hausfriedens, verübt, so haben die drei
Gruppen von Genossen nur den dritten Teil jener Beträge verwirkt,
so dass die Todschläger nur das einfache Wergeld, drei Genossen
nur dreissig, drei andere nur fünfzehn Solidi entrichten müssen 40.
Der von einer Bande verübte Frauenraub wird nach salischem Rechte 41
an dem, der die Frau empfängt, mit 621/2 Solidi, an drei handthätigen
Räubern mit je dreissig, an den übrigen Genossen mit je fünf Solidi

bei Heerwerk. Mindestens sieben Mann gehören nach Ine 13, 1 zur hlod. Sieben
oder neun Genossen (ohne Rädelsführer?) setzt das fränkische contubernium voraus.
37 Ine 13, 1. Mindestens 42 Schilde zählt nach Lex Baiuw. IV 23 die manus
hostilis, quod heriraita dicunt. Vgl. unten § 140.
38 Lex Sal. 42, 3, wohl aus einer königlichen Satzung, da in 42, 1 der an
einem königlichen Antrustio begangene Todschlag vorangestellt wird. -- Waren der
Wunden mehr als drei, so konnte ein etwaiger vierter Todschläger nicht als solcher
bestraft werden.
39 Vermutlich stand es im Belieben des Klägers, drei von den Genossen als
die ersten Helfer zu nennen. Wenigstens sprechen dafür gewisse Analogieen in
nordischen Rechten. Vgl. v. Amira, Obligationenrecht I 179.
40 Lex Sal. 43, 3.
41 Lex Sal. 13, 1. 2. 3. 4. Recap. A 7.

§ 128. Mitthäterschaft und Teilnahme.
Die Menge der Genossen wirkt ein auf die Strafbarkeit der Missethat.
So wird bei den Angelsachsen die Strafe verschieden bemessen, je
nachdem die Verbrecher eine Bande (7 bis 35 Mann) oder ein Heer
(35 oder mehr) bildeten 37. Da mit der bestimmten Menge die recht-
liche Qualifikation des Bandenverbrechens gegeben war, so bestand die
Tendenz, wenn der Teilnehmer im einzelnen Falle noch mehr waren,
die überschüssige Zahl straflos ausgehen zu lassen.

Bei Bestrafung des Bandenverbrechens werden verschiedene Grade
der Mitwirkung oder Teilnahme unterschieden, welche etwa die Gruppen
der Thäterschaft oder Mitthäterschaft, der handthätigen Teilnahme und
der passiven Gefolgschaft repräsentieren sollen, nur daſs die Sonderung,
dem Geiste des älteren Rechtes gemäſs, eine typische, ja geradezu
eine schematische und ziffermäſsige ist.

Drei Grade der Beteiligung unterscheiden regelmäſsig die fränki-
schen Rechte. Wenn eine Bande einen freien Mann in seinem Hause
überfällt und tötet, so zahlt nach der Lex Salica von den Todschlägern
jeder das dreifache Wergeld. Als solche können aber nur drei Per-
sonen in Anspruch genommen werden, vorausgesetzt, daſs der Leich-
nam des Erschlagenen drei oder mehr Wunden aufweist 38. Von den
übrigen Genossen der Bande büſsen die drei ersten 90 Schillinge,
drei andere 45 Schillinge 39. Wurde der Todschlag auf freiem Felde,
also ohne Verletzung des Hausfriedens, verübt, so haben die drei
Gruppen von Genossen nur den dritten Teil jener Beträge verwirkt,
so daſs die Todschläger nur das einfache Wergeld, drei Genossen
nur dreiſsig, drei andere nur fünfzehn Solidi entrichten müssen 40.
Der von einer Bande verübte Frauenraub wird nach salischem Rechte 41
an dem, der die Frau empfängt, mit 62½ Solidi, an drei handthätigen
Räubern mit je dreiſsig, an den übrigen Genossen mit je fünf Solidi

bei Heerwerk. Mindestens sieben Mann gehören nach Ine 13, 1 zur hlóđ. Sieben
oder neun Genossen (ohne Rädelsführer?) setzt das fränkische contubernium voraus.
37 Ine 13, 1. Mindestens 42 Schilde zählt nach Lex Baiuw. IV 23 die manus
hostilis, quod heriraita dicunt. Vgl. unten § 140.
38 Lex Sal. 42, 3, wohl aus einer königlichen Satzung, da in 42, 1 der an
einem königlichen Antrustio begangene Todschlag vorangestellt wird. — Waren der
Wunden mehr als drei, so konnte ein etwaiger vierter Todschläger nicht als solcher
bestraft werden.
39 Vermutlich stand es im Belieben des Klägers, drei von den Genossen als
die ersten Helfer zu nennen. Wenigstens sprechen dafür gewisse Analogieen in
nordischen Rechten. Vgl. v. Amira, Obligationenrecht I 179.
40 Lex Sal. 43, 3.
41 Lex Sal. 13, 1. 2. 3. 4. Recap. A 7.
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[571/0589] § 128. Mitthäterschaft und Teilnahme. Die Menge der Genossen wirkt ein auf die Strafbarkeit der Missethat. So wird bei den Angelsachsen die Strafe verschieden bemessen, je nachdem die Verbrecher eine Bande (7 bis 35 Mann) oder ein Heer (35 oder mehr) bildeten 37. Da mit der bestimmten Menge die recht- liche Qualifikation des Bandenverbrechens gegeben war, so bestand die Tendenz, wenn der Teilnehmer im einzelnen Falle noch mehr waren, die überschüssige Zahl straflos ausgehen zu lassen. Bei Bestrafung des Bandenverbrechens werden verschiedene Grade der Mitwirkung oder Teilnahme unterschieden, welche etwa die Gruppen der Thäterschaft oder Mitthäterschaft, der handthätigen Teilnahme und der passiven Gefolgschaft repräsentieren sollen, nur daſs die Sonderung, dem Geiste des älteren Rechtes gemäſs, eine typische, ja geradezu eine schematische und ziffermäſsige ist. Drei Grade der Beteiligung unterscheiden regelmäſsig die fränki- schen Rechte. Wenn eine Bande einen freien Mann in seinem Hause überfällt und tötet, so zahlt nach der Lex Salica von den Todschlägern jeder das dreifache Wergeld. Als solche können aber nur drei Per- sonen in Anspruch genommen werden, vorausgesetzt, daſs der Leich- nam des Erschlagenen drei oder mehr Wunden aufweist 38. Von den übrigen Genossen der Bande büſsen die drei ersten 90 Schillinge, drei andere 45 Schillinge 39. Wurde der Todschlag auf freiem Felde, also ohne Verletzung des Hausfriedens, verübt, so haben die drei Gruppen von Genossen nur den dritten Teil jener Beträge verwirkt, so daſs die Todschläger nur das einfache Wergeld, drei Genossen nur dreiſsig, drei andere nur fünfzehn Solidi entrichten müssen 40. Der von einer Bande verübte Frauenraub wird nach salischem Rechte 41 an dem, der die Frau empfängt, mit 62½ Solidi, an drei handthätigen Räubern mit je dreiſsig, an den übrigen Genossen mit je fünf Solidi 36 37 Ine 13, 1. Mindestens 42 Schilde zählt nach Lex Baiuw. IV 23 die manus hostilis, quod heriraita dicunt. Vgl. unten § 140. 38 Lex Sal. 42, 3, wohl aus einer königlichen Satzung, da in 42, 1 der an einem königlichen Antrustio begangene Todschlag vorangestellt wird. — Waren der Wunden mehr als drei, so konnte ein etwaiger vierter Todschläger nicht als solcher bestraft werden. 39 Vermutlich stand es im Belieben des Klägers, drei von den Genossen als die ersten Helfer zu nennen. Wenigstens sprechen dafür gewisse Analogieen in nordischen Rechten. Vgl. v. Amira, Obligationenrecht I 179. 40 Lex Sal. 43, 3. 41 Lex Sal. 13, 1. 2. 3. 4. Recap. A 7. 36 bei Heerwerk. Mindestens sieben Mann gehören nach Ine 13, 1 zur hlóđ. Sieben oder neun Genossen (ohne Rädelsführer?) setzt das fränkische contubernium voraus.

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Zitationshilfe: Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. Leipzig, 1892, S. 571. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brunner_rechtsgeschichte02_1892/589>, abgerufen am 25.11.2024.